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Und ab damit ins Bücherregal
artikel [ Bücher ]
Die erste MATRIX des laufenden Jahres

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von [Delagiarmata ]

2015-06-19  |     | 



MATRIX – Zeitschrift für Literatur und Kunst, Nr. 1/2015 (39), POP-Verlag; Ludwigsburg, 2015, ISSN: 1861-8006; 242 Seiten, Euro [D] 12,--, Euro [AT] 12,40, SFr. [Ch] 17,90.

Die 39ste Literaturzeitschrift MATRIX ist auch die erste für das laufende Jahr. Und sie ist wie alle ihre Vorgänger mehr Lesebuch als Zeitschrift. Das gilt sowohl für das Format als auch für den Inhalt. Auch diese Ausgabe hat eine internationale Aufmachung. Gegliedert in sechs Kapitel, plus ein Editorial des Herausgebers Traian Pop zum Anfang, führt diese MATRIX zuerst in Die Welt und ihre Dichter.

Diese Welt ist ohne den rumänischen Dichter Mihai Eminescu (1850 – 1889) nicht denkbar. Schon darum nicht, weil jedes Volk seinen Vorzeigepoeten, pathetisch oft auch Nationaldichter genannt, hat. Was für die Deutschen zum Beispiel heute noch Goethe ist, das ist für die Rumänen Eminescu. Ihm sind hier zwei Essays von Christian Wilhelm Schenk und Simona-Grazia Dima gewidmet. Sie sind zusammen mit zwölf Eminescu-Gedichten unter die Überschrift gestellt Und wenn die Wolken weiterziehen: 165 Jahre Eminescu. Während Ch. W. Schenk sich vorwiegend der Biografie Eminescus mit den sehr interessanten und wohl auch inspirierenden Beziehungen zur deutschen Kultur zuwendet, geht. S.-G. Dima im wahrsten Sinne des Wortes ins Detail. Eminescu, Schopenhauer, Veda hat sie ihren Essay – mit spekulativen Momenten aus einem Forschungsbericht, den bestimmt noch nicht viele Literaturinteressierte und vielleicht sogar Wissenschaftler in irgendeiner Weise tangiert haben – betitelt.

Der zweite Teil dieses Lesebuches ist Dieter P. Meier-Lenz, er „wird 85“, vorbehalten. Dichter, Essayist, Herausgeber und „latenter Romantiker“, wie er selber von sich sagt, gehört Maier-Lenz zu den Leuten, die in der deutschen Literaturszene der Nachkriegszeit eine Spuren hinterlassende Rolle gespielt haben. Das ist besonders für seine Redakteurszeit bei der renommierten Literaturzeitschrift DIE HOREN gültig. Traian Pop kündigt im Editorial an: „Nicht nur mit seinen Gedichten, sondern auch mit einem kurzen Interview sowie einigen Essays, Prosabeiträgen und Bildern versuchen wir, Ihnen einen lebhaften Eindruck vom Autor und seinem Werk zu vermitteln.“ Der Versuch ist geglückt: eine interessante, abwechslungsreiche Lektüre. Und auch lehrreich, besonders wenn man den Mut aufbringt, das eine oder andere auf sich selber zu beziehen. So etwa in dem Kurzprosatext Die Alten: „Die Vergangenheit ist für sie die bessere Gegenwart. Deshalb leben sie in ihrer Erinnerung und tanzen Gedankenpirouetten durch die Kulissen ihrer Erlebnisse.“ Über Dieter P. Meier-Lenz und sein Werk liest man Beiträge von Traian Pop (Interview), Christoph Leisten, Jürgen Nendza, Johann P. Tammen, Theo Breuer, Barbara Zeizinger und Rainer Wedler.

Traumtänzer – Zurück in die Zukunft der 1990er Jahre nennt Theo Breuer eine sehr kurzweilige Analyse der etwas anderen Verlage als die uns zur Genüge aus den Buchläden – besonders der großen Buchmarktketten – bekannten. Und man liest da so Sachen wie: „Das hierzulande so beliebte Naserümpfen über den Eigenverlag, der nicht nur von V. O. Stompe als notwendiges Mittel der Eigeninitiative in einer auch in der Kultur stark von ‚Vitamin B‘ bestimmten Welt betrachtet wird, ist gerade bei einem nicht ‚marktkonformen‘ Dichter wie Tom Toys bzw. dessen Ganze & Garnix-Verlag vollkommen unangebracht.“

Wenn die fragende Person mit einem ausführlichen Themeneinstieg ihre Frage vorbereitet, liegt eine Abweichung (gewollt oder ungewollt) von einem Interview nahe. Wir lesen dann eher ein Gespräch. Als solches kann man auch den Dialog zwischen der dänischen Schriftstellerin Dorthe Nors und der rumänisch-deutschen (nicht rumäniendeutschen) Philologin Francisca Ricinski-Marienfeld nennen. Um dem Ganzen aber doch einen Interview-Anstrich zu geben, wird gleich am Anfang des Gesprächs präzisiert: „Francisca Ricinski fragt – Dorothea Nors antwortet.“ Wie auch immer; man erfährt (für uns Deutsche und auch Rumänen) so komische Sachen wie „dass die Friedhöfe in Kopenhagen von Leuten als Parks genutzt werden. Die Leute picknicken, spielen Federball, fahren Rad oder sonnen sich auf den Kopenhagener Friedhöfen – jedenfalls auf manchen von ihnen.“

Ulrich Bergmann war in China und hat die Erfahrung gemacht, dass die Frage, ob dieses Land auf der Suche nach der optima res publica ist, angebracht sei, wobei er schlussfolgert, dass, „wer den Gedanken der Selbstbestimmung eines Landes ernst meint“, auch akzeptieren muss, „dass andere Länder und Kulturen andere Gesellschaftssysteme entwickeln“. Das wollen in unseren Breitengraden wahrscheinlich viele nicht hören, aber so manches Unternehmen der westlichen Hemisphäre hat diese Sichtweise längst verinnerlicht. Sonst wäre es mit seiner Produktion ja nicht dort.

Dann treten wir als Leser ins Atelier, so die Überschrift des Kapitels mit vier Gedichten und zwei Prosastücken. Die vier Gedichte aus dem Inhaltsverzeichnis sind dann ab Seite 201 nur drei. Dafür aber umso lesenswerter. Gedichtet hat sie Michael Fruth. Und was schreibt er da? „Wir standen am Grabe von James Joyce / [...] / Und weil er einer meiner Wahlväter war in vaterloser Zeit.“ Also bitte! Als Lieblingschriftsteller könnte ich mir den Iren vorstellen, lässt sich über Geschmack doch nach wie vor trefflich streiten, aber als Vater ... na, ich weiß nicht.

Der erste Prosatext in der Werkstatt stammt von Rainer Wedler: Tu felix Austria oblivisce. Literatur zum Schmunzeln finde ich schon darum gut, weil sie sogar kranke Gemüter gesunden lassen kann. Dieses Stück Kurzprosa gehört zu dieser Art Literatur. Köstlich!

Ich hätte als Redakteur die Reihenfolge der Prosatexte dieses Kapitels umgedreht – um eben das Atelier fröhlich verlassen zu können. Aber so ... Leise Ränder ist ein sehr introvertierter Text von Willi van Hengel. Nicht dass ich diese Prosa der Innerlichkeit nicht mag. So schwer verständlich sie auch daherkommt, lässt sie doch ausreichend Deutungsräume, zu deren Ausfüllen man dann wiederum in entsprechender Stimmung sein sollte. Ich glaube, ich war es diesmal nicht. Aber darum ist MATRIX ja mehr Lesebuch als Zeitschrift und wandert ins Bücherregal und nicht in den Papierkorb. Also besteht immer noch die Möglichkeit zum Wiederlesen.

Auch das Bücherregal dieser MATRIX-Nummer ist gut gefüllt. Ja mehr noch, Ulrich Bergmann stellt uns sogar den Bonner Bücherschrank in der Poppelsdorfer Allee vor. Der hat dankenswerterweise noch Gesinnungsgenossen – ich meine den Schrank. In Bayreuth sah ich mal einen stehen und kürzlich sogar einen im Dinea-Restaurant im letzten Stockwerk des Ingolstädter Kaufhofs in der Fußgängerzone. Schmökern bei Kaffee & Kuchen: das höchste aller Gefühle für Leseratten, wenn ... ja wenn diese Kaufleute es mit ihrem Bücherschrank nicht ganz so uneigennützig meinen würden als die Aufsteller der Schränke in Bonn oder Bayreuth. Am Ingolstädter Bücherschrank hängt nämlich der Zettel mit dem Aufruf: „Kaffee und ein Buch für nur 3,50 €.“

Für den Leser rezensorisch aufbereitet werden in der vorliegenden MATRIX noch sechs Bücher und als Abschluss berichtet Henri-Paul Campbell vom deutsch-Arabischen-Lyrik-Salon. Dort kann man zurückblicken auf 10 Jahre Dialog der Poesien. Diese Dialoge sind „echte Begegnungen zwischen Kulturen, keine Lippenbekenntnisse“. Fouad El-Auwad heißt der syrische Lyriker, der den Deutsch-Arabischen-Lyrik-Salon in München ins Leben gerufen hat. Erhört wurde er schon von vielen Größen der zeitgenössischen Dichterlandschaft und „Autoren, die zwischen den Kulturen schreiben“ wie etwa „die in Aachen lebende tschechische Autorin Klára Hůrková, die in Frankfurt lebende Türkin Safiye Can, die Rumänin Francisca Ricinski und viele andere international wirkende Autoren“, heißt es in dem Beitrag.

Eine zweiseitige Fotocollage weist auf die Veranstaltungstermine des POP-Verlags (der MATRIX herausgibt) bei der Leipziger Buchmesse 2015 hin.

Gelesen. Das eine und andere noch mal überflogen. Und ab damit ins Bücherregal. Der Platz ist verdient, auch wenn ich mich ab und zu über Schreib- heute sind es die Tippfehler geärgert habe. Dabei nennt das Impressum von MATRIX Nr. 1/ 2015 (39) doch drei Namen von Korrektoren, die alles andere als einen schlechten Namen in der Literaturszene haben. Bei mir ist der Eindruck hängen geblieben, dass die zwei Damen und ihr Kollege nicht alle Texte gegengelesen haben.

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