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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2018-07-20 | |
Feridun Zaimoglu: Leyla (Roman); S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2008; 528 Seiten; ISBN 978-3-596-17621-2; 9,95 € (D)
Mir fiel beim Lesen dieses Romans immer wieder mal George Coşbucs Gedicht La oglinda – Am Spiegel ein. Nicht nur weil ich es aus einem Lehrbuch der rumänischen Sprache (die Klasse habe ich vergessen) in Erinnerung habe, sondern weil es sich bei diesen Versen um beispielhafte Natur- und rurale Liebeslyrik handelt. Dasselbe könnte man ein wenig abgewandelt von Feridun Zaimoglus Prosa sagen: bestechende Natur- und kleinstädtische Liebesepik. Ein Mädchen auf der Suche nach Erklärungen. Wenn … Ja, wenn nicht diese unerträgliche Familiensituation da wäre. Sie, die Familiensituation, ist immer gegenwärtig, Tag und Nacht, verstärkt durch die Präsensform des Romans. Leyla erzählt ihre Geschichte, ihre Kindheit, ihre Pubertät, ihre Frauwerdung, ihre Mutterwerdung … und das alles unter der erbärmlichen Vormundschaftsknute eines unmenschlichen Vaters. Feridun Zaimoglu hat heuer die Rede zur Literatur bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur (Bachmannpreis) gehalten. Ein vibrierender sozialkritischer Text, in dem es an einer Stelle heißt: „Verlassen sind die Frauen. Sie leben in der größten Lüge des Mannes, dass es seine Bestimmung sei, zu führen, zu lenken und zu herrschen. Im Krieg hat sie nicht von der Tugend zu weichen. In friedlichen Zeiten hat sie Zuversicht auszustrahlen.“ Genau das verkörpert Leylas Mutter, Emine, der ruhende und stets opferbereite Pol einer Familie, in der jedwede Liebesregung von unsäglichem Hass erdrückt wird. Zaimoglu schreibt weiter in seiner Rede: „Die Welt ist schlecht, weil die Männer nicht ohne Gewalt glauben leben zu können. Sie sind niederträchtig, weil sie die Schlechtigkeit im Fleisch der Frau vermuten.“ Genau diese Charakterzüge eines primitiven Mannsbildes schockieren den Leser in Leyla. Was ist das für ein Vater, der seine fünf Kinder „Hundebrut“, „Hundsgeburt“, „Bolschewistensamen“, „Teufel“, „kleine Götzen“ usw. nennt? Seine Frau ist für ihn „eine Hurenjungfer“, „ein Aas“, ein „gebuckeltes Weib“ und das Ziel weiterer Beschimpfungen. Dieses traurige Familiendrama findet in einer türkischen Kleinstadt im Osten des Landes, dort wo Türken, Exiltschetschenen und Kurden sich den Alltag teilen müssen, statt. Feridun Zaimoglu zeichnet mit klaren Konturen – er erzählt ohne viel zu philosophieren und zu analysieren - das Bild einer Gesellschaft, die sich in ihrer eigenen Haut nicht wohlfühlt. Sie ist belastet von der Vergangenheit, von Morden und Vergewaltigungen, und sucht ihr Heil im Westen: in Istanbul oder noch weiter in Deutschland, „im anderen Land“. Der 1964 im anatolischen Bolu geborene Feridun Zaimoglu hat diesen türkischen Stoff in 34 Kapiteln bearbeitet. Was uns so fremd und lebensfern vorkommt, ist in Teilen der Türkei noch immer Alltag. Aber trotz aller altertümlich anmutenden Familien- und Gesellschaftsregeln gibt es immer - wie verstohlene Blicke in den Spiegel - Fragen nach dem eigenen Ich und dem spürbaren Streben nach einem anderen, besseren Leben. Und nach Liebe – auch wenn sie in diesem Roman noch nicht erwidert wird. Sie bleibt ein Wunschtraum wie bei George Coşbucs Mädchen Am Spiegel: „Was soll ich machen? Wonach steht mir der Sinn? / Schnell, was ich auch tragen will, / Muss verschlossen bleiben im Schrank. / Schmuck runter! Spiegel an der Wand! / Was hab ich vergessen? Verschlossen die Tür / Zum Gang.“ (letzte Strophe aus Am Spiegel).
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