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Bei der Granatapfelernte in Rahova – 45c
prosa [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 – 2014)

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von [Delagiarmata ]

2024-02-24  |   

zum Originaltext  | 



Repartition

„Ach wie gut es früher war!“, hörte ich Tante Ioana sagen, wenn sie den Schnaps an die austeilte, die ein Stamperl kauften oder Beeren aus dem Weichsellikör, zu hohem Preis für uns Kinder.

Sie verteilte voller Überzeugung auch Sinnsprüche, an alle, die ihr zuhörten, ihr, der ältesten Nachbarin im Viertel, die nie eine Schule in ihrem Geburtsdorf, das nach ihrer Vorstellung jetzt am Ende der Welt lag, besuchte: „Was brauchen wir Gas, was brauchen wir Busse? Bis zur Kirche und zum Markt geh’n wir zu Fuß, um die Strampeln zu bewegen. Ist es nicht so, Kinder?“

Etwa so war auch die Einstellung dieses gewesenen Inspektors, eine Art Professor bau-bau, der Adjunkt von Humele: „Was brauchen wir eine Deutschprofessorin, was brauchen wir Kinder mit Schule, wenn wir sie so lassen, ,bio‘, und bei der Feldarbeit einsetzen können und das, wie man weiß, ohne Fremdsprachenkenntnisse.“

Und der Rest war eine große Stille, unterbrochen nur ab und zu von einem Hahn und seltener von einem Traktor. Die Landwirtschaft … auch sie ziemlich mitgenommen auf diesen armen Böden. Und die anderen Professoren durchlöcherten mit ihren Blicken den Plafond in den Sitzungen und gaben keinen Ton von sich zur Verteidigung der Kinder.

Bei den Autos, Buhlschaften und Handys war das anders. Man zog den letzten Typ vor, weil er „performanter“ war. Die damalige Mentalität kannte dieses Wort allerdings nicht, das uns heute positiven Stress beschert.

„Zu besitzen ist einfacher als zu wissen“, sagte Vater. „Wenn du genug weißt, dann ist es auch gut, wenn du genug hast! Aber die Sachen austauschen, weil sie ‚in Mode‘ sind, zwei, drei Mal im Leben arbeiten für einen Schrank?“
„Nein, nein, es lohnt sich nicht“, fuhr er fort, seine blonden Locken schüttelnd, „alles in Kopf und Herz gehört dir und niemand nimmt es dir weg. Oder es könnte ein Feuer kommen, der Fiskus … und du stehst wieder auf der Straße. Ich bleibe bei meinem Bleistift“, erklärte mir Vater, als ich ihm den Kugelschreiber reichte oder sagte: „Schau den Rechner, so bist du schneller.“
„Ich benötige keine Schnelligkeit, ich benötige Verstand. Und was habt ihr mit den Rechnern gewonnen? Nicht einmal Geld verrechnen könnt Ihr mit ihnen.“

Ich erinnere mich an die Aufregung, die in einer Elternsitzung herrschte, als in der dritten Klasse dicke chinesische Kugelschreiber mit dem Einmaleins auftauchten! Du musstest nur drehen und schon wusste der Kugelschreiber wieviel acht mal acht ist … Die Eltern haben so lange pro und contra gestritten, bis sie in der Schule verboten wurden, denn sie zerstören angeblich das Hirn. Das aber muss mit der auswendig gelernten Einmaleinst-Tafel gestärkt werden.

Meine Tochter hat nicht einmal gelächelt, als ich ihr die Szene schilderte. Ich nehme an, sie kam ihr vor wie eine Geschichte aus einer „anderen Welt“, wo es doch heute überall Rechner gibt und die digitale Welt. Sie muss keine schöne Schrift mehr haben. Dafür gibt es den Computer, um Kinkerlitzchen und kleine Zeichen zu setzen! Die Kaligraphie, die in einigen Kulturen ein Beruf ist, wurde von der Erdoberfläche getilgt und hat kaum noch Chancen zurückzukommen! Meine Tochter schreibt nicht mit dem Bleistift, weil sie keinen Adressanten hat! Sie lernt auch keine Liebesgedichte mehr, weil sie keinen Zuhörer für sie hat! Sie sammelt keine Servietten oder Gummis mit verschiedenen Düften mehr, wie wir es machten, weil sie keinen Tauschpartner hat. Du kannst mit niemand etwas austauschen, alles ist digital … Freunde, Waren, Liebesbriefe, Ostern oder Weihnachten, Verträge, Angebote, Einkäufe, sogar die bisher im Kopf oder der Seele getragenen Geheimnisse, wie auch Liebhaber oder Wünsche jeder Art, alle, alle digital!

Du sitzt da und klopfst blind auf die Tastatur und träumst von einem Paradies jenseits der digitalen Welt. Würden wir nicht so denken, könnten wir uns nicht „ich weiß nicht mit wem“ aus Tanganjika befreunden, von dem du nicht weißt, ob er Baum oder Mensch ist; um dann am nächsten Morgen müde aber glücklich zu sein.

„Ach wie gut, ich habe mit Bianca gesprochen.“
„Welche?“
„Die aus dem Norden Kanadas.“
„Und?“
„Sie hat mir gesagt, dass ich gut aussehe.“
„Und ist es nach deiner Meinung so?“
„Nein. Aber spielt das eine Rolle?!“

Ja, darum ging es meiner Generation besser. Es wurde alles Mögliche gesammelt, es gab so eine Art von Veranstaltungskreise, in denen wir uns wunderten, wie schön zum Beispiel eine Serviette aus Singapur, mitgebracht vom Vater einer Klassenkollegin, Cristina S., ist.

Aber kehren wir zu der Erzählung „Professorin auf dem Lande“ zurück.


[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


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