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1. LOVE, Eine weite Reise in drei Akten
prosa [ ]
Akt 1- Wie das Ausland und seine Ausländer riechen

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von [NSD ]

2004-10-21  |     | 



Brüssel, Herbst 2001


Es gibt drei Aufzüge in unserem Studentenheim: jeder riecht nach einem anderen Essen. Das hängt von der Tageszeit ab, zu der sie im zweiten Stock waren, denn dort wird ununterbrochen deftig gekocht. Wenn ich von meinen Kunstkursen nach Hause komme, sind alle meine Sinne zugespitzt. Da kann ich sofort sagen: -Oha, Bratwurst mit Bratkartoffeln und dreifach gebratenes Bratfett aus einer geschmolzenen Mehrwegflasche. Da warte ich lieber auf leichte Krabben-Rangoon mit Salat! Aber es gibt auch Tage, an denen es in meine Schuhe geregnet hat und ich im Bus mit dem Rücken zur Fahrtrichtung gesessen bin. Dann sage ich mir: -Zum Teufel mit dem Bratdampf, ich warte nicht mehr auf andere Aufzüge! Und eines kann ich feststellen: Immer wenn ich schlecht gelaunt bin, kommt der Bratdampf-Aufzug.
Was aber ist morgens, wenn ich noch in unbestimmter Laune halb schlummere? Da meide ich den Bratdampf-Aufzug, um mir ja nicht meine Stimmung zu verderben. Meistens riechen die Morgenaufzüge nach Waschpulver. Nur samstags bis montags nach Gras und Schweiß. Nun bin ich aber mit einem schlechten Gewissen aufgewacht. Alles hat mit einer Frage nach Tomatensoße angefangen. „Wo finde ich die italienische Tomatensoße in den billigen Kartonpackungen?“ Statt einer Antwort hat mich der dürre Idries vom dritten Stock geküsst. Ein Raucherkuss, der nach verbrannten Auberginenschalen geschmeckt hat. Meine Mutti hat immer Auberginen verbrannt und die aschige Schale weggeschmissen. Ich habe die ganze Nacht mit Zahncreme im Mund geschlafen, aber Idries' verbrannten Kuss konnte ich trotzdem nicht loswerden. Da habe ich gar nicht mehr im Bett geschlafen. Ich habe mein Bettzeug auf dem harten, geruchlosen Boden ausgebreitet.

Und jetzt morgens wieder der Bratdampf-Aufzug! Da habe ich die Treppen genommen, bin gerannt und erst auf dem Markt stehen geblieben. “Allez, profitez”, rufen da die Verkäufer. Und alles riecht frisch, nach Regen - die Menschenmengen, die Äpfel und die sauberen Tüten. Es kribbelt eine angenehme, geruchneutralisierende Kälte. Da bin ich wieder aufgepeppt.

Zu Hause erwartet mich ein Anruf. „Hallo... hmmmm...“ Da ist jemand, der meinen Namen vergessen hat. Meine Mutti hat mich immer wieder gewarnt: „Bleibe nicht lange in dieser stinkigen Stadt, sonst vergessen dich bald alle guten Jungs von zu Hause!“
Der mich vergessen hat, ist mein Nachbar Alexandru, der Herzensbrecher unseres Bezirks. Ich glaube nicht, dass er mich vergessen hat, er will sicher nur angeben! Es sind noch keine zwei Jahre her, da wollte er mich heiraten. Aber es ist wahr, er hat mich damals nie beim Namen genannt. Also „Hallo...hmmmm...hmmmm... ich war kurz in Brüssel... konnte dich nicht finden...“ Er hat mir ein Päckchen von meinen Eltern im Hotel Vendome hinterlassen.

Und zu diesem Zeitpunkt ruft Boico an, ein Bulgare, mit dem ich im Kinepolis arbeite. „Tu veus spazieren gehen?“ – „Ja, komm, ich zeig dir bis wohin!“ Ich kann mich nicht erinnern, Boico je bei Tageslicht gesehen zu haben. Er ist immer eine verschwommene Kontur von Schattenspielen. Entweder ersetzt er irgendwelche Filmrollen, oder fährt gerade mit dem Auto durch einen Tunnel. Er ruft mich immer an, wenn ich gerade auf den Aufzug warte. Und erscheint zehn Minuten nach dem Gespräch.
Er kommt also auch diesmal. Mit seinem staubigen Auto, auf dem ihm ein Arbeitskollege „Boico – Champion“ geschrieben hat. Da sind nun auch ein paar Herzchen drauf – die hat sich sicher Boico selber gezeichnet. Effektiv wie immer, hat Boico die Karte mit allen Hotels mitgebracht. Nun fahren wir wieder durch einen Tunnel. Und in dem hypnotischen Schattenspiel kann ich Boico mein Herz öffnen: „Boico, weißt du, was mir Zehra gesagt hat, als sie die Karte meiner Heimat gesehen hat ? Sie hat gesagt, die schaut aus wie ein misslungener Fisch!“ – „Die ist ein wohlgeformter Fisch, glaub mir!“ flüstert Boico im Dunkeln.

Am späten Nachmittag spaziere ich mit meinem Päckchen ins Studentenheim. Aus Versehen erwische ich wieder den Bratdampf-Aufzug! Aber glücklicherweise treffe ich meine freundliche Nachbarin Jana. Heute abend geht sie mit M. auf eine Party. „Weißt du, er ist kein Homo!“
Das weiss ich nicht, denn wir sprechen nicht mehr miteinander.

Am Abend besuchen mich meine Nachbarinnen Güler und Sehra. Auch sie gehen mit M. auf eine Party. Ob ich ihnen etwas Schickes zum Anziehen borgen könnte? Ich wusste gar nicht, dass mein Parfum so stark riechen kann! Habe ich auch Haarspray? Sehra nimmt ihr Kopftuch ab, sie darf sonst nicht in die Disco. Haide, sie hat die ganze Fahrt Mohammeds in den siebten Himmel gefastet, was zählen dagegen paar Stunden! Habe ich auch eine passende blaue Tasche? Teschekür, ich bin eine Süße! Sie kommen schnell und erzählen mir M's Party in allen Einzelheiten!

Ich kann nicht mehr lernen, mein Kopf schwirrt von so vielen Gerüchen. Der Pullover aus dem Päckchen meiner Eltern roch so fein, und nun ist alles weg! Ich lege mein Bettzeug auf den Fußboden und versuche zu schlafen. Da kommt die Thailänderin Id, eine kleinwüchsige Nachbarin. Sie bringt mir drei Räucherstäbchen. Ich soll sie anzünden und mir etwas wünschen.

Die Räucherstäbchen sind nicht ausgebrannt, da kommt eine Delegation Nachbarn und lädt mich zu einer Party ein. Zu einer Küchenparty. Mit Radiomusik, denn sie haben keinen Kassettenrekorder gefunden. Wir springen um eine Kerze herum, bis ein Tansanier das Licht aufdreht: „Tea?“

Danach wollten wir heiße Rythmen heraufbeschwören, aber das kleine Radio hat unerwartet versagt. Es war entweder ein Second-Hand-Gerät, oder das Wetter hat die Wellenlängen verstört. Wir haben nur noch einen rauschenden Schlagersender empfangen können. In einem langsamen Kreistanz haben wir uns umarmt und unsere Stirnen aneinandergestützt. Und als es uns schwindlig wurde, haben wir beschlossen, in die Stadt zu fahren.

Nach diesem Entschluss sind wir mehr dreißig geworden. Allein zwanzig waren nur die Spanier, die zweistimmig "mi amor, escucha me bien!" gesungen haben - Sopran neben dem Fahrer, Alt -und ein bisschen besoffen - auf den Rücksitzen. Da waren auch die zwei sexy Norwegerinnen, die immer verschlafen aussehen. Die konnten nur den Refrain von „We all live in a yellow submarine!“. Das wurde also mehrmals gesungen, bis zur Haltestelle, wo wir aussteigen mussten. Hier habe ich auch den Engländer Daniel entdeckt, dessen BBC-Akzent seiner Frage "helau! is er a parti?" mit jedem Samstag beliebter wurde. Da ist auch Jana erschienen und hat mich stockbetrunken attackiert: „Iesenin, you know, Ieseniin!“ Sie ist also nicht mehr mit M. ausgegangen! Und Hunderte Deutsche, Franzosen, Marokkaner und Portugiesen sind plötzlich zu einem lauten, unüberschaubaren Haufen verschmolzen.

In der Dunkelheit wurden dann alle durch die ganze Stadt verweht... zum Kirschenbier in der Bar mit den hängenden Motorrädern, in die Salsa-Disco, wo einigen die Geldbörse geklaut wurde, zum Sternezählen in der klirrend-kalten Nacht, dann wieder im Che-Havana-Club beim bildhübschen Saxofonisten im weissen Hemd... Eigentlich waren wir alle an denselben Orten, nur in anderer Reihenfolge. Wir waren alle im Lokal mit den französischen Geschichtsbüchern an den Wänden, sind alle in die orientalischen Kissen versunken und haben alle den Apfelrauch der Nargilea tief eingeatmet. Da haben wir wehmütig an «Le Sud» gedacht, wo die Bauchtänzerin mit großem Skandal gefeuert wurde und man nun einen zu hohen Eintrittspreis bezahlen muss. Wir haben dann trotzig im «Celtica» getanzt, auf irgendwelchen Fässern. Ich denke immer noch, dass drin Sauerkraut war, obwohl viele behaupten, es sei Bier gewesen. Ich meine trotzdem, dass ein sauerkrautartiger Duft bei mir der letzte war. Danach wurde meine Nase immun. Wir haben getanzt, da wurden die Schweinwerfer immer blasser und die Lichtpannen immer häufiger.

Plötzlich bin ich stehen geblieben und habe einem Mann in schwarzer Halloween-Schleife, der mich die ganze Nacht verfolgt hat, einen Faustschlag in den Magen versetzt. Danach haben die Spanierinnen wieder einen Kreistanz begonnen und ich mit ihnen. Und wir haben uns die Stirnen geküsst und die Wangen und die Haare. Und Jana weinte indessen auf der Schulter eines kahlen Belgiers. Danach ist alles zum Brei geworden, mein Make-Up ist zerflossen und wir haben in der U-Bahn geschlafen, und im Bus, und im Gehen.

Ich bin erst im Studentenheim wach geworden, als ich den Aufzug verließ und mir klar geworden ist, dass ich keinen Geruch wahrgenommen habe. Da habe ich Koen mit seiner dampfenden Kaffeetasse gesehen: „Waarom sucht ihr so weit, wenn ich ein Disco in meinem Zimmer gebaut habe?“
Koen hat tatsächlich das Bett aus seinem Zimmer auseinandergenommen und mit den Holzstangen ein Zelt gebastelt, auf dem «Disco-Bar» steht. Ich bin nie reingegangen, aber die ist eng wie eine Aufzug-Schachtel. Ich denke, dass nur Koen allein reinpasst. Eventuell noch mit einer Pfanne Bratwurst und Bratkartoffeln.



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