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■ Gedanken am Abend
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2006-08-06 | |
Was macht Christian Lombardi, wenn er nicht gerade als 2. Dirigent am Pult des Bundespolizeiorchesters München steht, oder nicht mit Musikarrangements beschäftigt ist, oder nicht ein Konzertstück mit der Blaskapelle Schweitenkirchen einübt, oder nicht gerade als 1. Dirigent das Audi-Werkorchester dirigiert, oder nicht mit Oboenrohren experimentiert, oder nicht eben mal als Oboe-Solist in einem Konzert auf der Bühne steht, oder....? Na klar, er erzählt Märchen.
„Die Polizei, dein Freund und Helfer“, ist ein bekannter Slogan in deutschen Landen. Damit ist nicht mehr und nicht weniger als das Prinzip „Aufklärung als Prävention“ gemeint, das sich dann in angemessener Präsenz von Polizeibeamtinnen und –beamten in Diskos, Schulen und in Märchenstunden niederschlägt. Die erste Ferienwoche in Bayern brachte den Kindern im oberbayerischen Schweitenkirchen eine angenehme Überraschung. „Das Dschungelbuch“ war angesagt, mit dem Bundespolizeiorchester München, unter der Stabführung Stefan Webers und mit dem Sprecher Christian Lombardi. Dass man sich davon einen guten Start ins bevorstehende Wochenende versprach, belegte der gute Besuch dieser Freitagnachmittagsveranstaltung in der Sporthalle der Hauptschule. Die Kleinen hatten sich gleich vorne postiert: liegend, sitzend, stehend und auch herumspringend; dahinter saßen schön brav die Eltern, Großeltern und größeren Geschwister. Was folgte, war im wahrsten Sinne des Wortes ein Musterlehrstück aus dem unendlichen Fundus der Musikerziehung. Stefan Weber entpuppte sich nicht nur als sicherer Dirigent eines hervorragend disponierten symphonischen Blasorchesters (mit einem Kontrabass), sondern auch als pädagogisch bestens beschlagener Präsentator seines Klangkörpers. Es gelang ihm im Handumdrehen, die unruhige Schar vor dem Orchesterpodest zu fesseln und zum informativen Mitmachen zu animieren. Wer kennt dieses Instrument und wer jenes aus der Gruppe des glänzenden Blechs oder aus der Reihe der Holzbläser? Wie heißt das größte Instrument oder das kleinste, „unsere kleine Tochter“. Händchen schnellten in die Höhe. Die Tuba erkannten alle und nach einem kurzen Raten sogar das Piccolo. Etwas schwieriger wurde es beim Fagott, der Oboe und, oh weh, beim Euphonium, dem „Schönspieler“. Aber erkannt wurden letztendlich alle, wie natürlich auch die elektronisch eingespielten Stimmen der Dschungelbuchhelden, und spätestens als der Dirigent mit der wuseligen Kinderschlange hinter sich durch die Sitzblöcke der Erwachsenen einen Urwaldstrip veranstaltete – natürlich auf Colonel Hathis Marsch -, war die emotionale indische Urwaldtemperatur erreicht und die Geschichte des Menschenjungen Mogli aus der Sicht des Panthers Baghira konnte beginnen. Christian Lombardi trat ans Rednerpult. Seine weiche, etwas angeraute Märchenstimme fesselte auch die Unruhigsten zu seinen Füßen. Der ewige Kampf des Guten gegen das Böse beflügelte die Kinderphantasien. Mit zurückhaltendem, aber trotzdem inhaltuntermalendem Gestus nahm der Sprecher die Dschungelbuchhelden in den Raum. Stefan Weber hatte währenddessen die Zügel seines Orchesters fest in der Hand. Wie dynamisch ein großes Bläserensemble überhaupt agieren kann, wurde besonders immer dann deutlich, wenn die Musik die Rolle der musikalischen Untermalung für die Märchenstimme Lombardis zu übernehmen hatte. Die Verständlichkeit der Worte hatte kaum zu leiden und wenn das eine oder andere Wort dann doch unter dem Klangteppich zu verschwinden drohte, hatte das auch viel mit der Sporthallenakustik zu tun. Es hallt und schallt nun mal ab und zu, na eben wie im Urwald. Sowohl Rudyard Kipling als auch Walt Disney und seine musikalischen Mitstreiter Richard M. Sherman und Robert B. Sherman hätten bestimmt ihre Freude an dieser konzertanten und rezitatorischen Aufführung ihres „The Jungle Book“ gehabt. Die kleinen und großen Kinder – zum Schluss wurden auch die Ältesten wieder Kinder – waren auf jeden Fall voll auf ihre Kosten gekommen. Ihre Zugabenrufe sollten aber nicht erhört werden. Statt dessen wurden sie eingeladen, sich doch selbst an den großen, kleinen und mittelgroßen Blech- Holz- und Schlagzeuginstrumenten zu versuchen. Das wirkte wie ein Sturm-Blasen. Im Nu war die Bühne von einer wissbegierigen und experimentierfreudigen Kinderschar besetzt. Ein Mädchen hatte sofort den begehrten Platz am Schlagzeug erobert und legte entfesselt los. Die hat Rhythmusgefühl, stellte eine staunende Dame beim Verlassen der Halle fest. Von einer fernseh- und computersüchtigen Generation war an diesem Nachmittag in der Schweitenkirchener Schulsporthalle nichts zu spüren. Man muss den Kindern nur etwas bieten. Ihre zeitweise Aufnahmebereitschaft – da waren etliche dem Windelalter noch gar nicht entwachsen – und besonders die spontanen Reaktionen auf rhythmisch prägnante Orchesterpassagen waren schon beeindruckend. Der Eintritt zu diesem Konzert war natürlich (oder auch nicht natürlich?!) frei. Wären nur alle Steuergelder in diesem Land so märchenhaft sinnvoll angelegt! |
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