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Gheorghe Craciun: Ein wahrer Dichter ist ein unheilbarer Masochist
essay [ ]
(Ein Gespräch mit Gheorghe Craciun)

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von [Stuparu ]

2007-07-12  |     | 



Gheorghe Crăciuns Tod läßt keinen von uns mehr daran zweifeln: er war der klügste Dichter der Generation der '80er Jahren. Er hat Gedichte, Kurzprosa und Romane geschrieben, die Literatur theoretisiert, er ist Verlagleiter gewesen, hat sich auch der Publizistik gewidmet, und in Kronstadt hat er les belles lettres gelehrt. Er war ein vollkommener Dichter, mit einem klaren und verantwortlichen literarischen Gewissen. Das folgende Gespräch, das im Sommer letzten Jahres aufgenommen wurde, war für mich eine zusätzliche Gelegenheit, ihn als bescheidenen und diskreten Menschen wiederzufinden, sensibel und von einer unaussprechlichen Höflichkeit. Sein voreiliger Tod findet mich – den Kritiker seiner Bücher und gleichzeitig Quartalsnachbar - traurig und trostlos.

Marius Chivu

***

Gheorghe Crăciuns Roman, "Pupa russa" (Humanitas, 2004), ist einer der unbestreitbaren Erfolge der rumänischen Prosa der Gegenwart, ein gelungenes Comeback eines der besten Prosaschriftsteller, die in den '80 Jahren debütierten. Dem Roman ist obendrein der Preis für Prosa der Literaturzeitschrift "Das Wort" und der Romanpreis des Rumänischen Schriftstellervereins verliehen worden. Im vergangenen Jahr war Gheorghe Crăciun Mitglied jener Gruppe der 12 rumänischen Dichter, die in Frankreich anwesend waren im Rahmen des Programms "Les Belles Étrangères"; seine Kurzgeschichten wurden in die folgenden Anthologien aufgenommen: Top 22. Teil II. The only way is up (Aramo) und Les Belles Étrangères. Douze écrivains roumains (L'Inventaire). Bei der jüngsten Bookfest-Buchmesse lancierte er den Bekenntnisband "Der Leib weiß es besser. Falsches Tagebuch zur Pupa russa" (Paralela 45), währenddessen sein Aufsatz "Der Eisberg der modernen Dichtung" gerade ins Französische übertragen wird.

***

Marius Chivu: An einer Stelle behaupten Sie, daß "der Dichter das Ungeheuer in uns allen" wäre. Dann sagen Sie aber, daß Ihnen das Böse widerstrebt, genausoviel als "die gesellschaftliche Negativität des Lebens". Was für ein Dichter sind Sie eigentlich?

Gheorghe Crăciun: Ich vermute, ich bin ein gewöhnlicher Schriftsteller, im starken Sinne des Wortes. Ich bin kein selbstgefälliger Autor, kein Sonntagsdichter. Das soll jedoch nicht bedeuten, daß ich die Freude oder das Vergnügen am Leben wegen der Literatur zwischen Klammern setze. Ich bin davon überzeugt, daß ein echter Schriftsteller ein unheilbarer Masochist ist. Und weil er sich ernst nimmt, muß er gleichzeitig sich darüber freuen und darunter leiden. Was das Ungeheuer anbelangt - das in jedem von uns verborgenen steckt, aber insbesondere im Wesen des Dichters -, hier sollten wir vielleicht auf die Etymologie des Wortes achten. Alles, was sich der Welt völlig offenbart, in der ganzen Nacktheit seiner Erscheinungen, gut oder schlecht, ist auf diese oder jene Weise ein Ungeheuer (erschreckend, unerträglich, aber auch – das galt für die alten Römer wenigstens – verwunderlich, faszinierend). Im allgemeinen, der Mensch wird zu einem solchen Ungeheuer, wenn ihm die eigene Natur aus der Hand rutscht, und über die Grenzen der allgemein akzeptierten Moral hinaus geht. Wir wissen aber nur zu gut, daß diese Moral in den meisten Fällen philisterhaft, glatt und stumpfsinnig ist. Im Vergleich mit dieser Moral, werden „Helden“ wie Hamlet oder Madame Bovary, zum Beispiel, immer als menschliche Ungeheuer wahrgenommen. Der allgemeine Mensch gibt acht auf die allgemeingeltenden Regeln des Zusammenlebens, welches ein Kampf ist, um gleichzeitig das innerliche Gleichgewicht und einen anständigen Ruf in der Gesellschaft beizubehalten, also ein ständiger existentieller Kompromiß. Nach meiner Sicht kann sich ein Schriftsteller so was nicht leisten. Die Sorge um ein öffentliches Bild, mit dem man vor den anderen treten darf, ist schon Beweis genug, daß man sich belügen möchte, daß man bereit ist, auf einen Teil seines Wesens zu verzichten, und eigentlich, daß man sich nicht wirklich um seine inneren Krisen, Komplexen und Lakunen kümmert. Und weil ich die zwei Beispiele aufgeführt habe, würde ich gerne hinzufügen, daß sich in jedem wahren Schriftsteller sowohl ein Hamlet als auch eine Madame Bovary verstecken. Aber aus dem ungeheuerlichen „Leiden“ des Dichters wird ein neues Leben geboren. Der Schriftsteller ist ein ausgefallener Emporkömmling. Es ist verständlich, daß dieser Ruf des Einzelnen, der sich die Warzen aufs Gesicht stellt, (denken Sie an Rimbauds Ansicht über die Bestimmung des Dichters) oder des Performers, der sich die Warzen vom Antlitz mit der Klinge abschneidet - wie ich einmal sagte – in mancher Hinsicht sich „mit dem Bösen und der Negativität des sozialen Lebens“ ernährt. Das Böse in dir ist das Böse der negativen Erkenntnis. Man schreibt und versucht, davon loszukommen. Der literarischen Moderne liegt ein Gedanke zugrunde, an den ich bis heute noch glaube: "Das Ich ist unwürdig und häßlich". Daher wahrscheinlich die Ungeheuernatur des Dichters.

M.C.: Sie sagten, daß Sie die Literaturtheorie innerlich irgendwie gelähmt hat, daß sie Sie entpersonalisiert und in einen Literaturhandwerker transformiert hat. Das hat mich an Jean Paulhan erinnert, der sagte, daß die intelligenten Schriftsteller immer dazu neigen, eine kalte, ja gerade minderwertige Art von Literatur zu schreiben. Sind Sie eigentlich mit ihrem Schreiben zufrieden? Sind ihre Bücher Ihnen treu?

G.C.: Es ist wahr, daß die Theorie und im allgemeinen die Texte, die mit der Literatur prinzipiell nichts zu tun haben, mir als Schriftsteller eher geschadet haben. Leider lassen mich sowohl mein lebenslanger „offizieller“ Beruf (die Professur) als auch mein kühnes literarisches Gewissen nicht, mich ohne Hemmungen ruhig meinem Prosaschreiben zu widmen. Ich hatte, soviel muß ich zugestehen, nicht nur einmal das Gefühl, daß der Schriftsteller in mir Gefahr läuft, in billige Handwerkerei zu geraten, genauer gesagt, in eine rhetorische Stereotypie. Ich begann, Verdacht zu schöpfen - verzeih mir die Selbstüberheblichkeit -, daß ich zu gut schreibe, daß ich zu viel weiß, über die Art, auf die ein gutes Buch geschrieben werden kann, "kalt und minderwertig" – wenn ich, durch deine Bemerkung, Paulhans Worte wiederholen darf. Aber wozu solche Bücher, kann man sich fragen? Warum sollte man, als guter kalkulierter Profi – was der Dichter heutzutage geworden ist -, den Literaturhunger eines Publikums ernähren, das nach Fiktion, Erzählung, billige und vergehende Neuigkeit und allerlei telenovelistischen Idealen hungert? Ich bin der Meinung, daß ich, durch die Ziele, die ich mir gesetzt habe, ein etwas unzeitgemäßer Dichter bin. Ich bin vielleicht dieser verspätete Modernist, der die Gestalt, die Konstruktion und die Teleologie – wie Aristoteles sagt - des Textes, die ästhetische Dauerhaftigkeit des literarischen Textes zuviel schätzt. Nichtsdestotrotz, bin ich immer auf der Suche nach neuen Formen der erzählerischen Geronnenheit meiner Phantasien. Was die Bücher, die ich schrieb, angeht, die sind mir nicht im Geringsten loyal gewesen, es kann nicht einmal die Rede davon sein! Aber ihre Untreue ist das Triebwerk meines noch immer möglichen Donjuanismus. Weil ich ihnen auch nicht treu bleiben kann. Ich bin ein Feinschmecker und ein Leckermaul des endlosen Textualisierens des Lebens. Das scheint vielleicht teuer gesagt, aber es ist einfach wahr.

M.C.: Sie sind also dieser introvertierte, metareflexive Prosaschriftsteller, der sich im Grunde genommen zu wenig mit dem Epischen beschäftigt. Wie überleben Sie, unter solchen Umständen, ohne zu erzählen?

G.C.: Obwohl ich mir wünschte, was Anderes zu glauben, das Epische scheint mir eher banal. Eine Erzählung, die sich auf die Tatsachen beschränkt, ist für einen Prosadichter eine Einladung zur Selbstfolterung. Ich kann nicht klipp und klar behaupten, daß ich überhaupt das Epische nicht mag, aber die zu offensichtlichen epischen Strukturen kann ich bestimmt nicht leiden. Mir gefällt die Dichtheit des Textes, seine Leiblichkeit. Ich weiß, daß ich ein Schriftsteller bin, mit einer ziemlich geringen erzählerischen Einbildung. Ich bemühe mich über den Berg zu kommen, finde jedoch heraus, daß meine Fähigkeiten sich eher in der Richtung der beschreibenden Erzählung bewegen, gegen einen romanesken Leitfaden, der sowohl die Subjektivierung, als auch die Analyse, das Stehenbleiben, die Vertiefung der wiedergegebenen Tatsachen durch bedeutsame Einzelheiten unterstützt. Letztendlich, überlebe ich wie eben nur möglich, multipliziert durch meine Helden, weil diese, genau so wie ich, unter dem Laster der existentiellen Myopie leiden und ihnen es nicht gelingt - vielleicht mit einer einzigen Ausnahme, Leontina, die Hauptfigur meines Romans, "Pupa russa" – ihr Leben in eine Erzählung umzuwandeln.

(Dilemateca, nr. 4/2006)

Aus dem Rumänischen übertragen von Daniel Stuparu

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