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Der Wolkenmönch
prosa [ ]

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von [Almalo ]

2005-04-06  |     | 





Am Abend vor der Geburt des Kindes kam der Fremde. Er klopfte nicht an unsere Tür. Er fragte nach unserem Fenster in der Straße und die Nachbarin zeigte mit bohrendem Finger auf das grelle Licht hinter den vergilbten Gardinen.

„Das einzige Fenster ohne Blumen, dort, das schiefe, halb verdeckt“, hatte sie ihm wohl zugeflüstert.

Mutter griff zur Tür, als würde sie auf jemanden warten. Von draußen kamen harte Schritte im dunkel knirschenden Flur. Ein großer blasser Mann erschien im engen Vorraum. Langsam drehte sie sich um und wollte ihm den Weg zeigen, doch er, mit südlichem Duft und geradem Blick, trat mit einem Schritt seiner dünnen aber sicheren Beine ins feuchtgelbe Zimmer.

Mutter war ruhig, ihre Augen bewegten sich langsam über die Silhouette des Fremden, der sich in dem einzigen Stuhl niedergelassen hatte. Der Fremde sah wirklich aus wie einer von weither. Er war bekleidet wie jeder Mann in der Stadt, doch seine schwarzen Kleider, hatten tiefe merkwürdige Falten, anders als wir sie gewohnt waren. Seine Haare und Augen wirkten noch dunkler im Gegensatz zu seinem weißen Gesicht.

Unsere Blicke zitterten von einem zum anderen, seine Hände lagen gefaltet und starr wie auf fremden Oberschenkeln. Nachdem seine Augen einige Kreise um uns geschlagen hatten, öffneten sich die zarten Lippen und wir hofften, er würde uns begrüßen, sich vorstellen und vielleicht lächeln. Ein leises Stöhnen, dann ein Husten und plötzlich erhob sich sein Arm, ging über seine linke Schulter, dann über die rechte, als wolle er sich Staub abschlagen.

Mutter schüttelte den Kopf und pendelte auf den Mann zu. Sie versuchte, etwas zu sagen, doch es gelang ihr nicht. Beim Anblick des Fremden hatte sie sich bestimmt an Vater erinnert, der als Soldat im Krieg verschwunden war. Im ersten Augenblick dachte ich auch, es sei Vater. Er konnte es jedoch nicht sein, denn Vater war vor vielen Jahren gegangen, und außer ein paar zerknitterten Briefen haben wir nie wieder etwas von ihm gehört.

Plötzlich hatte es Mutter eilig. Sie stürzte mit ihrem ganzen Gewicht in die Küche und kam mit einem uralten Tablett zurück, beladen mit Tee und aus der Adventszeit vergessenen Keksen.

Das Zimmer wurde wärmer seit der Mann eingetreten war. Es verging einige Zeit und nichts bewegte sich. Ich starrte auf Mutter. Sie hatte vor der Ankunft des Fremden versucht, mir Atmen beizubringen. Bald würde das Kind auf die Welt kommen.

Der Fremde seufzte, als er mit seinen tiefen Augen den vollen Körper entdeckte. Dann erhob er sich und kam näher. Mutter fragte unentschlossen, ob sie ihm helfen könnte. Er drehte sich um und endlich lächelte er ihr leise zu. Sie schlug die Hände zusammen und segelte froh in die Küche, um sich die Tränen wegzuwischen. Sie dachte bestimmt wieder an Vater.

Meine Augen wurden feucht vor Angst. Es fiel mir schwer zu schweigen. Die zu großen Zähne bissen sich dicht in die Unterlippe ein, meine Finger kämpften fremd am Körper vorbei. Ich suchte etwas, um mich festzuhalten.

Der Fremde gab mir seine Hand und flüsterte freundlich, ich solle mich mit dem Stuhl zum Fenster drehen und den Wolken folgen. Er riss mit entschlossener Bewegung die gelben Gardinen über ihre Befestigung zur Seite hinaus und zeigt mir den Himmel. Seine Arme erhoben sich wie zum griechischen Tanz und fingen an, mir die Wolken zu beschreiben. Er flüsterte, lächelte und flüsterte.
Angsttränen ertranken in der warmen Beschreibung. Seine Finger zeichneten flink einen Traum nach dem anderen. Der Kopf bewegte sich gleichmäßig wie bei einem Schlaftrunkenen, der geradeaus gehen will, obwohl er nichts sieht.

Die Augen des Fremden öffneten sich, wurden heller, die Lippen dunkelrot, und das Lächeln wuchs zum Lachen. Meine Augen liefen seinen Händen nach, ich wurde neugierig, was würde er jetzt aus der nächsten Wolke bilden. Die Wolken gebaren in seinen Händen eine leuchtende, andere Welt.

Er zeichnete sogar Vater, Grossmutter, dann ein Pferd, eine Möwe, eine kleine Katze, aber auch grosse erschreckende Tiere und einmal sogar unsere immer schlechtgelaunte Nachbarin. Und dann zeichnete er einen Engel, ein Kreuz, ein Netz, und mit letzten Kräften ging er dann die lange Heiligenreihe durch.

Im Zimmer wurde es immer wärmer. Wir hatten den Tee vergessen. Mutter stand hinter uns in der zu kleinen Türschwelle, die zur Küche führte, und ihre Augen folgten auch den Armen des Fremden.

Sie dachte jetzt nicht mehr an Vater und hatte auch vergessen, den Fremden zu fragen, woher er kommt, und warum er hier sei. Mutters Augen vergaßen das Kind, das noch im Dunkeln auf das Licht wartete. Ihre graugrünen, alten Augen waren voller Wolken und Geschichten, die in reichlichen und warmen Kreisen und Wölbungen zu dieser anderen Welt in den Fingern des Fremden wurden.


Der Fremde atmete durch den Mund, er erinnerte an einen kleinen Fisch, der sich vor Angst nicht mehr aus der Ecke des Aquariums traut. Er hatte die Wolken alle ausgeformt mit seinen welligen Armen. Dann, vertraut, schaute er auf mich nieder, streichelte mein Haar und zeigte ruhig mit seinem dünnen Finger auf eine Wolke. Einige leise Worte begleiteten seinen Blick, ich solle doch versuchen, die Wolke mit meinen Fingern zu fangen, zu formen, zu gebären.

Meine angeschwollenen, müden Finger trauten sich anfangs nicht. Der Fremde drehte sich zur Mutter, und ließ mich vor einem aufgerissenen Himmel. Im Rücken hörte ich, wie sie über das Kind flüsterten. Der Atem von Mutter wurde tiefer. Meine Finger sprangen plötzlich auf und hielten sich am Rücken eines gefallenen Pferdes fest. Ich war noch zu langsam. Die Wolke löste sich auf und zurück blieb ein dünner Faden, der mich zum Weinen brachte.

Der volle Körper war zu schwer für einen so dünnen Faden. Dann hörte ich Mutter auflachen, und meine Finger griffen schnell, wie beim Pflücken einer Blume, nach dem Mönch, den mir die nächste Wolke zeigte, und ich formte ihn mit sicherem Schnitt.

Das Spiel mit den Wolken und den Traumgestalten hielt lange an. Ich vergaß Hände und Augen im Himmel. Der Fremde und Mutter wurden leise. Mein Lippen pressten sich weich aneinander, und die Wärme floss durch meine Schulter in den Bauch. Als ich genug Hunde, Gesichter und Engel gebildet hatte, träumte ich weiter und weiter. Die Wolken hörten nicht auf, mir zuzufliegen und mich quallenähnlich zu umschlingen. Im Zimmer wurde es heiß.

Es war Nacht, als ich mich umdrehte, und hinter mir saß Mutter mit müden Blumen im Arm. Meine Finger zeichneten in der Luft weiter und ich wollte ihr sagen, wie glücklich ich sei. Da kam ein dumpfer Schmerz aus der letzten Wolke und ich konnte sie nicht mehr ausformen.

Mutter schreckte auf, hob die Hände und ihr Blick sprang zur Tür, die noch offen stand. Der Fremde war gegangen, ohne sie zu schließen. Sein südländischer Duft, sein leichter Gang und ein paar erzählte Wolken schwebten ihm nach.


Ein neuer Schmerz verstummte in meinem Schoß und ich konnte noch langsam den Arm nach Mutter heben und stotternd flüsterte ich, wie erdrückend dieses Zimmer doch sei, wie klein. Mutter drehte meinen Stuhl zum Fenster und fing an, Wolken zu malen. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich Vater erkannte. Mutter hatte mir von ihm erzählt, von seinen welligen Haaren, seinem entschiedenen Schritt und schmalen Schultern. Sie flüsterte weiche Worte, die denen des Fremden ähnlich waren.

Die Schmerzen waren weg. Im Zimmer wurde es heller, mit Mühe erkannte ich eine kleine Gestalt. Es war ein Wesen mit leichtgebeugten Schultern. Das Kind lag im gelben Licht und Mutter schien, es in der Luft zu zeichnen, wie vormals der Fremde die Wolken.

Die Farben hat er uns nicht gezeigt, alles war mal milchig mal schwarz. Der südländische Duft war sogar in den Haaren des Kindes. Mutter lächelte noch, als ich einschlief. Sie dachte nicht mehr an Vater. In ihren Augen erkannte ich die Ruhe des Fremden und wußte, er würde wiederkommen. Das Kind formte aus jeder Wolke vom ersten Tag an Luftzeichnungen, wenn man es zum Fenster legte. Es lächelte, wenn es länger an einem Tier oder an einem Baum in der Luft herumwinken mußte.

Wir hatten den Fremden doch noch vergessen. Selten war der südländische Duft jenes Abends zu spüren, und ich drehte mich schüchtern um mit suchendem Blick. Nach langen Jahren erzählte das Kind, es habe einem Fremden zugeschaut, wie er zum Himmel blickte und ihm etwas zuflüstern wollte. Das Kind glaubte, der große Fremde male die Formen der Wolken nach. Es fragte mich, ob es Wolkenzeichner auf der Welt gebe, die sogar Mönche vom Himmel nachmachen könnten.

Mutter lebte nicht mehr und ich schaute zum Kind und dachte an Vater. Mit zitterndem Arm versuchte ich, den Fremden in den Wolken zu erreichen, ihm vielleicht zuzuwinken, um Hilfen zu bitten.

Wir wohnten all die Jahre hinter gelben Gardinen ohne Blumen und die Tür stand immer halb offen. Mutter hatte vor ihrem Abschied erzählt, der Fremde hätte versprochen wiederzukommen.

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