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Zum Glück ist man mit seinen Naupen nie allein
artikel [ Kultur ]
Kolumne 86

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von [Delagiarmata ]

2011-09-01  |     | 



„Ich besitze fünfzigtausend Bücher.“ Natürlich nicht meine Wenigkeit, sondern Umberto Eco (*1932). Das hat er Frau Felicitas von Lovenberg erzählt (FAZ, 11.12.2010). Er ist ja auch Schriftsteller und Professor und Büchersammler. Ich auch – aber nur Letzteres. Und er hat noch gesagt, dass das Sammeln für ihn kein Problem ist, da die Bücher „meist in großer Zahl ohnehin ungebeten eintreffen. Das Problem ist eher, wie man sie wieder los wird.“

Schau her, was für Gemeinsamkeiten mit dem großen Umberto Eco. Mit kleinen Unterschieden: Er trinkt Whisky und ich Milch. Aber beide viel – immerhin. Auch muss ich mir meine Bücher selbst kaufen. Und eine Etymologiae des Isidor von Sevilla habe ich auch nicht. Außer Geld würde mir diese Inkunabel aus dem Jahre 1473 auch nichts bringen, da ich Lateinisch – in der Sprache sie, wie ich annehme, geschrieben ist – sowieso nicht verstehe.

Es ist schon eine verrückte Leidenschaft, dieses Büchersammeln. Auf jeden Fall verrückt genug, um darüber ein Buch zu schreiben. Der Verlagsberater, Autor, Herausgeber und Literaturkritiker Klaus Walther (*1937) hat eins geschrieben: Bücher sammeln.

Man erfährt darin, dass Umberto Eco noch eine ganze Reihe prominenter Sammler-Leidensgefährten hat oder hatte. Ernst Jünger (1895 – 1998) war einer von ihnen. „Ob die Zahl [seiner] Bücher fünfzehntausend oder zwanzigtausend betrugen“, wusste er nicht genau.

Und doch bleibt Büchersammeln ein eher extravagantes Hobby, nicht nur wenn es um teure alte Schriften geht, sondern auch um den Raum, besser gesagt, die Räumlichkeiten, um diese Massen an Büchern, die jeder Sammler gerne lesen würde, es aber natürlich in einem Menschenleben nicht schafft, unterzubringen. Da ist dann auch schon mal die Rede von einer „siebzigtausendbändigen Bibliothek des 1997 verstorbenen Wirtschaftsprofessors Jürgen Kuczynski“.

Beruhigend wirkt dann doch auf einen das Kapitel Meine Bestseller, in dem der Leser erfährt, dass auch ein Fachmann in Sachen Büchersammeln Allerweltsdrucke in seinen Regalen stehen hat. Ja, damit hat bei Klaus Walther alles begonnen: Robinson Crusoe. Aus dieser Zeit hält er fest: „Von Karl May zu Joseph Conrad, von Jules Verne zu Stanislaw Lem, es waren Lesestationen, die mir Bilder von der Welt wiesen, wie ich sie anderswo nicht bekam. Die Sehnsucht nach der Ferne nahm wohl auch zu, weil die Möglichkeiten des Reisens in der damaligen DDR sehr begrenzt waren.“

Das kann ich als Banater Schwabe gut nachvollziehen. Warum diese Tugend aus der Not aber dann doch in eine bei einigen suchtartige Leidenschaft ausartet, kann Klaus Walther auch nicht erklären. Ist ja auch nicht so wichtig. Hauptsache, man ist als Büchernarr kein Exote. Es gibt genug Gleichgesinnte, ganz verschiedenartige. Wer es nicht glaubt, sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen.

Und jetzt packt mich doch die Neugierde. Welches Buch ist das älteste in meinem Regal? Gefunden. Es ist ein Versuch in gemischten Gedichten von J. M. Weissegger, „gedruckt mit Schulzisch-Gastheimischen Schriften“ – was immer das auch bedeuten mag -, 1781 in Wien. Auf dem ersten, leeren, Blatt des Büchleins steht mit Tintenbleistift in großer, dicker Handschrift geschrieben: „Wendling Petru, Reg. 10, Vanatori, Bad II. Comp 5 Tighina Basarabia“. Auf der Titelseite steht mit Tintenfeder in Sütterlinschrift geschrieben: „Wendling Petru 1929 // Tighina 25 XII 1929“. Und auf der letzten, auch leeren Seite des Büchleins lese ich, wieder mit Tintenschrift festgehalten, folgenden Eintrag: „Wendling Petru, Jud Timis-Torontal, Com. Giarmata, Banad.“

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Das letzte Gedicht dieses Büchleins trägt den Titel Gelegenheits Ode 1779 mit dem Vermerk, quasi als Untertitel, Als in Graz ein öffentlicher Büchersaal feyerlich sollte eröfnet werden. Zwei Strophen gehen so: „Wenn im kühleren Ost glänzet des Tages Aug; / Wenns am schwillen Mittag feurige Strahlen schießt; / Wenn in Westen es blinkt, lobet Theresien, / Lob’t, und singet in vollem Chor: / Dank // Dank dir! Erhabene Fürstinn! / Du hast uns – dich segne dein Urbild dafür // Hellere Tage für Enkel und Enkel / Und reinere Freuden geschenket.“

Wieso dieses Büchlein überhaupt in meiner Bibliothek – viel kleiner als die Umberto Ecos oder Klaus Walthers – steht? Meine Frau ist die Enkelin dieses Wendling Petru, und mit Theresien ist keine Geringere als Maria Theresia gemeint. Wer gerne Zusammenhänge konstruiert, kann dies jetzt tun.


Klaus Walther: Bücher sammeln; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG, München 2004; ISBN 3-423-34142-4; € 8,- [D]

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