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Florentinische Nächte
prosa [ ]
Text von Heinrich Heine (1797-1856)

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von [bb ]

2003-11-08  |     | 



Im Vorzimmer fand Maximilian den Arzt, wie er
eben seine schwarzen Handschuhe anzog. »Ich bin
sehr pressiert«, rief ihm dieser hastig entgegen. »Si-
gnora Maria hat den ganzen Tag nicht geschlafen, und
nur in diesem Augenblick ist sie ein wenig einge-
schlummert. Ich brauche Ihnen nicht zu empfehlen sie
durch kein Geräusch zu wecken; und wenn sie er-
wacht, darf sie beileibe nicht reden. Sie muß ruhig lie-
gen, darf sich nicht rühren, nicht im mindesten bewe-
gen, darf nicht reden, und nur geistige Bewegung ist
ihr heilsam. Bitte, erzählen Sie ihr wieder allerlei när-
rische Geschichten, so daß sie ruhig zuhören muß.«
»Seien Sie unbesorgt, Doktor«, erwiderte Maximi-
lian mit einem wehmütigen Lächeln. »Ich habe mich
schon ganz zum Schwätzer ausgebildet und lasse sie
nicht zu Worte kommen. Und ich will ihr schon
genug phantastisches Zeug erzählen, soviel Sie nur
begehren... Aber wie lange wird sie noch leben kön-
nen?«
»Ich bin sehr pressiert«, antwortete der Arzt und
entwischte.
Die schwarze Debora, feinöhrig wie sie ist, hatte
schon am Tritte den Ankommenden erkannt und öff-
nete ihm leise die Türe. Auf seinen Wink verließ sie
ebenso leise das Gemach, und Maximilian befand
sich allein bei seiner Freundin. Nur dämmernd war
das Zimmer von einer einzigen Lampe erhellt. Diese
warf dann und wann halb furchtsame, halb neugierige
Lichter über das Antlitz der kranken Frau, welche,
ganz angekleidet, in weißem Musselin, auf einem
grünseidnen Sofa hingestreckt lag und ruhig schlief.
Schweigend, mit verschränkten Armen, stand Ma-
ximilian einige Zeit vor der Schlafenden und betrach-
tete die schönen Glieder, die das leichte Gewand mehr
offenbarte als verhüllte, und jedesmal, wenn die
Lampe einen Lichtstreif über das blasse Antlitz warf,
erbebte sein Herz. »Um Gott!« sprach er leise vor
sich hin, »was ist das? Welche Erinnerung wird in
mir wach? Ja, jetzt weiß ich's. Dieses weiße Bild auf
dem grünen Grunde, ja, jetzt...«
In diesem Augenblick erwachte die Kranke, und
wie aus der Tiefe eines Traumes hervorschauend,
blickten auf den Freund die sanften, dunkelblauen
Augen, fragend, bittend... »An was dachten Sie eben,
Maximilian?« sprach sie mit jener schauerlich wei-
chen Stimme, wie sie bei Lungenkranken gefunden
wird und worin wir zugleich das Lallen eines Kindes,
das Zwitschern eines Vogels und das Geröchel eines
Sterbenden zu vernehmen glauben. »An was dachten
Sie eben, Maximilian?« wiederholte sie nochmals und
erhob sich so hastig in die Höhe, daß die langen
Locken, wie aufgeschreckte Goldschlangen, ihr Haupt
umringelten.
»Um Gott!« rief Maximilian, indem er sie sanft
wieder aufs Sofa niederdrückte, »bleiben Sie ruhig
liegen, sprechen Sie nicht; ich will Ihnen alles sagen,
alles, was ich denke, was ich empfinde, ja was ich
nicht einmal selber weiß!
In der Tat«, fuhr er fort, »ich weiß nicht genau, was
ich eben dachte und fühlte. Bilder aus der Kindheit
zogen mir dämmernd durch den Sinn, ich dachte an
das Schloß meiner Mutter, an den wüsten Garten dort,
an die schöne Marmorstatue, die im grünen Grase
lag... Ich habe, das Schloß meiner Mutter' gesagt,
aber ich bitte Sie, beileibe, denken Sie sich darunter
nichts Prächtiges und Herrliches! An diese Benen-
nung habe ich mich nun einmal gewöhnt; mein Vater
legte immer einen ganz besonderen Ausdruck auf die
Worte ›das Schloß!‹, und er lächelte dabei immer so
eigentümlich. Die Bedeutung dieses Lächelns begriff
ich erst später, als ich, ein etwa zwölfjähriges Büb-
chen, mit meiner Mutter nach dem Schlosse reiste. Es
war meine erste Reise. Wir fuhren den ganzen Tag
durch einen dicken Wald, dessen dunkle Schauer mir
immer unvergeßlich bleiben, und erst gegen Abend
hielten wir still vor einer langen Querstange, die uns
von einer großen Wiese trennte. Wir mußten fast eine
halbe Stunde warten, ehe, aus der nah gelegenen
Lehmhütte, der Junge kam, der die Sperre wegschob
und uns einließ. Ich sage ›der Junge‹, weil die alte
Marthe ihren vierzigjährigen Neffen noch immer ›den
Jungen‹ nannte; dieser hatte, um die gnädige Herr-
schaft würdig zu empfangen, das alte Livreekleid sei-
nes verstorbenen Oheims angezogen, und da er es
vorher ein bißchen ausstäuben mußte, ließ er uns so
lange warten. Hätte man ihm Zeit gelassen, würde er
auch Strümpfe angezogen haben; die langen, nackten,
roten Beine stachen aber nicht sehr ab von dem grel-
len Scharlachrock. Ob er darunter eine Hose trug,
weiß ich nicht mehr. Unser Bedienter, der Johann, der
ebenfalls die Benennung ›Schloß‹ oft vernommen,
machte ein sehr verwundertes Gesicht, als der Junge
uns zu dem kleinen gebrochenen Gebäude führte, wo
der selige Herr gewohnt. Er ward aber schier bestürzt,
als meine Mutter ihm befahl, die Betten hineinzubrin-
gen. Wie konnte er ahnden, daß auf dem ›Schlosse‹
keine Betten befindlich!, und die Order meiner Mut-
ter, daß er Bettung für uns mitnehmen solle, hatte er
entweder ganz überhört oder als überflüssige Mühe
unbeachtet gelassen.
Das kleine Haus, das, nur eine Etage hoch, in sei-
nen besten Zeiten höchstens fünf bewohnbare Zimmer
enthalten, war ein kummervolles Bild der Vergäng-
lichkeit. Zerschlagene Möbel, zerfetzte Tapeten, keine
einzige Fensterscheibe ganz verschont, hie und da der
Fußboden aufgerissen, überall die häßlichen Spuren
der übermütigsten Soldatenwirtschaft. ›Die Einquar-
tierung hat sich immer bei uns sehr amüsiert‹, sagte
der Junge mit einem blödsinnigen Lächeln. Die Mut-
ter aber winkte, daß wir sie allein lassen möchten,
und während der Junge mit Johann sich beschäftigte,
ging ich den Garten besehen. Dieser bot ebenfalls den
trostlosesten Anblick der Zerstörnis. Die großen
Bäume waren zum Teil verstümmelt, zum Teil nieder-
gebrochen, und höhnische Wucherpflanzen erhoben
sich über die gefallenen Stämme. Hie und da, an den
aufgeschossenen Taxusbüschen, konnte man die ehe-
maligen Wege erkennen. Hie und da standen auch
Statuen, denen meistens die Köpfe, wenigstens die
Nasen, fehlten. Ich erinnere mich einer Diana, deren
untere Hälfte von dunklem Efeu aufs lächerlichste
umwachsen war, so wie ich mich auch einer Göttin
des Überflusses erinnere, aus deren Füllhorn lauter
mißduftendes Unkraut hervorblühte. Nur eine Statue
war, Gott weiß wie, von der Bosheit der Menschen
und der Zeit verschont geblieben; von ihrem Posta-
mente freilich hatte man sie herabgestürzt ins hohe
Gras, aber da lag sie unverstümmelt, die marmorne
Göttin, mit den rein-schönen Gesichtszügen und mit
dem straffgeteilten, edlen Busen, der, wie eine grie-
chische Offenbarung, aus dem hohen Grase her-
vorglänzte. Ich erschrak fast, als ich sie sah; dieses
Bild flößte mir eine sonderbar schwüle Scheu ein, und
eine geheime Blödigkeit ließ mich nicht lange bei sei-
nem holden Anblick verweilen.
Als ich wieder zu meiner Mutter kam, stand sie am
Fenster, verloren in Gedanken, das Haupt gestützt auf
ihrem rechten Arm, und die Tränen flossen ihr unauf-
hörlich über die Wangen. So hatte ich sie noch nie
weinen sehen. Sie umarmte mich mit hastiger Zärt-
lichkeit und bat mich um Verzeihung, daß ich durch
Johanns Nachlässigkeit kein ordentliches Bett bekom-
men werde. ›Die alte Marthe‹, sagte sie, ›ist schwer
krank und kann dir, liebes Kind, ihr Bett nicht abtre-
ten. Johann soll dir aber die Kissen aus dem Wagen
so zurechtlegen, daß du darauf schlafen kannst, und er
mag dir auch seinen Mantel zur Decke geben. Ich sel-
ber schlafe hier auf Stroh; es ist das Schlafzimmer
meines seligen Vaters; es sah sonst hier viel besser
aus. Laß mich allein!‹ Und die Tränen schossen ihr
noch heftiger aus den Augen.
War es nun das ungewohnte Lager oder das aufge-
regte Herz, es ließ mich nicht schlafen. Der Mond-
schein drang so unmittelbar durch die gebrochenen
Fensterscheiben, und es war mir, als wolle er mich
hinauslocken in die helle Sommernacht. Ich mochte
mich rechts oder links wenden auf meinem Lager, ich
mochte die Augen schließen oder wieder ungeduldig
öffnen, immer mußte ich an die schöne Marmorstatue
denken, die ich im Grase liegen sehen. Ich konnte mir
die Blödigkeit nicht erklären, die mich bei ihrem An-
blick erfaßt hatte, ich ward verdrießlich ob dieses kin-
dischen Gefühls, und ›morgen‹, sagte ich leise zu mir
selber, ›morgen küssen wir dich, du schönes Marmor-
gesicht, wir küssen dich eben auf die schönen Mund-
winkel, wo die Lippen in ein so holdseliges Grübchen
zusammenschmelzen!‹ Eine Ungeduld, wie ich sie
noch nie gefühlt, rieselte dabei durch alle meine Glie-
der, ich konnte dem wunderbaren Drange nicht länger
gebieten, und endlich sprang ich auf mit keckem Mute
und sprach: ›Was gilt's, und ich küsse dich noch
heute, du liebes Bildnis!‹ Leise, damit die Mutter
meine Tritte nicht höre, verließ ich das Haus, was um
so leichter, da das Portal zwar noch mit einem großen
Wappenschild, aber mit keinen Türen mehr versehen
war; und hastig arbeitete ich mich durch das Laub-
werk des wüsten Gartens. Auch kein Laut regte sich,
und alles ruhte, stumm und ernst, im stillen Mond-
schein. Die Schatten der Bäume waren wie angenagelt
auf der Erde. Im grünen Grase lag die schöne Göttin
ebenfalls regungslos, aber kein steinerner Tod, son-
dern nur ein stiller Schlaf schien ihre lieblichen Glie-
der gefesselt zu halten, und als ich ihr nahete, fürchte-
te ich schier, daß ich sie durch das geringste Geräusch
aus ihrem Schlummer erwecken könnte. Ich hielt den
Atem zurück, als ich mich über sie hinbeugte, um die
schönen Gesichtszüge zu betrachten; eine schauerli-
che Beängstigung stieß mich von ihr ab, eine knaben-
hafte Lüsternheit zog mich wieder zu ihr hin, mein
Herz pochte, als wollte ich eine Mordtat begehen, und
endlich küßte ich die schöne Göttin mit einer In-
brunst, mit einer Zärtlichkeit, mit einer Verzweiflung,
wie ich nie mehr geküßt habe in diesem Leben. Auch
nie habe ich diese grauenhaft süße Empfindung ver-
gessen können, die meine Seele durchflutete, als die
beseligende Kälte jener Marmorlippen meinen Mund
berührte... Und sehen Sie, Maria, als ich eben vor
Ihnen stand und ich Sie, in Ihrem weißen Musselin-
kleide, auf dem grünen Sofa liegen sah, da mahnte
mich Ihr Anblick an das weiße Marmorbild im grünen
Grase. Hätten Sie länger geschlafen, meine Lippen
würden nicht widerstanden haben...«
»Max! Max!« schrie das Weib aus der Tiefe ihrer
Seele - »Entsetzlich! Sie wissen, daß ein Kuß von
Ihrem Munde...«
»Oh, schweigen Sie nur, ich weiß, das wäre für Sie
etwas Entsetzliches! Sehen Sie mich nur nicht so fle-
hend an. Ich mißdeute nicht Ihre Empfindungen, ob-
gleich die letzten Gründe derselben mir verborgen
bleiben. Ich habe nie meinen Mund auf Ihre Lippen
drücken dürfen...«
Aber Maria ließ ihn nicht ausreden, sie hatte seine
Hand erfaßt, bedeckte diese Hand mit den heftigsten
Küssen und sagte dann lächelnd: »Bitte, bitte, erzäh-
len Sie mir noch mehr von Ihren Liebschaften. Wie
lange liebten Sie die marmorne Schöne, die Sie im
Schloßgarten Ihrer Mutter geküßt?«
»Wir reisten den andern Tag ab«, antwortete Maxi-
milian, »und ich habe das holde Bildnis nie wiederge-
sehen. Aber fast vier Jahre beschäftigte es mein Herz.
Eine wunderbare Leidenschaft für marmorne Statuen
hat sich seitdem in meiner Seele entwickelt, und noch,
diesen Morgen empfand ich ihre hinreißende Gewalt.
Ich kam aus der Laurenziana, der Bibliothek der Me-
diceer, und geriet, ich weiß nicht mehr wie, in die Ka-
pelle, wo jenes prachtvollste Geschlecht Italiens sich
eine Schlafstelle von Edelsteinen gebaut hat und ruhig
schlummert. Eine ganze Stunde blieb ich dort versun-
ken in dem Anblick eines marmornen Frauenbilds,
dessen gewaltiger Leibesbau von der kühnen Kraft
des Michelangelo zeugt, während doch die ganze Ge-
stalt von einer ätherischen Süßigkeit umflossen ist,
die man bei jenem Meister eben nicht zu suchen
pflegt. In diesen Marmor ist das ganze Traumreich
gebannt, mit allen seinen stillen Seligkeiten, eine zärt-
liche Ruhe wohnt in diesen schönen Gliedern, ein be-
sänftigendes Mondlicht scheint durch ihre Adern zu
rinnen... es ist die ›Nacht‹ des Michelangelo Buonar-
roti. Oh, wie gerne möchte ich schlafen des ewigen
Schlafes in den Armen dieser Nacht...
Gemalte Frauenbilder«, fuhr Maximilian fort nach
einer Pause, »haben mich immer minder heftig inter-
essiert als Statuen. Nur einmal war ich in ein Gemäl-
de verliebt. Es war eine wunderschöne Madonna, die
ich in einer Kirche zu Köln am Rhein kennenlernte.
Ich wurde damals ein sehr eifriger Kirchengänger, und
mein Gemüt versenkte sich in die Mystik des Katholi-
zismus. Ich hätte damals gern, wie ein spanischer Rit-
ter, alle Tage auf Leben und Tod gekämpft für die in-
makulierte Empfängnis Mariä, der Königin der Engel,
der schönsten Dame des Himmels und der Erde! Für
die ganze Heilige Familie interessierte ich mich da-
mals, und ganz besonders freundlich zog ich jedesmal
den Hut ab, wenn ich einem Bilde des heiligen Jo-
sephs vorbeikam. Dieser Zustand dauerte jedoch nicht
lange, und fast ohne Umstände verließ ich die Mutter-
gottes, als ich in einer Antikengalerie mit einer grie-
chischen Nymphe bekannt wurde, die mich lange Zeit
in ihren Marmorfesseln gefangenhielt.«
»Und Sie liebten immer nur gemeißelte oder gemal-
te Frauen?« kicherte Maria.
»Nein, ich habe auch tote Frauen geliebt«, antwor-
tete Maximilian, über dessen Gesicht sich wieder ein
großer Ernst verbreitete. Er bemerkte nicht, daß bei
diesen Worten Maria erschreckend zusammenfuhr,
und ruhig sprach er weiter:
»Ja, es ist höchst sonderbar, daß ich mich einst in
ein Mädchen verliebte, nachdem sie schon seit sieben
Jahren verstorben war. Als ich die kleine Very ken-
nenlernte, gefiel sie mir ganz außerordentlich gut.
Drei Tage lang beschäftigte ich mich mit dieser jun-
gen Person und fand das höchste Ergötzen an allem,
was sie tat und sprach, an allen Äußerungen ihres rei-
zend wunderlichen Wesens, jedoch ohne daß mein
Gemüt dabei in überzärtliche Bewegung geriet. Auch
wurde ich einige Monate drauf nicht allzu tief ergrif-
fen, als ich die Nachricht empfing, daß sie, infolge
eines Nervenfiebers, plötzlich gestorben sei. Ich ver-
gaß sie ganz gründlich, und ich bin überzeugt, daß
ich jahrelang auch nicht ein einziges Mal an sie ge-
dacht habe. Ganze sieben Jahre waren seitdem verstri-
chen, und ich befand mich in Potsdam, um in unge-
störter Einsamkeit den schönen Sommer zu genießen.
Ich kam dort mit keinem einzigen Menschen in Be-
rührung, und mein ganzer Umgang beschränkte sich
auf die Statuen, die sich im Garten von Sanssouci be-
finden. Da geschah es eines Tages, daß mir Gesichts-
züge und eine seltsam liebenswürdige Art des Spre-
chens und Bewegens ins Gedächtnis trat, ohne daß ich
mich dessen entsinnen konnte, welcher Person der-
gleichen angehörten. Nichts ist quälender als solches
Herumstöbern in alten Erinnerungen, und ich war des-
halb wie freudig überrascht, als ich nach einigen
Tagen mich auf einmal der kleinen Very erinnerte und
jetzt merkte, daß es ihr liebes, vergessenes Bild war,
was mir so beunruhigend vorgeschwebt hatte. Ja, ich
freute mich dieser Entdeckung wie einer, der seinen
intimsten Freund ganz unerwartet wiedergefunden; die
verblichenen Farben belebten sich allmählich, und
endlich stand die süße kleine Person wieder leibhaftig
vor mir, lächelnd, schmollend, witzig und schöner
noch als jemals. Von nun an wollte mich dieses holde
Bild nimmermehr verlassen, es füllte meine ganze
Seele; wo ich ging und stand, stand und ging es an
meiner Seite, sprach mit mir, lachte mit mir, jedoch
harmlos und ohne große Zärtlichkeit. Ich aber wurde
täglich mehr und mehr bezaubert von diesem Bilde,
das täglich mehr und mehr Realität für mich gewann.
Es ist leicht, Geister zu beschwören, doch ist es
schwer, sie wieder zurückzuschicken in ihr dunkles
Nichts; sie sehen uns dann so flehend an, unser eige-
nes Herz leiht ihnen so mächtige Fürbitte... Ich konn-
te mich nicht mehr losreißen, und ich verliebte mich
in die kleine Very, nachdem sie schon seit sieben Jah-
ren verstorben. So lebte ich sechs Monate in Potsdam,
ganz versunken in dieser Liebe. Ich hütete mich noch
sorgfältiger als vorher vor jeder Berührung mit der
Außenwelt, und wenn irgend jemand auf der Straße
etwas nahe an mir vorbeistreifte, empfand ich die
mißbehaglichste Beklemmung. Ich hegte vor allen
Begegnissen eine tiefe Scheu, wie solche vielleicht die
nachtwandelnden Geister der Toten empfinden; denn
diese, wie man sagt, wenn sie einem lebenden Men-
schen begegnen, erschrecken sie ebensosehr, wie der
Lebende erschrickt, wenn er einem Gespenste begeg-
net. Zufällig kam damals ein Reisender durch Pots-
dam, dem ich nicht ausweichen konnte, nämlich mein
Bruder. Bei seinem Anblick und bei seinen Erzählun-
gen von den letzten Vorfällen der Tagesgeschichte er-
wachte ich wie aus einem tiefen Traume, und zusam-
menschreckend fühlte ich plötzlich, in welcher grau-
enhaften Einsamkeit ich so lange für mich hingelebt.
Ich hatte in diesem Zustande nicht einmal den Wech-
sel der Jahrzeiten gemerkt, und mit Verwunderung be-
trachtete ich jetzt die Bäume, die, längst entblättert,
mit herbstlichem Reife bedeckt standen. Ich verließ
alsbald Potsdam und die kleine Very, und in einer an-
deren Stadt, wo mich wichtige Geschäfte erwarteten,
wurde ich, durch sehr eckige Verhältnisse und Bezie-
hungen, sehr bald wieder in die rohe Wirklichkeit hin-
eingequält.
Lieber Himmel!« fuhr Maximilian fort, indem ein
schmerzliches Lächeln um seine Oberlippe zuckte,
»lieber Himmel! die lebendigen Weiber, mit denen
ich damals in unabweisliche Berührungen kam, wie
haben sie mich gequält, zärtlich gequält, mit ihrem
Schmollen, Eifersüchteln und beständigem In-Atem-
Halten! Auf wie vielen Bällen mußte ich mit ihnen
herumtraben, in wie viele Klatschereien mußte ich
mich mischen! Welche rastlose Eitelkeit, welche
Freude an der Lüge, welche küssende Verräterei, wel-
che giftige Blumen! Jene Damen wußten mir alle Lust
und Liebe zu verleiden, und ich wurde auf einige Zeit
ein Weiberfeind, der das ganze Geschlecht verdamm-
te. Es erging mir fast wie dem französischen Offizie-
re, der im russischen Feldzuge sich nur mit Mühe aus
den Eisgruben der Beresina gerettet hatte, aber seit-
dem gegen alles Gefrorene eine solche Antipathie be-
kommen, daß er jetzt sogar die süßesten und ange-
nehmsten Eissorten von Tortoni mit Abscheu von sich
wies. Ja, die Erinnerung an die Beresina der Liebe,
die ich damals passierte, verleidete mir einige Zeit
sogar die köstlichsten Damen, Frauen wie Engel,
Mädchen wie Vanillensorbett.«
»Ich bitte Sie«, rief Maria, »schmähen Sie nicht die
Weiber. Das sind abgedroschene Redensarten der
Männer. Am Ende, um glücklich zu sein, bedürft ihr
dennoch der Weiber.«
»Oh«, seufzte Maximilian, »das ist freilich wahr.
Aber die Weiber haben leider nur eine einzige Art,
wie sie uns glücklich machen können, während sie
uns auf dreißigtausend Arten unglücklich zu machen
wissen.«
»Teurer Freund«, erwiderte Maria, indem sie ein
leises Lächeln verbiß, »ich spreche von dem
Einklange zweier gleichgestimmten Seelen. Haben
Sie dieses Glück nie empfunden? ... Aber ich sehe
eine ungewöhnte Röte über Ihre Wangen ziehen...
Sprechen Sie... Max?«
»Es ist wahr, Maria, ich fühle mich fast knabenhaft
befangen, da ich Ihnen die glückliche Liebe gestehen
soll, die mich einst unendlich beseligt hat! Diese Er-
innerung ist mir noch nicht verloren, und in ihren
kühlen Schatten flüchtet sich noch oft meine Seele,
wenn der brennende Staub und die Tageshitze des Le-
bens unerträglich wird. Ich bin aber nicht imstande,
Ihnen von dieser Geliebten einen richtigen Begriff zu
geben. Sie war so ätherischer Natur, daß sie sich mir
nur im Traume offenbaren konnte. Ich denke, Maria,
sie hegen kein banales Vorurteil gegen Träume; diese
nächtlichen Erscheinungen haben wahrlich ebensoviel
Realität wie jene roheren Gebilde des Tages, die wir
mit Händen antasten können und woran wir uns nicht
selten beschmutzen. Ja, es war im Traume, wo ich sie
sah, jenes holde Wesen, das mich am meisten auf die-
ser Welt beglückt hat. Über ihre Äußerlichkeit weiß
ich wenig zu sagen. Ich bin nicht imstande, die Form
ihrer Gesichtszüge ganz genau anzugeben. Es war ein
Gesicht, das ich nie vorher gesehen und das ich nach-
her nie wieder im Leben erblickte. Soviel erinnere ich
mich, es war nicht weiß und rosig, sondern ganz ein-
farbig, ein sanft angerötetes Blaßgelb und
durchsichtig wie Kristall. Die Reize dieses Gesichtes
bestanden weder im strengen Schönheitsmaß noch in
der interessanten Beweglichkeit; sein Charakter be-
stand vielmehr in einer bezaubernden, entzückenden,
fast erschreckenden Wahrhaftigkeit. Es war ein Ge-
sicht voll bewußter Liebe und graziöser Güte, es war
mehr eine Seele als ein Gesicht, und deshalb habe ich
die äußere Form mir nie ganz vergegenwärtigen kön-
nen. Die Augen waren sanft wie Blumen. Die Lippen
etwas bleich, aber anmutig gewölbt. Sie trug ein seid-
nes Peignoir von kornblauer Farbe; aber hierin be-
stand auch ihre ganze Bekleidung; Hals und Füße
waren nackt, und durch das weiche, dünne Gewand
lauschte manchmal, wie verstohlen, die schlanke Zart-
heit der Glieder. Die Worte, die wir miteinander ge-
sprochen, kann ich mir ebenfalls nicht mehr verdeutli-
chen; soviel weiß ich, daß wir uns verlobten und daß
wir heiter und glücklich, offenherzig und traulich, wie
Bräut'gam und Braut, ja fast wie Bruder und Schwe-
ster, miteinander kosten. Manchmal aber sprachen wir
gar nicht mehr und sahen uns einander an, Aug in
Auge, und in diesem beseligenden Anschauen ver-
harrten wir ganze Ewigkeiten... Wodurch ich erwacht
bin, kann ich ebenfalls nicht sagen, aber ich schwelg-
te noch lange Zeit in dem Nachgewühle dieses Lie-
besglücks. Ich war lange wie getränkt von unerhörten
Wonnen, die schmachtende Tiefe meines Herzens war
wie gefüllt mit Seligkeit, eine mir unbekannte Freude
schien über alle meine Empfindungen ausgegossen,
und ich blieb froh und heiter, obgleich ich die Gelieb-
te in meinen Träumen niemals wiedersah. Aber hatte
ich nicht in ihrem Anblick ganze Ewigkeiten genos-
sen? Auch kannte sie mich zu gut, um nicht zu wis-
sen, daß ich keine Wiederholungen liebe.«
»Wahrhaftig«, rief Maria, »Sie sind ein homme a
bonne fortune... Aber sagen Sie mir, war Mademoi-
selle Laurence eine Marmorstatue oder ein Gemälde?
eine Tote oder ein Traum?«
»Vielleicht alles dieses zusammen«, antwortete
Maximilian sehr ernsthaft.
»Ich konnte mir's vorstellen, teurer Freund, daß
diese Geliebte von sehr zweifelhaftem Fleische sein
mußte. Und wann werden Sie mir diese Geschichte
erzählen?«
»Morgen. Sie ist lang, und ich bin heute müde. Ich
komme aus der Oper und habe zuviel Musik in den
Ohren.«
»Sie gehen jetzt oft in die Oper, und ich glaube,
Max, Sie gehen dorthin, mehr um zu sehen als um zu
hören.«
»Sie irren sich nicht, Maria, ich gehe wirklich in
die Oper, um die Gesichter der schönen Italienerinnen
zu betrachten. Freilich, sie sind schon außerhalb dem
Theater schön genug, und ein Geschichtsforscher
konnte an der Idealität ihrer Züge sehr leicht den Ein-
fluß der bildenden Künste auf die Leiblichkeit des ita-
lienischen Volkes nachweisen. Die Natur hat hier den
Künstlern das Kapital zurückgenommen, das sie
ihnen einst geliehen, und siehe! es hat sich aufs ent-
zückendste verzinst. Die Natur, welche einst den
Künstlern ihre Modelle lieferte, sie kopiert heute ih-
rerseits die Meisterwerke, die dadurch entstanden. Der
Sinn für das Schöne hat das ganze Volk durchdrun-
gen, und wie einst das Fleisch auf den Geist, so wirkt
jetzt der Geist auf das Fleisch. Und nicht fruchtlos ist
die Andacht vor jenen schönen Madonnen, den liebli-
chen Altarbildern, die sich dem Gemüte des Bräuti-
gams einprägen, während die Braut einen schönen
Heiligen im brünstigen Sinne trägt. Durch solche
Wahlverwandtschaft ist hier ein Menschengeschlecht
entstanden, das noch schöner ist als der holde Boden,
worauf es blüht, und der sonnige Himmel, der es, wie
ein goldner Rahmen, umstrahlt. Die Männer interes-
sieren mich nie viel, wenn sie nicht entweder gemalt
oder gemeißelt sind, und Ihnen, Maria, überlasse ich
allen möglichen Enthusiasmus in betreff jener schö-
nen, geschmeidigen Italiener, die so wildschwarze
Backenbärte und so kühnedle Nasen und so sanftklu-
ge Augen haben. Man sagt, die Lombarden seien die
schönsten Männer. Ich habe nie darüber Untersuchun-
gen angestellt, nur über die Lombardinnen habe ich
ernsthaft nachgedacht, und diese, das habe ich wohl
gemerkt, sind wirklich so schön, wie der Ruhm mel-
det. Aber auch schon im Mittelalter müssen sie ziem-
lich schön gewesen sein. Sagt man doch von Franz I.,
daß das Gerücht von der Schönheit der Mailänderin-
nen ein heimlicher Antrieb gewesen, der ihn zu sei-
nem italienischen Feldzuge bewogen habe; der ritterli-
che König war gewiß neugierig, ob seine geistlichen
Mühmchen, die Sippschaft seines Taufpaten, so
hübsch seien, wie er rühmen hörte... Armer Schelm!
zu Pavia mußte er für diese Neugier sehr teuer büßen!
Aber wie schön sind sie erst, diese Italienerinnen,
wenn die Musik ihre Gesichter beleuchtet. Ich sage
beleuchtet, denn die Wirkung der Musik, die ich in
der Oper auf den Gesichtern der schönen Frauen be-
merke, gleicht ganz jenen Licht- und Schatteneffekten,
die uns in Erstaunen setzen, wenn wir Statuen in der
Nacht bei Fackelschein betrachten. Diese Marmorbil-
der offenbaren uns dann, mit erschreckender Wahr-
heit, ihren innewohnenden Geist und ihre schauerli-
chen stummen Geheimnisse. In derselben Weise gibt
sich uns auch das ganze Leben der schönen Italiene-
rinnen kund, wenn wir sie in der Oper sehen; die
wechselnden Melodien wecken alsdann in ihrer Seele
eine Reihe von Gefühlen, Erinnerungen, Wünschen
und Ärgernissen, die sich alle augenblicklich in den
Bewegungen ihrer Züge, in ihrem Erröten, in ihrem
Erbleichen und gar in ihren Augen aussprechen. Wer
zu lesen versteht, kann alsdann auf ihren schönen Ge-
sichtern sehr viel süße und intressante Dinge lesen,
Geschichten, die so merkwürdig wie die Novellen des
Boccaccio, Gefühle, die so zart wie die Sonette des
Petrarcha, Launen, die so abenteuerlich wie die Otta-
verime des Ariosto, manchmal auch furchtbare Verrä-
terei und erhabene Bosheit, die so poetisch wie die
Hölle des großen Dante. Da ist es der Mühe wert,
hinaufzuschauen nach den Logen. Wenn nur die Män-
ner unterdessen ihre Begeisterung nicht mit so fürch-
terlichem Lärm aussprächen! Dieses allzu tolle Ge-
räusch in einem italienischen Theater wird mir
manchmal lästig. Aber die Musik ist die Seele dieser
Menschen, ihr Leben, ihre Nationalsache. In anderen
Ländern gibt es gewiß Musiker, die den größten ita-
lienischen Renommeen gleichstehen, aber es gibt dort
kein musikalisches Volk. Die Musik wird hier in Ita-
lien nicht durch Individuen repräsentiert, sondern sie
offenbart sich in der ganzen Bevölkerung, die Musik
ist Volk geworden. Bei uns im Norden ist es ganz an-
ders; da ist die Musik nur Mensch geworden und
heißt Mozart oder Meyerbeer; und obendrein, wenn
man das Beste, was solche nordische Musiker uns
bieten, genau untersucht, so findet sich darin italieni-
scher Sonnenschein und Orangenduft, und viel eher
als unserem Deutschland gehören sie dem schönen
Italien, der Heimat der Musik. Ja, Italien wird immer
die Heimat der Musik sein, wenn auch seine großen
Maestri frühe ins Grab steigen oder verstummen,
wenn auch Bellini stirbt und Rossini schweigt.«
»Wahrlich«, bemerkte Maria, »Rossini behauptet
ein sehr strenges Stillschweigen. Wenn ich nicht irre,
schweigt er schon seit zehn Jahren.«
»Das ist vielleicht ein Witz von ihm«, antwortete
Maximilian. »Er hat zeigen wollen, daß der Name
›Schwan von Pesaro‹, den man ihm erteilt, ganz un-
passend sei. Die Schwäne singen am Ende ihres Le-
bens, Rossini aber hat in der Mitte des Lebens zu sin-
gen aufgehört. Und ich glaube, er hat wohl daran
getan und eben dadurch gezeigt, daß er ein Genie ist.
Ein Künstler, welcher nur Talent hat, behält bis an
sein Lebensende den Trieb, dieses Talent auszuüben,
der Ehrgeiz stachelt ihn, er fühlt, daß er sich bestän-
dig vervollkommnet, und es drängt ihn, das Höchste
zu erstreben. Der Genius aber hat das Höchste bereits
geleistet, er ist zufrieden, er verachtet die Welt und
den kleinen Ehrgeiz und geht nach Hause, nach Strat-
ford am Avon, wie William Shakespeare, oder prome-
niert sich lachend und witzelnd auf dem Boulevard
des Italiens zu Paris, wie Joachim Rossini. Hat der
Genius keine ganz schlechte Leibeskonstitution, so
lebt er in solcher Weise noch eine gute Weile fort,
nachdem er seine Meisterwerke geliefert oder, wie
man sich auszudrücken pflegt, nachdem er seine Mis-
sion erfüllt hat. Es ist ein Vorurteil, wenn man meint,
das Genie müsse früh sterben; ich glaube, man hat
das dreißigste bis zum vierunddreißigsten Jahr als die
gefährliche Zeit für die Genies bezeichnet. Wie oft
habe ich den armen Bellini damit geneckt und ihm aus
Scherz prophezeit, daß er in seiner Eigenschaft als
Genie bald sterben müsse, indem er das gefährliche
Alter erreiche. Sonderbar! Trotz des scherzenden
Tones ängstigte er sich doch ob dieser Prophezeiung,
er nannte mich seinen Jettatore und machte immer das
Jettatorezeichen... Er wollte so gern leben bleiben, er
hatte eine fast leidenschaftliche Abneigung gegen den
Tod, er wollte nichts vom Sterben hören, er fürchtete
sich davor wie ein Kind, das sich fürchtet, im Dun-
keln zu schlafen... Es war ein gutes, liebes Kind,
manchmal etwas unartig, aber dann brauchte man ihm
nur mit seinem baldigen Tode zu drohen, und er ward
dann gleich kleinlaut und bittend und machte mit den
zwei erhobenen Fingern das Jettatorezeichen... Armer
Bellini!«
»Sie haben ihn also persönlich gekannt? War er
hübsch?«
»Er war nicht häßlich. Sie sehen, auch wir Männer
können nicht bejahend antworten, wenn man uns über
jemand von unserem Geschlechte eine solche Frage
vorlegt. Es war eine hoch aufgeschossene, schlanke
Gestalt, die sich zierlich, ich möchte sagen kokett be-
wegte; immer a quatre epingles; ein regelmäßiges Ge-
sicht, länglich, blaßrosig; hellblondes, fast goldiges
Haar, in dünnen Löckchen frisiert; hohe, sehr hohe,
edle Stirne; grade Nase; bleiche, blaue Augen; schön-
gemessener Mund; rundes Kinn. Seine Züge hatten
etwas Vages, Charakterloses, etwas wie Milch, und in
diesem Milchgesichte quirlte manchmal süßsäuerlich
ein Ausdruck von Schmerz. Dieser Ausdruck von
Schmerz ersetzte in Bellinis Gesichte den mangelnden
Geist; aber es war ein Schmerz ohne Tiefe; er flim-
merte poesielos in den Augen, er zuckte leidenschafts-
los um die Lippen des Mannes. Diesen flachen, mat-
ten Schmerz schien der junge Maestro in seiner gan-
zen Gestalt veranschaulichen zu wollen. So schwär-
merisch wehmütig waren seine Haare frisiert, die
Kleider saßen ihm so schmachtend an dem zarten
Leibe, er trug sein spanisches Röhrchen so idyllisch,
daß er mich immer an die jungen Schäfer erinnerte,
die wir in unseren Schäferspielen mit bebänderten
Stäben und hellfarbigen Jäckchen und Höschen min-
audieren sehen. Und sein Gang war so jungfräulich,
so elegisch, so ätherisch. Der ganze Mensch sah aus
wie ein Seufzer en escarpins. Er hat bei den Frauen
vielen Beifall gefunden, aber ich zweifle, ob er ir-
gendwo eine starke Leidenschaft geweckt hat. Für
mich selber hatte seine Erscheinung immer etwas
spaßhaft Ungenießbares, dessen Grund wohl zunächst
in seinem Französischsprechen zu finden war. Ob-
gleich Bellini schon mehre Jahre in Frankreich gelebt,
sprach er doch das Französische so schlecht, wie es
vielleicht kaum in England gesprochen werden kann.
Ich sollte dieses Sprechen nicht mit dem Beiwort
›schlecht‹ bezeichnen; schlecht ist hier viel zu gut.
Man muß entsetzlich sagen, blutschänderisch, weltun-
tergangsmäßig. Ja, wenn man mit ihm in Gesellschaft
war und er die armen französischen Worte wie ein
Henker radebrach und unerschütterlich seine kolossa-
len coq-à-l'âne auskramte, so meinte man manchmal,
die Welt müsse mit einem Donnergekrache unterge-
hen... Eine Leichenstille herrschte dann im ganzen
Saale; Todesschreck malte sich auf allen Gesichtern,
mit Kreidefarbe oder mit Zinnober; die Frauen wu-
ßten nicht, ob sie in Ohnmacht fallen oder entfliehen
sollten; die Männer sahen bestürzt nach ihren Bein-
kleidern, um sich zu überzeugen, daß sie wirklich der-
gleichen trugen; und was das Furchtbarste war, dieser
Schreck erregte zu gleicher Zeit eine konvulsive Lach-
lust, die sich kaum verbeißen ließ. Wenn man daher
mit Bellini in Gesellschaft war, mußte seine Nähe
immer eine gewisse Angst einflößen, die, durch einen
grauenhaften Reiz, zugleich abstoßend und anziehend
war. Manchmal waren seine unwillkürlichen Calem-
bours bloß belustigender Art, und in ihrer
possierlichen Abgeschmacktheit erinnerten sie an das
Schloß seines Landsmannes, des Prinzen Pallagonien,
welches Goethe in seiner ›Italienischen Reise‹ als ein
Museum von barocken Verzerrtheiten und ungereimt
zusammengekoppelten Mißgestalten schildert. Da
Bellini bei solchen Gelegenheiten immer etwas ganz
Harmloses und ganz Ernsthaftes gesagt zu haben
glaubte, so bildete sein Gesicht mit seinem Worte
eben den allertollsten Kontrast. Das, was mir an sei-
nem Gesichte mißfallen konnte, trat dann um so
schneidender hervor. Das, was mir da mißfiel, war
aber nicht von der Art, daß es just als ein Mangel be-
zeichnet werden könnte, und am wenigsten mag es
wohl den Damen ebenfalls unerfreusam gewesen sein.
Bellinis Gesicht, wie seine ganze Erscheinung, hatte
jene physische Frische, jene Fleischblüte, jene Rosen-
farbe, die auf mich einen unangenehmen Eindruck
macht, auf mich, der ich vielmehr das Totenhafte und
das Marmorne liebe. Erst späterhin, als ich Bellini
schon lange kannte, empfand ich für ihn einige Nei-
gung. Dieses entstand namentlich, als ich bemerkte,
daß sein Charakter durchaus edel und gut war. Seine
Seele ist gewiß rein und unbefleckt geblieben von
allen häßlichen Berührungen. Auch fehlte ihm nicht
die harmlose Gutmütigkeit, das Kindliche, das wir bei
genialen Menschen nie vermissen, wenn sie auch der-
gleichen nicht für jedermann zur Schau tragen.«
»Ja, ich erinnere mich«, fuhr Maximilian fort,
indem er sich auf den Sessel niederließ, an dessen
Lehne er sich bis jetzt aufrecht gestützt hatte, »ich er-
innere mich eines Augenblicks, wo mir Bellini in
einem so liebenswürdigen Lichte erschien, daß ich ihn
mit Vergnügen betrachtete und mir vornahm, ihn
näher kennenzulernen. Aber es war leider der letzte
Augenblick, wo ich ihn in diesem Leben sehen sollte.
Dieses war eines Abends, nachdem wir im Hause
einer großen Dame, die den kleinsten Fuß in Paris
hat, miteinander gespeist und sehr heiter geworden
und am Fortepiano die süßesten Melodien erklan-
gen... Ich sehe ihn noch immer, den guten Bellini, wie
er, endlich erschöpft von den vielen tollen Bellinis-
men, die er geschwatzt, sich auf einen Sessel nieder-
ließ... Dieser Sessel war sehr niedrig, fast wie ein
Bänkchen, so daß Bellini dadurch gleichsam zu den
Füßen einer schönen Dame zu sitzen kam, die sich,
ihm gegenüber, auf ein Sofa hingestreckt hatte und
mit süßer Schadenfreude auf Bellini hinabsah, wäh-
rend dieser sich abarbeitete, sie mit einigen französi-
schen Redensarten zu unterhalten, und er immer in die
Notwendigkeit geriet, das, was er eben gesagt hatte,
in seinem sizilianischen Jargon zu kommentieren, um
zu beweisen, daß es keine Sottise, sondern im Gegen-
teil die feinste Schmeichelei gewesen sei. Ich glaube,
daß die schöne Dame auf Bellinis Redensarten gar
nicht viel hinhörte; sie hatte ihm sein spanisches
Röhrchen, womit er seiner schwachen Rhetorik
manchmal zu Hülfe kommen wollte, aus den Händen
genommen und bediente sich dessen, um den zierli-
chen Lockenbau an den beiden Schläfen des jungen
Maestro ganz ruhig zu zerstören. Diesem mutwilligen
Geschäfte galt wohl jenes Lächeln, das ihrem Gesich-
te einen Ausdruck gab, wie ich ihn nie auf einem le-
benden Menschenantlitz gesehen. Nie kommt mir die-
ses Gesicht aus dem Gedächtnisse! Es war eins jener
Gesichter, die mehr dem Traumreich der Poesie als
der rohen Wirklichkeit des Lebens zu gehören schei-
nen; Konturen, die an da Vinci erinnern, jenes edle
Oval mit den naiven Wangengrübchen und dem senti-
mental spitz zulaufenden Kinn der lombardischen
Schule. Die Färbung mehr römisch sanft, matter Per-
lenglanz, vornehme Blässe, Morbidezza. Kurz, es war
ein Gesicht, wie es nur auf irgendeinem altitalieni-
schen Porträte gefunden wird, das etwa eine von jenen
großen Damen vorstellt, worin die italienischen
Künstler des sechzehnten Jahrhunderts verliebt waren,
wenn sie ihre Meisterwerke schufen, woran die Dich-
ter jener Zeit dachten, wenn sie sich unsterblich san-
gen, und wonach die deutschen und französischen
Kriegshelden Verlangen trugen, wenn sie sich das
Schwert umgürteten und tatensüchtig über die Alpen
stürzten... Ja, ja, so ein Gesicht war es, worauf ein
Lächeln der süßesten Schadenfreude und des vor-
nehmsten Mutwillens spielte, während sie, die schöne
Dame, mit der Spitze des spanischen Rohrs den blon-
den Lockenbau des guten Bellini zerstörte. In diesem
Augenblick erschien mir Bellini wie berührt von
einem Zauberstäbchen, wie umgewandelt zu einer
durchaus befreundeten Erscheinung, und er wurde
meinem Herzen auf einmal verwandt. Sein Gesicht er-
glänzte im Widerschein jenes Lächelns, es war viel-
leicht der blühendste Moment seines Lebens... Ich
werde ihn nie vergessen... Vierzehn Tage nachher las
ich in der Zeitung, daß Italien einen seiner rühmlich-
sten Söhne verloren!
Sonderbar! Zu gleicher Zeit wurde auch der Tod
Paganinis angezeigt. An diesem Todesfall zweifelte
ich keinen Augenblick, da der alte, fahle Paganini
immer wie ein Sterbender aussah; doch der Tod des
jungen, rosigen Bellini kam mir unglaublich vor. Und
doch war die Nachricht vom Tode des ersteren nur ein
Zeitungsirrtum, Paganini befindet sich frisch und ge-
sund zu Genua, und Bellini liegt im Grabe zu Paris!«
»Lieben Sie Paganini?« frug Maria.
»Dieser Mann«, antwortete Maximilian, »ist eine
Zierde seines Vaterlandes und verdient gewiß die aus-
gezeichnetste Erwähnung, wenn man von den musika-
lischen Notabilitäten Italiens sprechen will.«
»Ich habe ihn nie gesehen«, bemerkte Maria, »aber
dem Rufe nach soll sein Äußeres den Schönheitssinn
nicht vollkommen befriedigen. Ich habe Porträte von
ihm gesehen...«
»Die alle nicht ähnlich sind«, fiel ihr Maximilian in
die Rede; »sie verhäßlichen oder verschönern ihn, nie
geben sie seinen wirklichen Charakter. Ich glaube, es
ist nur einem einzigen Menschen gelungen, die wahre
Physiognomie Paganinis aufs Papier zu bringen; es ist
ein tauber Maler, namens Lyser, der, in seiner geist-
reichen Tollheit, mit wenigen Kreidestrichen den
Kopf Paganinis so gut getroffen hat, daß man ob der
Wahrheit der Zeichnung zugleich lacht und erschrickt.
›Der Teufel hat mir die Hand geführt‹, sagte mir der
taube Maler, geheimnisvoll kichernd und gutmütig
ironisch mit dem Kopfe nickend, wie er bei seinen ge-
nialen Eulenspiegeleien zu tun pflegte. Dieser Maler
war immer ein wunderlicher Kauz; trotz seiner Taub-
heit liebte er enthusiastisch die Musik, und er soll es
verstanden haben, wenn er sich nahe genug am Orche-
ster befand, den Musikern die Musik auf dem Gesich-
te zu lesen und an ihren Fingerbewegungen die mehr
oder minder gelungene Exekution zu beurteilen; auch
schrieb er die Operkritiken in einem schätzbaren Jour-
nale zu Hamburg. Was ist eigentlich da zu verwun-
dern? In der sichtbaren Signatur des Spieles konnte
der taube Maler die Töne sehen. Gibt es doch Men-
schen, denen die Töne selber nur unsichtbare
Signaturen sind, worin sie Farben und Gestalten
hören.«
»Ein solcher Mensch sind Sie!« rief Maria.
»Es ist mir leid, daß ich die kleine Zeichnung von
Lyser nicht mehr besitze; sie würde Ihnen vielleicht
von Paganinis Äußerem einen Begriff verleihen. Nur
in grell schwarzen, flüchtigen Strichen konnten jene
fabelhaften Züge erfaßt werden, die mehr dem
schweflichten Schattenreich als der sonnigen Lebens-
welt zu gehören scheinen. ›Wahrhaftig, der Teufel hat
mir die Hand geführt‹, beteuerte mir der taube Maler,
als wir zu Harnburg vor dem Alsterpavillon standen,
an dem Tage, wo Paganini dort sein erstes Konzert
gab. ›Ja, mein Freund‹, fuhr er fort, ›es ist wahr, was
die ganze Welt behauptet, daß er sich dem Teufel ver-
schrieben hat, Leib und Seele, um der beste Violinist
zu werden, um Millionen zu erfiedeln, und zunächst,
um von der verdammten Galeere loszukommen, wo er
schon viele Jahre geschmachtet. Denn sehen Sie,
Freund, als er zu Lucca Kapellenmeister war, verlieb-
te er sich in eine Theaterprinzessin, ward eifersüchtig
auf irgendeinen kleinen Abate, ward vieleicht cocu,
erstach auf gut italienisch seine ungetreue Amata,
kam auf die Galeere zu Genua und, wie gesagt, ver-
schrieb sich endlich dem Teufel, um loszukommen,
um der beste Violinspieler zu werden und um jeden
von uns diesen Abend eine Brandschatzung von zwei
Talern auferlegen zu können... Aber, sehen Sie! Alle
gute Geister loben Gott! sehen Sie, dort in der Allee
kommt er selber mit seinem zweideutigen Famulo!‹
In der Tat, es war Paganini selber, den ich alsbald
zu Gesicht bekam. Er trug einen dunkelgrauen Ober-
rock, der ihm bis zu den Füßen reichte, wodurch seine
Gestalt sehr hoch zu sein schien. Das lange schwarze
Haar fiel in verzerrten Locken auf seine Schulter
herab und bildete wie einen dunklen Rahmen um das
blasse, leichenartige Gesicht, worauf Kummer, Genie
und Hölle ihre unverwüstlichen Zeichen eingegraben
hatten. Neben ihm tänzelte eine niedrige, behagliche
Figur, putzig prosaisch: rosig verrunzeltes Gesicht,
hellgraues Röckchen mit Stahlknöpfen, unausstehlich
freundlich nach allen Seiten hingrüßend, mitunter
aber, voll besorglicher Scheu, nach der düsteren Ge-
stalt hinaufschielend, die ihm ernst und nachdenklich
zur Seite wandelte. Man glaubte das Bild von Retzsch
zu sehen, wo Faust mit Wagner vor den Toren von
Leipzig spazierengeht. Der taube Maler kommentierte
mir aber die beiden Gestalten in seiner tollen Weise
und machte mich besonders aufmerksam auf den ge-
messenen breiten Gang des Paganini. ›Ist es nicht‹,
sagte er, ›als trüge er noch immer die eiserne Quer-
stange zwischen den Beinen? Er hat sich nun ein mal
diesen Gang auf immer angewöhnt. Sehen Sie auch,
wie verächtlich ironisch er auf seinen Begleiter
manchmal hinabschaut, wenn dieser ihm mit seinen
prosaischen Fragen lästig wird; er kann ihn aber nicht
entbehren, ein blutiger Kontrakt bindet ihn an diesen
Diener, der eben kein andrer ist als Satan. Das unwis-
sende Volk meint freilich, dieser Begleiter sei der Ko-
mödien- und Anekdotenschreiber Harrys aus Hanno-
ver, den Paganini auf Reisen mitgenommen habe, um
die Geldgeschäfte bei seinen Konzerten zu verwalten.
Das Volk weiß nicht, daß der Teufel dem Herrn
Georg Harrys bloß seine Gestalt abgeborgt hat und
daß die arme Seele dieses armen Menschen unterdes-
sen, neben anderem Lumpenkram, in einem Kasten zu
Hannover so lange eingesperrt sitzt, bis der Teufel ihr
wieder ihre Fleischenveloppe zurückgibt und er viel-
leicht seinen Meister Paganini in einer würdigeren
Gestalt, nämlich als schwarzer Pudel, durch die Welt
begleiten wird.‹
War mir aber Paganini, als ich ihn am hellen Mit-
tage, unter den grünen Bäumen des Hamburger Jung-
fernstiegs, einherwandeln sah, schon hinlänglich fa-
belhaft und abenteuerlich erschienen, wie mußte mich
erst des Abends im Konzerte seine schauerlich bizarre
Erscheinung überraschen. Das Hamburger Komödien-
haus war der Schauplatz dieses Konzertes, und das
kunstliebende Publikum hatte sich schon frühe und in
solcher Anzahl eingefunden, daß ich kaum noch ein
Plätzchen für mich am Orchester erkämpfte. Obgleich
es Posttag war, erblickte ich doch, in den ersten
Ranglogen, die ganze gebildete Handelswelt, einen
ganzen Olymp von Bankiers und sonstigen Millionä-
ren, die Götter des Kaffees und des Zuckers, nebst
deren dicken Ehegöttinnen, Junonen vom Wandrahm
und Aphroditen vom Dreckwall. Auch herrschte eine
religiöse Stille im ganzen Saal. Jedes Auge war nach
der Bühne gerichtet. Jedes Ohr rüstete sich zum
Hören. Mein Nachbar, ein alter Pelzmakler, nahm
seine schmutzige Baumwolle aus den Ohren, um bald
die kostbaren Töne, die zwei Taler Entreegeld koste-
ten, besser einsaugen zu können. Endlich aber, auf der
Bühne kam eine dunkle Gestalt zum Vorschein, die
der Unterwelt entstiegen zu sein schien. Das war Pa-
ganini in seiner schwarzen Gala. Der schwarze Frack
und die schwarze Weste von einem entsetzlichen Zu-
schnitt, wie er vielleicht am Hofe Proserpinens von
der höllischen Etikette vorgeschrieben ist. Die
schwarzen Hosen ängstlich schlotternd um die dünnen
Beine. Die langen Arme schienen noch verlängert,
indem er in der einen Hand die Violine und in der an-
deren den Bogen gesenkt hielt und damit fast die Erde
berührte, als er vor dem Publikum seine unerhörten
Verbeugungen auskramte. In den eckigen Krümmun-
gen seines Leibes lag eine schauerliche Hölzernheit
und zugleich etwas närrisch Tierisches, daß uns bei
diesen Verbeugungen eine sonderbare Lachlust
anwandeln mußte; aber sein Gesicht, das durch die
grelle Orchesterbeleuchtung noch leichenartig weißer
erschien, hatte alsdann so etwas Flehendes, so etwas
blödsinnig Demütiges, daß ein grauenhaftes Mitleid
unsere Lachlust niederdrückte. Hat er diese Kompli-
mente einem Automaten abgelernt oder einem Hunde?
Ist dieser bittende Blick der eines Todkranken, oder
lauert dahinter der Spott eines schlauen Geizhalses?
Ist das ein Lebender, der im Verscheiden begriffen ist
und der das Publikum in der Kunstarena, wie ein ster-
bender Fechter, mit seinen Zuckungen ergötzen soll?
Oder ist es ein Toter, der aus dem Grabe gestiegen,
ein Vampir mit der Violine, der uns, wo nicht das
Blut aus dem Herzen, doch auf jeden Fall das Geld
aus den Taschen saugt?
Solche Fragen kreuzten sich in unserem Kopfe,
während Paganini seine unaufhörlichen Komplimente
schnitt; aber alle dergleichen Gedanken mußten
stracks verstummen, als der wunderbare Meister seine
Violine ans Kinn setzte und zu spielen begann. Was
mich betrifft, so kennen Sie ja mein musikalisches
zweites Gesicht, meine Begabnis, bei jedem Tone,
den ich erklingen höre, auch die adäquate Klangfigur
zu sehen; und so kam es, daß mir Paganini mit jedem
Striche seines Bogens auch sichtbare Gestalten und
Situationen vor die Augen brachte, daß er mir in tö-
nender Bilderschrift allerlei grelle Geschichten
erzählte, daß er vor mir gleichsam ein farbiges Schat-
tenspiel hingaukeln ließ, worin er selber immer mit
seinem Violinspiel als die Hauptperson agierte.
Schon bei seinem ersten Bogenstrich hatten sich die
Kulissen um ihn her verändert; er stand mit seinem
Musikpult plötzlich in einem heitern Zimmer, welches
lustig unordentlich dekoriert, mit verschnörkelten
Möbeln im Pompadourgeschmack: überall kleine
Spiegel, vergoldete Amoretten, chinesisches Porzel-
lan, ein allerliebstes Chaos von Bändern, Blumengir-
landen, weißen Handschuhen, zerrissenen Blonden,
falschen Perlen, Diademen von Goldblech und sonsti-
gem Götterflitterkram, wie man dergleichen im Stu-
dierzimmer einer Primadonna zu finden pflegt. Paga-
ninis Äußeres hatte sich ebenfalls, und zwar aufs al-
lervorteilhafteste, verändert: er trug kurze Beinkleider
von lilafarbigem Atlas, eine silbergestickte, weiße
Weste, einen Rock von hellblauem Sammet mit
goldumsponnenen Knöpfen; und die sorgsam in klei-
nen Löckchen frisierten Haare umspielten sein Ge-
sicht, das ganz jung und rosig blühete und von süßer
Zärtlichkeit erglänzte, wenn er nach dem hübschen
Dämchen hinäugelte, das neben ihm am Notenpult
stand, während er Violine spielte.
In der Tat, an seiner Seite erblickte ich ein hüb-
sches, junges Geschöpf, altmodisch gekleidet, der
weiße Atlas ausgebauscht unterhalb der Hüften, die
Taille um so reizender schmal, die gepuderten Haare
hochauffrisiert, das hübsch runde Gesicht um so freier
hervorglänzend mit seinen blitzenden Augen, mit sei-
nen geschminkten Wänglein, Schönpflästerchen und
impertinent süßem Näschen. In der Hand trug sie eine
weiße Papierrolle, und sowohl nach ihren Lippenbe-
wegungen als nach dem kokettierenden Hin- und Her-
wiegen ihres Oberleibchens zu schließen, schien sie
zu singen; aber vernehmlich ward mir kein einziger
ihrer Triller, und nur aus dem Violinspiel, womit der
junge Paganini das holde Kind begleitete, erriet ich,
was sie sang und was er selber während ihres Singens
in der Seele fühlte. Oh, das waren Melodien, wie die
Nachtigall sie flötet, in der Abenddämmerung, wenn
der Duft der Rose ihr das ahnende Frühlingsherz mit
Sehnsucht berauscht! Oh, das war eine schmelzende,
wollüstig hinschmachtende Seligkeit! Das waren
Töne, die sich küßten, dann schmollend einander flo-
hen und endlich wieder lachend sich umschlangen und
eins wurden und in trunkener Einheit dahinstarben.
Ja, die Töne trieben ein heiteres Spiel, wie Schmetter-
linge, wenn einer dem anderen neckend ausweicht,
sich hinter eine Blume verbirgt, endlich erhascht wird
und dann mit dem anderen, leichtsinnig beglückt, im
goldnen Sonnenlichte hinaufflattert. Aber eine Spin-
ne, eine Spinne kann solchen verliebten Schmetterlin-
gen mal plötzlich ein tragisches Schicksal bereiten.
Ahnte dergleichen das junge Herz? Ein wehmütig
seufzender Ton, wie Vorgefühl eines heranschleichen-
den Unglücks, glitt leise durch die entzücktesten Me-
lodien, die aus Paganinis Violine hervorstrahlten...
Seine Augen werden feucht... Anbetend kniet er nie-
der vor seiner Amata... Aber ach! indem er sich beugt,
um ihre Füße zu küssen, erblickt er unter dem Bette
einen kleinen Abate! Ich weiß nicht, was er gegen den
armen Menschen haben mochte, aber der Genueser
wurde blaß wie der Tod, er erfaßt den Kleinen mit
wütenden Händen, gibt ihm diverse Ohrfeigen, sowie
auch eine beträchtliche Anzahl Fußtritte, schmeißt ihn
gar zur Tür hinaus, zieht alsdann ein langes Stilett
aus der Tasche und stößt es in die Brust der jungen
Schöne...
In diesem Augenblick aber erscholl von allen Sei-
ten: ›Bravo! Bravo!‹ Hamburgs begeisterte Männer
und Frauen zollten ihren rauschendsten Beifall dem
großen Künstler, welcher eben die erste Abteilung
seines Konzertes beendigt hatte und sich mit noch
mehr Ecken und Krümmungen als vorher verbeugte.
Auf seinem Gesichte, wollte mich bedünken, winselte
ebenfalls eine noch flehsamere Demut als vorher. In
seinen Augen starrte eine grauenhafte Ängstlichkeit,
wie die eines armen Sünders.
›Göttlich!‹ rief mein Nachbar, der Pelzmakler,
indem er sich in den Ohren kratzte, ›dieses Stück war
allein schon zwei Taler wert.‹
Als Paganini aufs neue zu spielen begann, ward es
mir düster vor den Augen. Die Töne verwandelten
sich nicht in helle Formen und Farben; die Gestalt des
Meisters umhüllte sich vielmehr in finstere Schatten,
aus deren Dunkel seine Musik mit den schneidendsten
Jammertönen hervorklagte. Nur manchmal, wenn eine
kleine Lampe, die über ihm hing, ihr kümmerliches
Licht auf ihn warf, erblickte ich sein erbleichtes Ant-
litz, worauf aber die Jugend noch immer nicht erlo-
schen war. Sonderbar war sein Anzug, gespaltet in
zwei Farben, wovon die eine gelb und die andre rot.
An den Füßen lasteten ihm schwere Ketten. Hinter
ihm bewegte sich ein Gesicht, dessen Physiognomie
auf eine lustige Bocksnatur hindeutete, und lange haa-
richte Hände, die, wie es schien, dazu gehörten, sah
ich zuweilen hülfreich in die Saiten der Violine grei-
fen, worauf Paganini spielte. Sie führten ihm auch
manchmal die Hand, womit er den Bogen hielt, und
ein meckerndes Beifall-Lachen akkompagnierte dann
die Töne, die immer schmerzlicher und blutender aus
der Violine hervorquollen. Das waren Töne gleich
dem Gesang der gefallenen Engel, die mit den Töch-
tern der Erde gebuhlt hatten und, aus dem Reiche der
Seligen verwiesen, mit schamglühenden Gesichtern in
die Unterwelt hinabstiegen. Das waren Töne, in deren
bodenloser Untiefe weder Trost noch Hoffnung
glimmte. Wenn die Heiligen im Himmel solche Töne
hören, erstirbt das Lob Gottes auf ihren verbleichen-
den Lippen, und sie verhüllen weinend ihre frommen
Häupter! Zuweilen, wenn in die melodischen Qualnis-
se dieses Spiels das obligate Bockslachen hinein-
meckerte, erblickte ich auch im Hintergrunde eine
Menge kleiner Weibsbilder, die boshaft lustig mit den
häßlichen Köpfen nickten und mit den gekreuzten
Fingern, in neckender Schadenfreude, ihre Rübchen
schabten. Aus der Violine drangen alsdann Angstlau-
te und ein entsetzliches Seufzen und ein Schluchzen,
wie man es noch nie gehört auf Erden und wie man es
vielleicht nie wieder auf Erden hören wird, es seie
denn im Tale Josaphat, wenn die kolossalen Posaunen
des Gerichts erklingen und die nackten Leichen aus
ihren Gräbern hervorkriechen und ihres Schicksals
harren... Aber der gequälte Violinist tat plötzlich
einen Strich, einen so wahnsinnig verzweifelten
Strich, daß seine Ketten rasselnd entzweisprangen
und sein unheimlicher Gehülfe, mitsamt den verhöh-
nenden Unholden, verschwanden.
In diesem Augenblick sagte mein Nachbar, der
Pelzmakler: ›Schade, schade, eine Saite ist ihm ge-
sprungen, das kommt von dem beständigen Pizzika-
ti!‹
War wirklich die Saite auf der Violine gesprungen?
Ich weiß nicht. Ich bemerkte nur die Transfiguration
der Töne, und da schien mir Paganini und seine Um-
gebung plötzlich wieder ganz verändert. Jenen konnte
ich kaum wiedererkennen in der braunen Mönch-
stracht, die ihn mehr versteckte als bekleidete. Das
verwilderte Antlitz halb verhüllt von der Kapuze,
einen Strick um die Hüfte, barfüßig, eine einsam trot-
zige Gestalt, stand Paganini auf einem felsigen Vor-
sprung am Meere und spielte Violine. Es war, wie
mich dünkte, die Zeit der Dämmerung, das Abendrot
überfloß die weiten Meeresfluten, die immer röter
sich färbten und immer feierlicher rauschten im ge-
heimnisvollsten Einklang mit den Tönen der Violine.
Je röter aber das Meer wurde, desto fahler erbleichte
der Himmel, und als endlich die wogenden Wasser
wie lauter scharlachgrelles Blut aussahen, da ward
droben der Himmel ganz gespenstischhell, ganz lei-
chenweiß, und groß und drohend traten daraus hervor
die Sterne... und diese Sterne waren schwarz, schwarz
wie glänzende Steinkohlen. Aber die Töne der Violi-
ne wurden immer stürmischer und kecker, in den
Augen des entsetzlichen Spielmanns funkelte eine so
spöttische Zerstörungslust, und seine dünnen Lippen
bewegten sich so grauenhaft hastig, daß es aussah, als
murmelte er uralt verruchte Zaubersprüche, womit
man den Sturm beschwört und jene bösen Geister ent-
fesselt, die in den Abgründen des Meeres gefangenlie-
gen. Manchmal, wenn er, den nackten Arm aus dem
weiten Mönchsärmel lang mager hervorstreckend, mit
dem Fiedelbogen in den Lüften fegte, dann erschien er
erst recht wie ein Hexenmeister, der mit dem Zauber-
stab den Elementen gebietet, und es heulte dann wie
wahnsinnig in der Meerestiefe, und die entsetzten
Blutwellen sprangen dann so gewaltig in die Höhe,
daß sie fast die bleiche Himmelsdecke und die
schwarzen Sterne dort mit ihrem roten Schaume be-
spritzten. Das heulte, das kreischte, das krachte, als
ob die Welt in Trümmer zusammenbrechen wollte,
und der Mönch strich immer hartnäckiger seine Violi-
ne. Er wollte durch die Gewalt seines rasenden Wil-
lens die sieben Siegel brechen, womit Salomon die
eisernen Töpfe versiegelt, nachdem er darin die über-
wundenen Dämonen verschlossen. Jene Töpfe hat der
weise König ins Meer versenkt, und eben die Stim-
men der darin verschlossenen Geister glaubte ich zu
vernehmen, während Paganinis Violine ihre zornig-
sten Baßtöne grollte. Aber endlich glaubte ich gar wie
Jubel der Befreiung zu vernehmen, und aus den roten
Blutwellen sah ich hervortauchen die Häupter der ent-
fesselten Dämonen: Ungetüme von fabelhafter Häß-
lichkeit, Krokodile mit Fledermausflügeln, Schlangen
mit Hirschgeweihen, Affen, bemützt mit Trichtermu-
scheln, Seehunde mit patriarchalisch langen Bärten,
Weibergesichter mit Brüsten an die Stelle der Wan-
gen, grüne Kamelsköpfe, Zwittergeschöpfe von
unbegreiflicher Zusammensetzung, alle mit kaltklugen
Augen hinglotzend und mit langen Floßtatzen hingrei-
fend nach dem fiedelnden Mönche... Diesem aber, in
dem rasenden Beschwörungseifer, fiel die Kapuze zu-
rück, und die lockigen Haare, im Winde dahinflat-
ternd, umringelten sein Haupt wie schwarze Schlan-
gen.
Diese Erscheinung war so sinneverwirrend, daß
ich, um nicht wahnsinnig zu werden, die Ohren mir
zuhielt und die Augen schloß. Da war nun der Spuk
verschwunden, und als ich wieder aufblickte, sah ich
den armen Genueser in seiner gewöhnlichen Gestalt
seine gewöhnlichen Komplimente schneiden, während
das Publikum aufs entzückteste applaudierte.
›Das ist also das berühmte Spiel auf der G-Saite‹,
bemerkte mein Nachbar; ›ich spiele selber die Violine
und weiß, was es heißt, dieses Instrument so zu be-
meistern!‹ Zum Glück war die Pause nicht groß, sonst
hätte mich der musikalische Pelzkenner gewiß in ein
langes Kunstgespräch eingemufft. Paganini setzte
wieder ruhig seine Violine ans Kinn, und mit dem er-
sten Strich seines Bogens begann auch wieder die
wunderbare Transfiguration der Töne. Nur gestaltete
sie sich nicht mehr so grellfarbig und leiblich be-
stimmt. Diese Töne entfalteten sich ruhig, majestä-
tisch wogend und anschwellend, wie die eines Or-
gelchorals in einem Dome; und alles umher hatte sich
immer weiter und höher ausgedehnt zu einem kolossa-
len Raume, wie nicht das körperliche Auge, sondern
nur das Auge des Geistes ihn fassen kann. In der
Mitte dieses Raumes schwebte eine leuchtende Kugel,
worauf riesengroß und stolzerhaben ein Mann stand,
der die Violine spielte. Diese Kugel, war sie die
Sonne? Ich weiß nicht. Aber in den Zügen des Man-
nes erkannte ich Paganini, nur idealisch verschönert,
himmlisch verklärt, versöhnungsvoll lächelnd. Sein
Leib blühte in kräftigster Männlichkeit, ein hellblaues
Gewand umschloß die veredelten Glieder, um seine
Schulter wallte, in glänzenden Locken, das schwarze
Haar; und wie er da fest und sicher stand, ein erhabe-
nes Götterbild, und die Violine strich: da war es, als
ob die ganze Schöpfung seinen Tönen gehorchte. Er
war der Mensch-Planet, um den sich das Weltall be-
wegte, mit gemessener Feierlichkeit und in seligen
Rhythmen erklingend. Diese großen Lichter, die, so
ruhig glänzend, um ihn her schwebten, waren es die
Sterne des Himmels, und jene tönende Harmonie, die
aus ihren Bewegungen entstand, war es der Sphären-
gesang, wovon Poeten und Seher soviel Verzückendes
berichtet haben? Zuweilen, wenn ich angestrengt weit
hinausschaute in die dämmernde Ferne, da glaubte ich
lauter weiße wallende Gewänder zu sehen, worin ko-
lossale Pilgrime vermummt einherwandelten, mit wei-
ßen Stäben in den Händen und sonderbar! die goldnen
Knöpfe jener Stäbe waren eben jene großen Lichter,
die ich für Sterne gehalten hatte. Diese Pilgrime
zogen in weiter Kreisbahn um den großen Spielmann
umher, von den Tönen seiner Violine erglänzten
immer heller die goldnen Knöpfe ihrer Stäbe, und die
Choräle, die von ihren Lippen erschollen und die ich
für Sphärengesang halten konnte, waren eigentlich
nur das verhallende Echo jener Violinentöne. Eine un-
nennbare heilige Inbrunst wohnte in diesen Klängen,
die manchmal kaum hörbar erzitterten, wie geheim-
nisvolles Flüstern auf dem Wasser, dann wieder süß-
schauerlich anschwollen, wie Waldhorntöne im
Mondschein, und dann endlich mit ungezügeltem
Jubel dahinbrausten, als griffen tausend Barden in die
Saiten ihrer Harfen und erhüben ihre Stimmen zu
einem Siegeslied. Das waren Klänge, die nie das Ohr
hört, sondern nur das Herz träumen kann, wenn es des
Nachts am Herzen der Geliebten ruht. Vielleicht auch
begreift sie das Herz am hellen lichten Tage, wenn es
sich jauchzend versenkt in die Schönheitslinien und
Ovalen eines griechischen Kunstwerks...«
»Oder wenn man eine Bouteille Champagner zuviel
getrunken hat!« ließ sich plötzlich eine lachende
Stimme vernehmen, die unseren Erzähler wie aus
einem Traume weckte. Als er sich umdrehte, erblickte
er den Doktor, der, in Begleitung der schwarzen De-
bora, ganz leise ins Zimmer getreten war, um sich zu
erkundigen, wie seine Medizin auf die Kranke gewirkt
habe.
»Dieser Schlaf gefällt mir nicht«, sprach der Dok-
tor, indem er nach dem Sofa zeigte.
Maximilian, welcher, versunken in den Phantasmen
seiner eignen Rede, gar nicht gemerkt hatte, daß
Maria schon lange eingeschlafen war, biß sich ver-
drießlich in die Lippen.
»Dieser Schlaf«, fuhr der Doktor fort, »verleiht
ihrem Antlitz schon ganz den Charakter des Todes.
Sieht es nicht schon aus wie jene weißen Masken,
jene Gipsabgüsse, worin wir die Züge der Verstorbe-
nen zu bewahren suchen?«
»Ich möchte wohl«, flüsterte ihm Maximilian ins
Ohr, »von dem Gesichte unserer Freundin einen sol-
chen Abguß aufbewahren. Sie wird auch als Leiche
noch sehr schön sein.«
»Ich rate Ihnen nicht dazu«, entgegnete der Doktor.
»Solche Masken verleiden uns die Erinnerung an un-
sere Lieben. Wir glauben, in diesem Gipse sei noch
etwas von ihrem Leben enthalten, und was wir darin
aufbewahrt haben, ist doch ganz eigentlich der Tod
selbst. Regelmäßig schöne Züge bekommen hier
etwas grauenhaft Starres, Verhöhnendes, Fatales, wo-
durch sie uns mehr erschrecken als erfreuen. Wahre
Karikaturen aber sind die Gipsabgüsse von Gesich-
tern, deren Reiz mehr von geistiger Art war, deren
Züge weniger regelmäßig als interessant gewesen;
denn sobald die Grazien des Lebens darin erloschen
sind, werden die wirklichen Abweichungen von den
idealen Schönheitslinien nicht mehr durch geistige
Reize ausgeglichen. Gemeinsam ist aber allen diesen
Gipsgesichtern ein gewisser rätselhafter Zug, der uns
bei längerer Betrachtung aufs unleidlichste die Seele
durchfröstelt; sie sehen alle aus wie Menschen, die im
Begriffe sind, einen schweren Gang zu gehen.«
»Wohin?« frug Maximilian, als der Doktor seinen
Arm ergriff und ihn aus dem Zimmer fortführte.

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