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Klangbilder mit Seltenheitswert
artikel [ Kultur ]
Tatjana Vassilieva und Aydar Gaynullin waren Gäste des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt

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von [Delagiarmata ]

2009-03-05  |     | 



„Ich lade Sie ein, mit uns gemeinsam dem Ewig-Weiblichen in der Musik nachzugehen. Lassen Sie sich hinan ziehen von einem außergewöhnlichen Programm, international bekannten Solistinnen und Solisten sowie den Musikerinnen und Musikern des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt.“ Signiert: Ariel Zuckermann. Der Chefdirigent des Ingolstädter Orchesters hat das Programm der Georgier für 2009 unter das Goethe-Motto „Das Ewig Weibliche zieht uns hinan“ gestellt. Das ist eine fürwahr hochgelegte Stakete, doch angesichts der restlos gelungenen Emanzipation der Frau in der Musik eine durchaus realistische Zielvorgabe.

Das fünfte Konzert dieses Jahres begann folgerichtig dann auch gleich mit dem Werk einer Komponistin, die als leuchtendes Beispiel für diese Entwicklung betrachtet werden darf: Sofia Gubaidulina. Die 1931 in Tatarstan (eine autonome Republik Russlands) geborene und seit 1992 in Deutschland lebende Komponistin hat ein reiches Œvre klassischer Werke geschaffen und immer wieder begegnet man dabei dem Bajan, ein in Russland beliebtes chromatisches Knopfakkordeon. Das Instrument teilt sich den Solopart auch mit dem Cello und der Geige.

Sieben Worte für Bajan, Violoncello und Streichorchester hieß der erste Programmpunkt des Ingolstädter Kammerorchesters. Abendländische Kultur heißt auch Christentum und zu dessen Selbstverständnis gehören die „Sieben letzten Worte Jesu am Kreuz“. Es handelt sich eigentlich um sieben von Jesus während seiner Kreuzigung ausgesprochene Sätze. Erster Satz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ ... ... ... ... ... Siebter Satz: „Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist.“

Was nicht zu erwarten war, trat auch nicht ein: vorerst kein Orchestereinsatz, Stille, aus der das weinende Violoncello sich auf tiefem Harmoniegrund des Bajans einen Weg ans Licht bahnt. Und wenn das Orchester dann kommt, ähnelt seine Klangfärbung verblüffend dem charakteristischen Akkordeonklang. Welch kompositorische Meisterleistung. Doch es verschwindet wieder und lässt die Soloinstrumente allein: Jesus (Violoncello) und Gottvater (Bajan). Sieben Sätze am Kreuz bleiben sieben Sätze im Stück. Letztere sind aber nicht immer klar getrennt. Auch das Sterben kennt keine klaren Strukturen. Und das Orchester sieht zu und staunt, leise mit aus dem Nichts kommenden Tonstrukturen, die sich von der Geige, über die Bratsche, das Cello und den Kontrabass wieder ins Dunkel der Mystik verlieren. Die Soloinstrumente tragen ihren Disput weiter aus. Ewig scheint das Verharren auf einem Knopf des Bajans, tief, tiefer geht es kaum, dann rasen die Finger über die Knöpfe in schwindelerregende Höhen, dem sterbenden Pianissimo folgt ein höllischer Akkordschlag – drei Oktaven kann der Spieler mit einer Hand greifen -, der schließlich in ein schmerzhaftes Ächzen übergeht. Das ist Herzweh, instrumental so perfekt artikuliert, als wäre es eine Menschenstimme. Aber keine Melodie. Nur Zuckungen. Töne. Harmonien. Bestimmend und begleitend. Das Gehörte erinnert an Ligetis Toncluster. Schwer wie die Exegese selbst. Musiktheologie könnte man sagen. Nicht jedermanns Sache. Der spärliche Applaus lässt diese Schlussfolgerung zu, denn: Tatjana Vassilieva am Violoncello und Aydar Gaynullin am Bajan waren meisterhaft und die Georgier agierten wie üblich sehr souverän mit diesem intonationsmäßig außerordentlich schweren Stück.

Mit einer Sinfonie Joseph Haydns (1732 – 1809) begann das Georgische Kammerorchester den zweiten Konzertteil. 104 Sinfonien soll Franz Joseph Haydn geschrieben haben. So ganz genau weiß man das nicht. Trauer heißt die Nr. 44. Sie ist 1772 entstanden und, wie der Titel es vermuten lässt, in Moll komponiert: e-moll. Der Burgenländer Joseph Haydn war Kapellmeister auf Lebzeiten beim Fürsten Esterházy. Er war als „Hausoffizier“ und „Bedienten zur Musik“ eingestuft.

Der Haydnforscher Karl Geiringer hat die Haydn-Sinfonien in vier Schaffensperioden eingeteilt: Sinfonien der Vorbereitungszeit, Sinfonien der mittleren Periode, Sinfonien der Reifezeit und Sinfonien der letzten Meisterschaft. Die Trauersinfonie gehört zur mittleren, der so genannten „Sturm-und-Drang-Periode“ (1771 – 1780). Als Haydn diese Sinfonie auf Gut Esterházy komponierte, war er ein junger Mann. Da mutet es schon etwas merkwürdig an, dass er den zweiten Satz (Adagio) angeblich für seine eigene Trauerfeier ausgesucht hatte. Dass dann bei seiner Beisetzung ein Mozart-Stück gespielt wurde, wird wohl ein Zugeständnis an den musikalischen Zeitgeist gewesen sein.

Irgendwie fällt es einem auch schwer an Trauermusik zu denken, wenn man diese Sinfonie hört. Ariel Zuckermann hat auch nicht versucht, das dominierend Weltliche aus diesem Werk zu verwischen. Selbst im zweiten Satz, beim Erklingen eines wunderschönen Gänsehautthemas, sekundiert von einem fantastisch weichen und sehr hohen Horneinsatz, kommen keine Todesgedanken auf. Der Komponist stand anscheinend noch viel zu sehr im Leben, um sich seine Bestattung vorzubereiten. Zum Glück war das eine misslungene Geschichte, die uns eine hörenswerte und auch sehenswerte Sinfonie beschert hat. Die Frasierungen dieses Themas zeigen aber auch diesmal zum wiederholten Male, wie schwierig es ist, langsame Melodien zu spielen. Es stellt sich auch hier die Frage, ob man eine einzige Intonationsschwäche als erwähnenswert einstufen darf. Das würde wohl eher einem überheblichen Kritikergehabe gleichkommen und das unverwechselbare Live-Erlebnis eines solchen Konzertabends erheblich schmälern.

Auch im dritten Satz ist von echter Trauer keine Spur. Es geht flott zur Sache. Ariel Zuckermann hat die Zügel aber straff in den Händen. Dieser Dirigent ist eine anmutige Erscheinung. Seine körperliche Geschmeidigkeit fließt über den Taktstock ins Orchester. Verve und Eleganz machen sein Agieren zum visuellen Musikerlebnis.

Auch das Bandoneon ist ein Knopfhandzuginstrument. Obzwar eine deutsche Erfindung, Heinrich Band (1821 – 1860), wird es weithin als südamerikanisches Tango-Instrument empfunden; bestimmt nicht zu Unrecht, denn der Tango Nueva ist ohne dieses Instrument nicht denkbar. Als Weiterentwicklung des Tango Argentino hat der neue Tango den Weg in die Klassik gefunden, dank großer Meister des Bandoneons. Astor Piazzolla (1921 – 1992) ist einer dieser Künstler, die diesem Instrument mit konzertanten Tangomelodien und –rhythmen den Weg in die Konzertsäle geebnet haben.

Er war nicht nur ein Virtuose auf diesem Instrument, sondern hat auch wegweisende Kompositionen geschaffen. Concerto Aconcagua für Bandoneon und Orchester stand als letztes Stück auf dem Programm. So wie man sich einen getanzten Tango ohne das „Ewig-Weibliche“ nicht vorstellen kann und beides mit symbiosenhafter Schönheit verbindet, so wartet man auch in einem Piazzolla-Konzert für Bandoneon auf lyrische Passagen, die man einfach mit dem Begriff „schön“ umschreibt, sie einfach nur empfindet, ohne sie zu analysieren.

Und wirklich, besonders im Moderato (2. Teil) kommt der Genießer voll auf seine Rechnung. Streicher und Harfe legen für wenige Takte ihre Zurückhaltung ab und das Bajan, dem Bandoneon klanglich schon sehr ähnlich, das bisher (Allegro marcato) eine vor Selbstbewusstsein strotzende Solistenrolle gespielt hat, zeigt eine bewundernswerte Demut vor der Schönheit der Streicherklänge und spielt zurückhaltend eine Melodie mit, die sofort das unvergessliche Bild des in die Unendlichkeit der Prärie reitenden Winnetou heraufbeschwört. Unwillkürlich fragt man sich, wer wohl wessen Musik zuerst gehört hat: Martin Böttcher die Piazzollas oder umgekehrt. Doch der Spuck ist leider allzu schnell vorbei.

Die Entschädigung dafür liegt im ... Tango. Er klingt an, wird deutlicher und ist zum Schluss des Satzes klar als solcher erkennbar. Und auch der dritte Satz endet trotz des Prestos mit einem eher melancholisch klingenden Tango. Man wünscht sich, er möge nie enden.

Ein Weltklasseorchester mit einem beeindruckenden Dirigenten, ein genialer Bajanspieler, Aydar Gaynullin, & eine gefühlsbetont spielende Violoncellistin, Tatjana Vassilieva, (mit je einer Solozugabe) sowie ein anfangs unterkühltes und sich dann zu wahrer Euphorie steigerndes Publikum, mehr kann man sich für einen gelungenen Konzertabend nicht wünschen. Ein solcher war der Donnerstagabend, des 26. Februar 2009 im Festsaal des Theaters Ingolstadt.

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