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Von den „ANSICHTEN eines Clowns“ zu den „Ansichten eines CLOWNS“
essay [ ]
(Einführung in die Soteriologie des postmodernen Menschen)

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von [Stuparu ]

2006-09-10  |     | 




Es ist schon bemerkt worden, daß in den Seiten des Romans Ansichten eines Clowns man eine scharfe Kritik der Nachkriegsgesellschaft finden kann, insbesondere in bezug auf die steife Moral der Katholischen Kirche, als diese dem Verfasser bekannt war. Offenkundig, die möglichen Betrachtungen in der Auslegung des Buches sind zahlreicher. Der Aufsatzperspektive, die wir dem Leser hiezu anbieten, liegt ein Gedanke zugrunde, der durch Heidegger berühmt worden ist: der Akzent auf einem Wort eines Syntagmas wird auf das andere desgleichen bewegt.

Die Kabbala behauptet, daß die Entwicklung der Menschheit eine Rückbildung genannt werden kann, indem die Aufmerksamkeit des Menschen von der Antike bis in die Moderne von „Mi“ (wer, hebr.) auf „Ma“ (was) gelenkt wurde, das heißt vom Schöpfer auf das Geschöpf. Im gegenwärtigen Versuch werden wir den Blick eher auf die urteilende Instanz, die im Roman ihre Ansichten aufführt, wenden.

Die hauptsächliche Frage lautet: aus welchem Grund entschied Böll, die Figur des Clowns zu benutzen? Warum hat Böll nämlich den Clown ausgewählt, wenn eine Gesellschaftskritik von jeder anderen Sozialschicht ausgeübt werden kann? Hans Schnier, der Held des Romans, hätte genausogut ein Arzt, Mechaniker, Geistlicher, Bankier oder Matrose sein können. Wieso gerade Clown? Man könnte erwidern: „Der Verfasser hat mehr oder weniger auf zufälligerweise gehandelt, seine Auswahl wäre nur noch ein Beweis für die Sinnlosigkeit eines willkürlichen Charakters, letztendlich ist viel wichtiger was die Hauptfigur uns mitteilt, nicht wie die aussieht etc.” Das wäre aber eine frivole Stellung gegenüber einer wichtigen, unbeantworteten Frage. Deswegen gehen wir davon aus, daß Böll echten Grund hatte, diese Sozialmaske und nicht eine andere, auszuwählen. Böll war eigentlich ein Gelehrter, der aber seine Gelehrsamkeit sehr klug zu verhehlen wußte.

Wenn wir uns ein wenig genauer die Semantik des Hauptwortes „Clown“ ansehen, fällt uns ein, daß die Moderne Wahrnehmung dessen, unaussprechlich verarmt, ist nur ein entfernter Verwandte einer älteren sozialen Rolle, welche inzwischen, innerhalb der industrialisierten und säkularisierten Gesellschaft, ist zu einer Art Steinbock geworden, Gegenstand der Ironie und Gelächter: der Zirkusclown. Im Laufe des Mittelalters aber, d.h., zwischen der Aufbauung des Westlichen Römischen Reiches unter Otto dem Großen und dem Untergang des lateinischen Kaiserreiches anläßlich des Niederganges von Konstantinopel, der Clown als Gesellschaftsakteur hat immer eine besondere Rolle gespielt.

Damals war der Narr oder der Saltimbank eine Sozialfigur die eine spezielle Funktion erfüllte: dem war einerseits schwer sich in die Gesellschaft zu integrieren – eine Sache, die ihm eine ungewöhnliche Objektivität verlieh – und andererseits war der auch, durch Anspielungen, Witzen, manchmal auch anhand von Akrobatik und Pantomime, beauftragt, in der Gegenwart der Diener eines Hofes Kritik an den König auszuüben; gleichzeitig war er der Einzige, der sich so was leisten konnte, ohne dafür bestraft zu werden, egal wie unverschämt seine Witzen waren, weil man immer davon ausging, der sei verrückt. da verba volant und scripta manent aber, die Moderne kennt den mittelalterlichen Clown besser von Shakespeares Stücken: König Lears Narr, Touchstone aus Wie Ihr wollt, Feste (Die zwölfte nacht) oder Falstaff (Henric IV).

Im Lichte des obigvorgetragenen, scheint uns klar zu sein, daß Böll eigentlich seinem Held eine einzigartige Stellung leihen wollte, die einzige vorteilhafte Stellung in einer kranken Welt – die Stellung des Clowns, desjenigen Charakter aus den platonischen Gesprächen gleich, ironievoll und schlau, anscheinend anspruchslos, listig aber und gefährlich, der Sokrates hieß. Denn genauso wie Dürrenmatt irgendwo behauptet (Die Physiker), „entweder bleiben wir im Irrenhaus, oder die Welt wird eines”: in einer Welt, die den Kontakt mit all den echten Werten verloren hat, der einzige Ort wo man seine innere Gesundheit aufbewahren kann ist das Irrenhaus, der Ort in dem das Subjekt, als kritisches Gewissen, als Verrückten angesehen wird.

Der Held Bölls wird zur nüchternen und kaustischen Instanz einer Gesellschaft, die ihre Torheit so ernst genommen hat, daß sie diese mit ihrer moralischen und geistigen Gesundheit verwechselt. Unser Held ist folgendermaßen ein Gleichnis, genauso wie Gleichnisse auch andere wichtige Anspielungen im Roman sind: der Clown Hans Schnier sagt von sich selbst, daß er kein religiöser Kerl wäre, und fügt gleich danach hinzu, was er darunter versteht: daß er keiner Kirche steuerpflichtig sei; die katholischen Litaneien hülfen ihm aber manchmal, seine Depression zu überwinden. An einer anderen Stelle, der Clown beschreibt eine Pantomimenummer, in der er sich nach Hause kehrt mit einem Schlüsselring, worauf unzählige Eisschlüssel sich befinden, die eine nach dem anderen verschmelzen, als er den richtigen zu finden versucht.

Hier kann alles allegorisch oder als Metapher ausgelegt werden: das Haus ist dasjenige, das vom verlorenen Sohn, Vertreter einer kranken Welt, verlassen, und dann wiedergefunden wird (teshuvah hebr., d.h. Reue als Wiederkehr verstanden). Die Schlüssel, die einer nach dem anderen verschmelzen, sind Lösungen und Gelegenheiten, die der moderne Mensch übersieht, bis er keine Chance mehr hat, eine bessere Welt aus der gegenwärtigen zu schöpfen. Wir sind also der Meinung, daß der Roman auch diesen Blick beinhaltet, der auf die Instanz, die Meinungen und Ansichten äußert, gerichtet wird.

Die Funktion des mittelalterlichen Narren war, als raisonneur zu wirken, weil, genauso wie Shaw irgendwo meint, „ein vernünftiger Mensch versucht, sich an die Welt anzupassen, weil ein Unvernünftiger versucht, die Welt an seine Person zu fügen. Deswegen, jede Fortschrittsmöglichkeit hängt vom unvernünftigen Menschen ab“. Avataren des mittelalterlichen Narren finden wir in der Dramaturgiegeschichte in Comedia dell’Arte (Arlecchino, Scaramouche etc.), bei Moliere (Scapins Schelmenstreiche), oder Goldoni und später bei Samuel Beckett (Endspiel, Warten auf Godot), Dario Fo (Der zufälliger Tod eines Anarchisten) oder, durch Kollektivcharakter, bei Dürrenmatt (Die Physiker) oder Jean Anouilh (Bal der Diebe).

In Prosa, bei Sebastian Brant (Das Narrenschiff), Erasmus (Lob der Torheit), Rabelais (Gargantua, Pantagruel), oder beim romantischen Dichter E.T.A. Hoffmann (dessen werke Heine einst, „ein entsetzlicher Schrei in zwanzig Bänden“ nannte), finden wir das selbe Thema bewertet: wir beziehen uns auf die Lebensansichten des Kater Murr, oder auf Klein Zaches genannt Zinnober, den wir verkleidet und klug verborgen in Günther Grass Blechtrommel finden, unter der Maske des Oskar Mazerath – der Held einer Welt in mancher Hinsicht nicht viel verschieden von der, des Kleinen Prinz (Saint-Exupery).

Den mittelalterlichen Narren treffen wir nicht zuletzt im Okkultismus (Beweis dafür, daß das Thema viel tiefer ist, als man beim ersten Blick zu glauben vermag), genauer gesagt im Kartenspiel des Tarot (lebendige Metapher der mittelalterlichen Welt und Gesellschaft); die Fachliteratur auf diesem Gebiet (laut, inter alia, Levi, Papus, Wirth, Guaita, Waite usw.) hat die Wichtigkeit des Narren im Kartenspiel, bzw. in der Gesellschaft, die das Spiel widerspiegelt, wiederholt unterstrichen. (Im Kartenspiel des Tarots wirkt der Narr immer als Gleichgewichtsfaktor durch seine destabilisierende Funktion im Hinblick auf dürren, steifen Strukturen auf einem psychologischen oder sozialen Niveau, und in Verbindung mit dem alchemischen Merkur steht, im Gegenteil zu dem fixierenden Sulphur. Hieronymus Bosch übernahm dies Symbol in die Figur des verlorenen Sohnes in sein berühmtes Gemälde, Der Landstreicher.)

Die Bibliographie, die dem Thema des Narren im Mittelalter im allgemeinen oder im Theater Shakespeares ins besondere gewidmet ist, ist umfangreich (e.g., Robert Armin, Fools and Jesters; Robert Goldsmith, Shakespeare's Wise Fools; Bente Videbaek, The Stage Clown In Shakespeare's Theatre; Leslie Hotson, Shakespeare’s Motley; David Wiles, Shakespeare's Clown; B. Swain, Fools and Folly during the Middle Ages and the Renaissance; E. Welsford, The Fool: his Social and Literary History, Roberta Mullini, Playing the Fool etc.) Die Studien, die eine klare Verbindung zwischen dem Roman Bölls und diesem Thema festlegen, sind selten, und in der Regel beschränken sie sich auf einzige Bemerkungen (z.B., Agosti Vera, La figura del clown, metafora della condizione umana).

Aus diesen Gründen sind wir der Meinung, daß man einen aufmerksameren Blick auf die Metapher werfen sollte, die vom Böll in diesem Buch dissimuliert ist, und die gleichzeitig so evident da steht, daß sie meistens übersieht wird. Wie Conan Doyle durch den Mund seines berühmten Detektiven einmal sagte, „nichts ist trügerischer, als eine öffentliche Tatsache”.

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