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Mitredenkönnen
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Kolumne 60

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von [Delagiarmata ]

2008-09-16  |     | 



Allerorts beklagen sich die Menschen über Kontaktarmut. Wie sollten sie auch nicht? Wo doch so viel passiert!

Was waren das für paradiesische Zeiten? Zum Beispiel im Staate Ceauşescus. Zwei Stunden am Tag Fernsehsendung. Von 19 bis 21 Uhr. Oder so ähnlich. Nachrichten über das Wohlergehen des Diktatorehepaars, zwei drei Wertschätzungstelegramme seitens der Werktätigen für den geliebtesten Sohn des Volkes, ein, zwei patriotische Lieder, ein sowjetischer Film mit Untertitel, dann ... Fernsehfeierabend.

Am folgenden Tag da warst du Mensch. Ausgeschlafen und fähig, an deinem Arbeitsplatz mitzureden. Das wohldosierte Fernsehangebot vom Vorabend hatte einen ausgleichenden Gerechtigkeitscharakter. Alle konnten mitreden oder zumindest die, deren Stromversorgung eine Fernseheinschaltung ermöglicht hatte. Falls es überhaupt etwas darüber zu sagen gab, wohlgemerkt. (Neul Bernard & Virgil Ierunca & Monica Lovinescu & Co. machten dem Staatsfernsehen immerhin erhebliche Konkurrenz aus dem französischen & deutschen Exil.)

Und heute? Mit meinen jämmerlichen etwas über 30 TV-Kanälen, die mein Kabelanbieter mir zur Verfügung stellt, bin ich regelrecht informationsgehandikapt. Meine Schwiegermutter schaut über Satellit Al Jazira. Man stelle sich das mal vor, als Schwiegersohn dauernd in die Röhre zu gucken und nicht mitreden zu können.

Dann erst die Arbeitskollegen. Du kannst anschauen, wen du willst. Ob das Gottschalk, Jauch, Will oder irgendein Philosoph auf Bayern Alpha ist, keiner der Kollegen geht auf dein Thema ein. Wie sollen sie auch? Jeder hat etwas Anderes, Wichtigeres, Interessanteres etc. gesehen.

Wenn du während deines Erzählens genau hinschaust – falls du das in deinem Wiedergabeeifer überhaupt noch kannst -, wirst du bemerken, dass die Blicke deines Gegenübers deinen Kopf umkreisen. Er hört dir gar nicht zu. Er lauert nur auf den Augenblick, dich unterbrechen zu können, um dir im schlimmsten Fall auch noch zu sagen, dass er viel Interessanteres, wirklich Bildendes, also weit über deinem Niveau Liegendes angeschaut habe. Da sage noch einer das Bildungsbürgertum wäre längst tot.

Nein, es redet nur unentwegt aneinander vorbei ins Leere. Eine ziemlich laute Form der Nichtkommunikation hat sich ausgebreitet. Jeder hat etwas Wichtiges zu sagen. Keinen interessiert es.

Noch mal: Wie war das doch zu Ceauşescus Zeiten? Alle konnten mitreden. Aber es gab kaum etwas zu sagen. Und bei dem Wenigen musste man noch aufpassen, wie man es sagte. Aber immerhin, man hatte das mit der Zeit gelernt, man wusste, was man in der oder in jener Diskussionsrunde wie zum Ausdruck bringen musste, um nicht Gefahr zu laufen, verpetzt zu werden. Zumindest hatten alle einen annähernd gleichen Kenntnisstand – wenn auch auf einem sehr bescheidenen Level - und das war doch schon mal eine Diskussionsbasis. Na also, da schimpfe noch mal einer über die vielgeliebte Ostalgie. Es war doch so schön!

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