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Eine Publikation die auch Fragen aufwirft
artikel [ Bücher ]
GUTTENBRUNNER BOTE Nr. 4/2006

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von [Delagiarmata ]

2006-11-04  |     | 



Die Nummer 4 des GUTTENBRUNNER BOTE kann von Interessenten gelesen werden (oder auch nicht). Die „Kultur- und Literaturschrift für die Rumäniendeutschen“ mit „Unterhaltung – Geheimnisse – Analysen – Berichte aus Geschichte und Gegenwart“, auf der Titelseite bereits angepriesen als „Literaturschrift um Guttenbrunnerisches – bissig, sarkastisch, literarisch, gut“, steht unter dem Motto „2007 – Hermannstadt – Kulturhauptstadt – Ein Fest für die Literaturschaffenden der fünften deutschen Literatur vor Ort – der deutschsprachigen Autoren Rumäniens“. Dazu gesellt sich in optimistischer Schräglage das eingerahmte Warnschild mit dem Hinweis „Identitäten zwischen Schrift und ... Intimität ...“. Eine erschlagende Fülle an Informationen auf den ersten Blick. Davon gibt es dann allerdings noch mehr auf den Einleitungsseiten dieses Buches, als das es sich, zum Unterschied zu einer Zeitschrift, auch anfühlt. Zu den Impressumsangaben, dass, wie bisher auch, Dieter Michelbach als Herausgeber zeichnet und für die Redaktion neben den für die ersten drei Nummern verantwortlichen Redaktionsmitarbeitern Manuela & Reinhold Thellmann diesmal auch Ingmar Brantsch Verantwortung übernommen hat, gesellt sich eine Mitteilung des Herausgebers an die „lieben Leserinnen und Leser“, die etwas Verwirrung stiftet und bei einem Rückblick ins Impressum das Fragezeichen eher unterstreicht, als für Klarheit sorgt. Beiderseits heißt es nämlich, es würde sich um eine „Anthologie-Reihe“ mit dem Titel „Guttenbrunner Bote“ handeln. Was hält der Leser nun doch in der Hand, eine Zeitschrift (Literaturschrift) in Buchformat oder eine Blumenlese, die natürlich themen- oder gattungsbezogen sein wird?

Schon das nächste Blatt deutet darauf hin, dass es sich hier um ein eindeutiges „Weder – Noch“ handelt. Was den Leser erwartet, ist ein Kuddelmuddel, ein Buntgemischt aus der Kiste – zum Teil auch aus der Mottenkiste – der rumäniendeutschen Literatur. Wir begegnen erzählende und reflektierende Prosa, Lyrik verschiedener Prägungen – so weit einer Anthologie nicht abhold -, aber auch literaturwissenschaftliche Texte, Dankesreden, Referate, bis hin zu Aufgabenbeschreibungen von die rumäniendeutsche Literatur tangierenden Instituten – viel, sehr viel für eine Literaturzeitschrift und natürlich mit Reibungsflächen behaftet, besonders angesichts der angekündigten Anthologieansprüchen.

Und trotzdem haben die Redakteure – Ingmar Brantsch scheint federführend agiert zu haben – sich bemüht, dem Leser ein Konzept als Orientierungshilfe an die Hand zu geben. Die so entstandene Gliederung hat 5 Kapitel ergeben.

Hermannstadt und sein geistiger Kulturraum
Dem in Hermannstadt im kommenden Jahr bevorstehenden Großereignis der Trägerschaft einer europäischen Kulturhauptstadt gemäß, kommen hier Autoren zu Wort, die zu dieser Stadt einen biographischen oder literarischen Bezug aufzuweisen haben: Joachim Wittstock, Eginald Schlattner, Walther Gottfried Seidner, Wilhelm Meitert, Hannelore Baier, Dr. Karl Scheerer, Mariana Gorczyca, Rohtraut Wittstock, Dieter Schlesak, Ricarda Maria Terschak, Gheorghe Stanomir, Christel Servatius Schullerus, Siegfried Schullerus, Michael Astner, Martin Bottesch, Dieter Drotleff, Gernot Nussbächer und Michael Markel. Die Literaturgattungen sind hier bereits bunt durcheinander gewürfelt und das nicht unbedingt zum Nachteil des Lesers, ist dadurch doch für die oft beschworene Abwechslung mit ewigem Hoffnungsschimmer – der nächste Text kommt bestimmt – gesorgt.

Deutschsprachige Autoren – Bukarest und andere Zentren
Die Hauptstadt wird repräsentiert von Hans Liebhardt, Christel Ungar und Ioana Crăciun. Ein Aushängeschild der deutschen Literatur in Kronstadt ist die Lyrikerin Carmen Elisabeth Puchianu, während Erwin Josef Ţigla als rühriger Organisator der Deutschen Literaturtage in Reschitza bekannt ist. LuminiÈ›a Mihai Cioabă wird von Beatrice Ungar übersetzt, eine Zigeunerin von einer Siebenbürger Sächsin. Warum beide, obwohl in Hermannstadt lebend, nicht im ersten Kapitel zu finden sind, gehört nun mal zu den Fragen dieser Publikation.

Zwischenräume – Reflexionen zum literarischen Umfeld
Ingmar Brantsch. Der Wahlkölner ist hier in seinem Element. Seine Lieblingsthemen bleiben „die fünfte deutsche Literatur“ – von vielen Insidern wahrscheinlich intuitiv schon darum abgelehnt, weil sich die Bezeichnung „fünfte Kolonne“ aufdrängt – und die in Deutschland zu literarischem Ruhm gelangten ehemaligen Mitglieder der Aktionsgruppe Banat & Herta Müller. Dass er allerdings kein Scheuklappenintellektueller – trotz seiner Obsessionsthemen – ist, beweisen seine Essays über E. M. Cioran, Dieter Schlesak und Lucian Blaga. Mit der autobiographischen Reflexion „Wetterleuchten“ kommt ein Vertreter der Banater Seniorschriftsteller ebenfalls zum Thema „Zwischenräume“ zu Wort. Das ist Essayistik vom Feinsten, sprachlich wie thematisch. Dafür birgt schon der Name des Autors: Franz Heinz.

„Stafette“ – regelmäßig tagender deutschsprachiger Literaturkreis
Selbstredend, hier handelt es sich um die Lieblingsautoren Ingmar Brantschs. Und gerade darum bleibt schleierhaft, warum er nicht korrekturlesend eingegriffen hat. Es ist mittlerweile doch allbekannt, dass deutsche Druckerzeugnisse aus Rumänien voller Schreibfehler sind. Man tut besonders den oft noch blutjungen Talenten keinen Gefallen, wenn man sie „so“ in eine „Anthologie“ aufnimmt. Aber auch für die älteren Autoren dürfte dieser Sachverhalt frustrierend sein. Was man in Ricarda Maria Terschaks Prosatext „Vibrotte Schwarte“ erlebt, kann nur noch als haarsträubend apostrophiert werden. Schade, schade! Im Vergleich zu ihrem Romanfragment kommen die Stafette-Texte noch einigermaßen gut weg. Lucian M. Vărşăndan, Petra Curescu, Henrike Brădiceanu-Persem, Lorette Brădiceanu-Persem, Teodora Miu, Aurelia Bonchiş, Sandra Mann, Bianca Barbu, Andrei Cherăscu, Annemarie Podlipny-Hehn und Ignaz Bernhard Fischer wird’s freuen.

Verbundenheiten mit dem rumäniendeutschen Kulturraum...
Punkte, Punkte. Sie sind ausgewandert oder haben berufsmäßig mit der deutschen Literatur in/aus Rumänien zu tun: Eugen Christ, Horst Samson, Kristiane Kondrat alias Aloisia Bohn-Fabri, Armin Rückert, Walter Schankula, Dieter Michelbach, Gerhardt Csejka, Dr. Horst Fassel, Dr. Hans Dama, Dr. Hans Gehl, Dr. Ortfried Kotzian, Prof. Dr. h.c. Horst Förster. In diesem Schlusskapitel stehen sechs literaturwissenschaftlichen Beiträgen zwei Prosastücke und drei Gedichte gegenüber.

Es gab, gibt und wird kein Buch geben, das auf einhellige Zustimmung stoß, stößt oder stoßen wird. Dieses Schicksal ist auch diesem GUTTENBRUNNER BOTE beschieden. 50 Autoren verschiedenster Färbung auf 344 Seiten wirken hier faszinierend, interessant, aber auch langweilig und ermüdend. Was dem einen Leser zustößt, könnte bereits für den anderen eine erfreuliche Begegnung sein. Der Schreiber dieser Zeilen hat sich geärgert und gefreut, er war begeistert und blätterte vor, den Schluss herbeisehnend. Welcher CD-Sampler hält schon ein gleich hohes Niveau bis zum letzten Stück? Das gleiche gilt für Sammelbände. Bei diesem hier gilt eindeutig: Weniger wäre Mehr gewesen. Und nichts trifft auf diese „Zeitschrift-Anthologie“ besser zu als Marcel Reich-Ranickis: „Der Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Gedruckt wurde das Buch in der Druckerei des Cosmopolitan Art Verlags in Timişoara/Temeswar. Um noch eine Schlussfrage aufzuwerfen, sei auf folgende Auskunft der Herausgeber „in eigener Sache“ hingewiesen: „Die Literatur-Anthologie-Reihe GUTTENBRUNNER BOTE ist ein ehrenamtliches non-kommerzielles Projekt. Die Literaturschrift GUTTENBRUNNER BOTE ist nicht käuflich zu erwerben. Bei Interesse kann eine PDF-Datei in digitalisierter Form zugemailt werden. Bitte eine Mail an den Herausgeber mit der Betreffzeile „Anfrage zur PDF-Datei Guttenbrunner Bote“ senden. Print-Exemplare werden kostenlos an Bibliotheken versendet und, falls Spendengelder vorhanden sind, auch gratis an Interessenten weitergegeben.“ Leider ist in der ganzen Publikation nur eine Adresse auszumachen: Cosmopolitan Art, Timişoara, Str. Zugrav Nedelcu 7, Tel. 0256-493517. Ob dort allerdings die richtigen Ansprechpartner sitzen?

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