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Die Sprache lügt nicht
persönlich [ Gedanken ]

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von [Myriel ]

2009-01-27  |     | 



Die Sprache lügt nicht

von Myriel



Mein Traum wäre ein Staat, in dem Sie Europäerin deutscher Abstammung sind, in dem ich Europäer französischer Abstammung bin. Das ist meine Vorstellung von einem echten Europäer, wie ich einer bin.
…………………………………………………………………………………………………...
Ich denke, es ist einfacher, eine partikulare Identität im Rahmen einer allgemeineren zum Ausdruck zu bringen, wenn es sich bei der allgemeinen nicht um eine nationale handelt.

Bernard-Henri Lévy


Hallo Europa. Mein Name ist Myriel und bin ein Bürger des europäischen Kontinents. Die Botschaft, die ich verbreiten will ist, dass eine tolle Zukunft vor uns steht. Es wird ja auch eine abenteuerliche sein. Meine Aussagen sind kein Witz, sie verkörpern die Wahrheit. Und um zu versuchen, Sie ein wenig davon zu überzeugen, würde ich Ihnen gerne eine Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte einer rumänischen Auswanderung und der Hindernisse, die man überwinden muss, wenn die Regierung eines Staates schlechte Entscheidungen für seine (Mit)Bürger trifft. So fängt für viele der Weg durch das dunkle Tal. Das Schlimmste daran ist, dass man keine Ahnung davon hat, wie lange diese Reise ins Ungewisse dauern wird.
Die Sprache soll man in den Dienst der Wahrheit stellen, egal wie bitter und unerträglich diese Wahrheit manchmal sein kann. Man wählt eine Sprache, in meinem Fall nicht meine eigene, und versucht das Erlebte wieder in Erinnerung zu rufen. Ich hätte all das so gut auf Rumänisch schreiben können, aber die ausgewählte Sprache symbolisiert auch, dass ich damit etwas beschreibe, was mir fremd ist, was mir fremd war. Mithilfe dieser Sprache will ich eine Geschichte bekannt machen, ihren wahren Charakter zeigen, und gleichzeitig eine Botschaft verbreiten: Nie wieder sinnlose und auf absurde Wege Auswanderung. Mithilfe der Sprache, die nie lügt ( man kann die Sprache verwenden, um zu lügen, aber die Sprache an sicht lügt nicht, sie enthält und enthüllt die Lüge), werde ich versuche eine wahre und in Erfolg verwandelte Geschichte zu erzählen.
„Die Verwaltung des Nichts“, so heißt eines der Bücher des zeitgenössischen deutschen Schriftstellers Martin Walser. Ich habe das Kapitel „Vokabular und Sprache“ gelesen und festgestellt, dass ich jetzt viel besser die Rolle der Sprache verstehen kann. Jede Sprache kann, durch ihr Vokabular, entfesseln, befreien, ermutigen, positive Gefühle auslösen oder amüsieren. Dies wäre die gute Seite der Sprache. Es gibt leider auch eine negative Seite von ihr. Durch ihr Vokabular, ist sie imstande traurig zu machen, zu fesseln, Angst einzujagen, durcheinander zu bringen oder zu entmutigen. In beiden Fällen, ist das Vokabular der Sprache aus einem guten Grund so benutzt. Irgendjemand, sogar ein System, will eine Änderung im Benehmen einer Person bewirken. Die erwünschte Änderung kommt auf das verwendete Vokabular an.
Vor kurzer Zeit sah ich auf „Arte“ einen Dokumentarfilm über den Juden Victor Klemperer, der den Namen „Die Sprache lügt nicht“ trägt. Victor Klemperer schrieb im Zeitraum 1933-1945 das benutzte Vokabular des Dritten Reiches nieder. Die Sprache lügt wirklich nicht: Volksfremd, Hakenkreuz, Artfremd, Aufziehen, Betriebsstelle, Angriff, Kampf um Deutschland, Erleben, Ewiges Volk, Evakuierungen, Holen, Melden, Rasse, Blut, usw.
Jedes System braucht für die Verbreitung seiner Botschaft ein bestimmtes Vokabular. Bei uns, in Rumänien, verunstaltete man die Sprache bis in die 90er Jahre in fast ähnlicher Weise. Die Kommunisten, genauso wie die Nationalsozialisten, waren diesbezüglich auf der gleichen Wellenlänge. Ich kann mich noch an das Vokabular erinnern, das die rumänische Gesellschaft Jahre lang geprägt hat: imperialism american, duşman capitalist, Karl Marx, Friedrich Engels, Lenin, J.V Stalin, victoria socialismului, bolşevism usw. Ein wenig später, in den 80er Jahren, wurde das Vokabular unserer Sprache noch mal entstellt, durch das Erscheinen neuer Begriffe, aber dieses Mal viel teuflischer als die ersten: cel mai iubit fiu al naÈ›iunii, geniul CarpaÈ›ilor, tovarăş/ă, trăiască Republica Socialistă România, marile realizări, cincinal, Casa Poporului, pionier, cravata roşie, uniformă, Partidul Comunist Român, bloc, colectiv, uzină, fabrică, program de sistematizare teritorială usw. In unserem Teil von Europa galt: „Willkommen in der Hölle, by-by gesundes Vokabular“.
Um unsere Sprache wieder gesund zu machen, um sie zu bereinigen, sehe ich nur noch eine Lösung und das ist die Lösung von Martin Walser: „Sprache wird offenbar immer dann zum Vokabular, wenn sie positiv werden soll“. Das Problem ist, und ausgerechnet das macht unsere Aufgabe viel schwieriger, dass die obengenannten Systeme schon existierende Begriffe verunstaltet haben, indem sie ihnen eine negative Konnotation (eine zweite Bedeutung) gegeben haben. Ich möchte meine Aussage anhand eines Beispiels verdeutlichen. Bis zum Mauerfall existierten in Westdeutschland und Ostdeutschland zwei Begriffe, um den Führerschein zu bezeichnen. Die Ostdeutschen, weil sie jede Verwechslung beseitigen wollten, nannten ihn „Fahrerlaubnis“. Die Westdeutschen hingegen, deren System sich schon kurz nach Kriegsende gelockert hatte, verwendeten weiterhin den Begriff „Führerschein“, ohne zu denken, dass er sich auf den ehemaligen „Führer“ beziehen könnte. „Sprache wird offenbar immer dann zum Vokabular, wenn sie positiv werden soll“. Wie kann ein verunstalteter Begriff wieder in seine alte positive Bedeutung einschlüpfen? Ich glaube die Rehabilitierung findet in unseren Köpfen statt.

Vokabular und Sprache in Rumänien nach 1989. Bei uns, nach der Revolution, tauchte Jahre lang eine Sprache mit einem komischen Vokabular auf. Ich könnte es zweifellos „ das Vokabular des zweiten rumänischen Desasters“ nennen. Es fällt mir schwer solche Wörter aufzuzählen. Sie sind durchtränkt von Leid, Chaos, Werteverlust, Sinnlosigkeiten, Trauer. Ãœberzeugen Sie sich selbst: a pleca, străinătate, bani, maşină, viză, haine, a râmâne, a nu se mai întoarce, lucruri din străinătate, succes în străinătate, pas sau paşaport, Germania, FranÈ›a, Italia, Spania, Irlanda, Statele Unite, Canada, Australia, uvm. Ich habe mir oft die Frage gestellt, welches Volk weltbürgerlicher ist, das Jüdische oder das Rumänische? Die Sprache mit diesem Vokabular trieb mich und andere Landsleute in den Wahnsinn. Dieses Vokabular nahm unsere Seele gefangen und sperrte sie in einem Käfig namens „Auswanderung“ ein. Ich brauchte lange Zeit, bis ich meine Seele aus diesem Käfig wieder befreien konnte. Martin Walter setzt fort: „Das nenne ich Vokabular. Jedes Wort ist nur sinnvoll, wenn ich die ganze überlieferte Christologie in jedem Wort mitklingen höre. Jedes Wort ist geladen mit einschlägiger Ãœberlieferung“. Dieses Zitat bedarf keiner Erklärung mehr. Sprache als Paradies nach der Bereinigung ihres Vokabulars. Wir, die Rumänen, haben eine wichtige Aufgabe. Und zwar die Gesundmachung oder die Abschaffung der Begriffe, die uns gefangen genommen haben, die unsere Seele in einem Käfig eingesperrt haben. Unsere Aufgabe ist weder einfach, noch unmöglich, dessen bin ich mir voll und ganz bewusst. „Sprache wird offenbar immer dann zum Vokabular, wenn sie positiv werden soll“. Wir sollen dieses nach 1989 entstandene Vokabular denunzieren und es mit allen Mitteln bekämpfen, bis er seine ursprüngliche Reinheit wiedererlangt. Ich nenne dieses Vokabular „das Paradox des rumänischen Volkes“. Unsere Sprache muss gerettet, bereinigt und wiederhergestellt werden. Begriffe wie: „ paşaport, viză, prelungire, permis de şedere“ haben für mich eine allzu negative Konnotation, deswegen ekelt es mich davor, sie auszusprechen oder sie zu hören. Diese Begriffe beschreiben eine anormale Entwicklung einer europäischen Gesellschaft. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden sie zu denunzieren.
Der rumänische Präsident Traian Băsescu hat Ende Januar 2007 vor dem Europäischen Parlament behauptet: „România aduce un suflu nou de aer în Uniunea europeană“. Das stimmt, nur dass unser Hauch völlig unterschiedlich von dem Hauch anderer Völker ist. Es reicht, wenn man nur einen einzigen Blick auf das Vokabular unserer Sprache wirft, um zu verstehen, was wir zu erzählen haben und wie wichtig unsere Aufgabe ist.
Die „Wegschauenpolitik“ hat funktioniert und tiefe Spuren hinterlassen in Europa. Und so war bei uns ein neues Vokabular entstanden. Die Sprache lügt nicht, sie ist der einzig wahre Beweis.



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