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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2004-07-16 | |
„Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr“ und der Ankündigung, dass man „Dorothees Geschichte nicht als einen Bericht auffassen“ müsse, hat mein Freund mir ein Buch geschickt. Der Vollständigkeit halber: Dorothee ist seine Tochter, und seine Frau, also Dorothees Mutter, mir auch bekannt. Dorothee ist gerade mal 13 Jahre alt und als sie das niederschrieb, was ich nicht als Realität auffassen soll, war sie noch ein oder vielleicht sogar zwei Jahre jünger. Nun waren wir „Alten“ immerhin 13 Jahre lang in derselben Klasse und können ein Augenzwinkern zwischen den Zeilen natürlich noch erkennen, auch wenn uns in diesen Tagen immerhin 30 Jahre von unserem letzten gemeinsamen Schultag trennen.
„Hier hält mich nichts mehr!“, titelt Dorothee E. Hoffmann vom Rudi-Stephan-Gymnasium aus der Rheinstadt Worms und was ich lese, verschlägt mir schlicht und einfach die Sprache. Mutter ist „die Alte“, der Modest-Mussorgski-besessene Lehrer „der Typ“, die alte Nachbarin am Krückenstock eine „Hexe“. Es wird gemeckert, gemein gegrinst, gelästert und gebrüllt, geschrieen, geheult und schließlich abgehauen. In den sich unkontrollierbar aufstauenden Gefühlswallungen avanciert „die Alte“ sogar zu einem „hirnlosen, herzlosen Monster“. Ich schreibe hier über ein Essay von einer so erschlagenden Aufrichtigkeit und einem so verblüffend routinierten Sprachgebrauch, dass ich ihm ohne Vorbehalte in jedem seriösen Feuilleton oder einer soziologischen Blumenlese hätte begegnen können. Das Frappierendste an diesem Text ist aber der ihm anhaftende Erkenntniszwang. Ich „musste“ einfach zurückdenken. Solche oder ähnliche Gedanken spuckten doch auch in meinem Kinderkopf, wenn die Erwachsenen mich mal wieder nach ihren eigenen Weltbildern formen wollten. Und noch schlimmer: Müssen meine Kinder nicht oft auch so von mir gedacht haben oder ab und zu noch immer denken? Nur konnte ich das Kindliche damals vor etwa 40 Jahren nicht artikulieren und wollte oder konnte viel später dann mein Vatersein nicht in eine vernünftige Relation zu den Gefühlswelten meiner Kinder bringen. Auch wenn man diesen schonungslosen Text dann mit etwas Abstand betrachtet, muss man ihm so manche Eigenschaften zugestehen, die man eigentlich von Arbeiten anerkannter Literaten erwartet. Besonders beeindruckend ist dieser begangene Weg der Innerlichkeit. Die „Stimmen“ aus der Tiefe der Seele – auch der kindlichen, aber beileibe nicht nur – sind eine literarisch hervorragend gestaltete Paraphrasierung psychologischer Prozesse. „Sophia“, die Weisheit, „Patricia“, die Edle, und „Verena“, die Zurückhaltende, sie alle wohnen uns trotz allem inne. Weitere 49 Texte gruppiert nach fünf Themenbereichen füllen diese Anthologie. Ein Internet-Buch, könnte man sagen. Der Internet-Buchhändler amazon.de und der Verlag Beltz & Gelberg haben einen Schreibwettbewerb für 5- bis 7-Klässler ausgelobt. 3000 Texte gingen per elektronischer Post ein. 50 davon schafften den Sprung in die vorliegende Blumenlese. Schon die Themenüberschriften zeigen uns, dass da die Vertreter/innen einer Generation zum Stift und in die Tasten gegriffen haben, die sich der Problematik ihrer erst sehr kurzen Existenz voll bewusst sind. Um die zukünftige Schreiberzunft braucht es uns also nicht bange sein, auch wenn oder gerade weil nichts beschönigt wird, wenn „Mücken, Wahnsinn und meine Eltern“ (Isabel Neitzel, 11 Jahre alt) so schrecklich aktuell sind. Und meinem Freund kann ich versichern: Ich habe deinen Wink verstanden. Ob wir uns bei diesem Alter allerdings noch ändern wollen, können, werden? Diese Kinder sind uns eben entwachsen wie wir einst unseren Eltern auch. Nur scheint der Unterschied zwischen den Generationen etwas ausgeprägter zu sein. Aber selbst das hängt von den jeweils individuellen Wahrnehmungsmustern ab. Anthologie: Du bist drin! Geschichten im Netz – Die schönsten Geschichten aus dem Internet-Erzählwettbewerb von amazon.de und Beltz & Gelberg; Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz – Weinheim, Basel, Berlin, 2003; ISBN 3 407 786123 |
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