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Doch (k)eine Brücke?
prosa [ ]

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von [elienne ]

2008-11-22  |     | 



Da war er. Saß auf der Brücke und wartete auf sie.
Sie konnte noch nicht seine Gesichtszüge erkennen, sie war noch zu weit entfernt. Sie näherte sich der Brücke, da läutete die Klosteruhr siebenmal. Die Luft war kühl, am Tage hatte es geregnet und die Hitze des Vortages war abgekühlt. Jetzt konnte sie sehen was er anhatte: eine schwarze Hose und ein weißes Hemd. Und sie konnte auch erkennen, dass er keine Brille trug, er sah irgendwie anders aus als auf dem ihr bekannten Passbild.

In ihrer letzten Mail hatte sie ihn gefragt, ob er bereit wäre, im Regen barfuß zu laufen, so wie in ihrem Profil stand: „Ich möchte noch im warmen Sommerregen barfuß laufen.... aber nicht alleine..“
Und da war er, dieser Kindskopf, wartete barfuß sitzend auf dem Brückengeländer.
- Hallo, Elise.
- Hallo, Heinrich.
Sie gaben sich die Hand.
- Du bist ganz pünktlich. Fast auf die Sekunde.
- Und du hast auf mich gewartet. Sie konnte ein Lächeln nicht aufhalten, beim Anblick seiner Füße, die aus seiner schwarzen Hose, neugierig mit all den 10 Zähen herumblickten.
- Du hast geschrieben, wir laufen barfuß durch den Regen.
- Ja, habe ich, aber jetzt regnet es nicht mehr. Vielleicht ein anderes Mal.
- Die sind für dich!, sagte er und gab ihr einen Blumenstrauß.
Sie nahm ihn und bedankte sich, konnte aber den Gedanken nicht unterdrücken, er hätte, statt eines so großen und bunten Straußes, ihr nur eine einzige Blume bringen sollen.
- Ich bringe die Blumen zum Auto und du ziehst deine Schuhe an.
- Aber du kommst zurück, versprichst du, dass du zurückkommst? Bitte!
- Ich bringe nur die Blumen weg. Ich komme zurück.

Sie lief zu ihrem, etwas abseits geparkten Auto und legte den Blumenstrauß auf den Beifahrersitz.
„Es wird nichts“, dachte sie, „ich weiß es, und er weiß es auch, ich habe doch gewusst, dass es zu nichts führt, er ist es nicht. Schade, er schreibt so toll. Ich gebe ihm noch eine Stunde“.
Sie lief zurück zur Brücke, er kam ihr schon entgegen, diesmal mit beschuhten Füßen.

Sie schaute ihn aufmerksamer an. Seine Gesichtshaut war dunkel und irgendwie matt, und sie wusste gleich, so ist die Haut eines Menschen, der täglich, seit langem, viel raucht. Seine Stimme war angenehm, keine typische Raucherstimme, aber als er ein paar mal hustete, wusste sie, dass sie recht hatte. Es stand auch in seinem Profil, dass er Raucher ist, aber sie hatte diesem Aspekt keine Bedeutung beigemessen. Jetzt wusste sie, er würde das Rauchen nie aufgeben. Er war so etwa 180 cm groß und ziemlich schlank. Er erzählte ihr, er hatte vor einigen Jahren noch über 100 kg gewogen, aber er hatte viel abgenommen. Er trug keine Markenklamotten, die Kleider waren einfach aber sauber und schön gebügelt. Die oberen Knöpfe seines Hemdes ließ er offen und sie konnte auf seine schwarzen Brusthaare blicken. Sie hatte auch den oberen Knopf ihrer Bluse offen, aber die Öffnung gab keine Möglichkeit für einen tieferen Einblick in ihren Ausschnitt.

Sie hatte seine Blicke gespürt, er maß sie auch von Kopf bis Fuß, aber sie war ganz gelassen. Die ganze Aufregung der letzten Stunden hatte sich gelegt, als sie den ersten Schritt auf die Brücke tat, wusste sie. Aber sollte sie ihm auch gleich sagen? Gleich sagen, dass sie doch nicht zusammen passten? Aber sie lief weiter, ohne etwas zu sagen. Sie liefen auf einem schmalen Weg entlang des Flusses. Sie berührten sich für einen Augenblick, als sie auf einem nassen Blatt ausrutschte, sie kamen sich viel näher und sie konnte seinen Geruch wahrnehmen. Sie konnte sein Deo nicht identifizieren, aber es war ein leichter Geruch nach Zigarettenrauch und unbekanntem Deo. Sie trat einen Schritt vor ihn und sie liefen weiter.

- Da war ich oft schwimmen, allein, oder mit meinen Töchtern. Er zeigte auf einen Platz, wo der Fluss breiter wurde und wo man ganz toll schwimmen konnte.
Ihre Gedanken galten aber einem anderen Platz, so etwa fünf km weiter östlich, wo sie mit ihrem Mann so oft schwimmen gegangen war.
Sie konnte immer noch nicht glauben, was sie gerade machte. Sie ging mit einem fremden Mann am Ufer spazieren. War sie von allen guten Geistern verlassen? Wie konnte sie nur? Diese Fragen hatte sie sich schon ein paar tausend Mal in den letzten Tagen gestellt, aber sie musste das einfach mitmachen. Sie wollte ja wissen. Und ohne das alles mitzumachen konnte sie nie wissen. Sie beobachtete ihn und sie beobachtete besonders aufmerksam sich selbst. Den ganzen Tag war sie ganz aufgeregt gewesen. Diese ganze neue Situation für sie (völlig ganz neu war die Situation nicht, aber sagen wir so, schon eine Weile, ca. 25 Jahre nicht mehr eingetreten) ließ sie nicht kalt, sondern ließ eine Anspannung in ihr steigen, die sie etwas beunruhigte. In der vorigen Nacht konnte sie auch nicht besonders gut schlafen, nur vier oder fünf Stunden. Der Sonntag war heiß gewesen, über 32°C und entsprechend warm war die Nacht und unruhig ihr Schlaf. Bei der Arbeit am Vormittag war sie zerstreut und später wurde sie müde und schläfrig, sie konnte kaum erwarten, dass sie heim ging. Und zuhause steigerte sich die Aufregung als er ihr schrieb und es schien, dass sie beide ganz aufgeregt waren. Dann, so um 3 schrieb sie ihm, er solle nicht mehr antworten, sie sollten sich beide beruhigen und dem Schicksal seinen Lauf lassen. Abends fuhr sie schon um halb sieben los. Am Treffpunkt angekommen, stellte sie ihr Auto im hinterem Teil des Parkplatzes ab, so wie immer, wenn sie hier ankam, ging dann zur Klosterkirche und zündete zwei Kerzen an und lief dann zur Brücke. Ihre ganze Erregung war verflogen. Sie war ruhig, viel zu ruhig. Und sie wusste schon. Aber sie ließ es geschehen.
Sie liefen und liefen und er erzählte. Manche Sachen wusste sie schon aus ihren Schriftverkehr, andere waren neu. Ab und zu stellte er ihr auch einige Fragen, sie bemühte sich zu antworten, einerseits konnte sie locker erzählen, andererseits wollte sie nichts mehr von ihr preisgeben, irgendwie war die Unruhe wieder da, diesmal aber als der Wunsch alldem ein Ende zu bereiten. Sie vermisste die Wärme der geschriebenen Worte, aber jetzt, hier stand zwischen ihnen eine unüberwindbare Mauer, und sie wussten es beide. Als sie nach einem Rundgang zurück zum Ausgangspunkt angekommen waren, fragte er sie, ob sie zu einem Kaffee oder ins Restaurant gehen sollten. Sie wollte aber nicht, sie liefen noch eine Weile, dann wussten sie, die Zeit des Abschieds war gekommen. Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Genau 75 Minuten waren vergangen.

- Ich werde jetzt gehen, sagte sie.
- Und wie geht es weiter?
- Ich brauche Zeit, um über alles nachzudenken, ich werde mich bei dir melden.
- Ich soll also warten, bis du dich bei mir meldest?
- Ja, ich melde mich bei dir. Gute Nacht! Und danke.
- Gute Nacht!
Sie stieg ins Auto und fuhr los. Widersprüchliche Gefühle übermannten sie: Wut und Trauer und Schmerz, aber auch Leichtigkeit und Unbefangenheit. Würde sie keine Tränen auf ihrem Gesicht spüren, könnte sie laut lachen. Ihr Herz war schwer. Sie hatte sich in diesen wenigen Tage wieder jung gefühlt. Sie hat gespürt, wie es wieder sein könnte. Sie hatte geahnt. Und es waren schöne Gefühle, die könnten ihr Herz ganz ausfüllen, sie könnten die Leere vertreiben, sie könnten... Aber sie war noch nicht so weit. Noch nicht so weit.
Alles hatte beim Zappen durch die Fernsehprogramme an einem Abend vor etwa vier Wochen angefangen. Sie blieb auf Kanal 28 hängen, da lief eine Sendung über Singels jenseits der 50. Man hat es nicht mehr so einfach, einen Partner zu finden. Eine Internetadresse bohrte sich in ihr Gehirn, sie machte den Fernseher aus und den Computer an. Landete sogleich auf dieser Seite und fand sie gut. Von diesem Augenblick bis zum Entschluss zum Erstellen eines eigenes Profils, dauerte es nicht lange. Und so war sie jetzt auf dieser Seite präsent. Es war ein Spiel. Sie würde keinen Kontakt aufnehmen. Aber wird ihr irgendjemand schreiben? Und wenn ja, sollte sie antworten? Gleich am ersten Tag bekam sie die erste Mail. Aber die Zuschrift sagte ihr nicht zu. Sie würde darauf nicht reagieren. Dann noch eine, genau so. Und nach einigen Tagen bekam sie eine Mail und bevor sie richtig wusste, was sie tat, antwortete sie. In dieser Nacht hatte sie den ersten Traum gehabt. Sie war in ein unbekanntes Restaurant gegangen und saß an einem langen Tisch. Ihr gegenüber saß ihre neue Bekanntschaft. Sie sprachen. Neben ihr, zur Linken, saß ihr Mann. Nur sie konnte ihn sehen, sonst niemand. Er schaute auf sie beide, ohne etwas zu tun oder zu sagen. Dann nach einer Weile wollten sie weggehen. Sie verließ den Tisch, ihr Mann blieb sitzen. Sie schaute zu ihm und sah, dass er mit seinem Kopf verneinte. Sie hatte ihn gefragt, gedanklich gefragt und er schüttelte den Kopf, nein, der ist es nicht.
Sie konnte sich gut an den Traum erinnern, sie war am Anfang ganz wütend, „ja, du bist ja gegangen, ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Vorwarnung, so aus dem Nichts ins Nichts, und jetzt willst du mir kein bisschen Glück gönnen, nicht wahr?“ Ihre Gefühle waren widersprüchlich, aber sie entschied weiterzugehen, um es zu wissen. Nach etwa 10 Tagen schönen Mails, entschied sie, ihn kennen zu lernen. Sie schlug ihm als Treffpunkt die alte Brücke vor, um 7 Uhr.
In der Nacht, nachdem sie diese Mail abgeschickt hatte, sah sie sich wieder im Traum zusammen mit ihrem Mann im Haus. Das Dach fing an zu brennen, aber er wollte das Feuer nicht löschen. Er hatte keine Eile, er wollte warten, bis die Feuerwehr kommt. Dann sah sie sich außerhalb des Hauses, das Feuer wurde gelöscht, die Flammen hatten nicht auf das ganze Haus übergegriffen, sie blieben nur im Dachbereich. Jetzt waren viele Menschen angekommen; alte Bekannte und Verwandte, die schon lange im Jenseits hausten, waren da in ihrem Traum und halfen mit, das Dach zu reparieren, neu zu gestalten, und mit einem riesigen Dachfenster, durch das viel Licht ins Haus kam, zu versehen.
Als sie wach wurde und sich an den Traum erinnerte, wusste sie Bescheid, ihr Verstand stand in Flammen, aber sie würde aus diesem Brand erhellt herauskommen, diese Erfahrung, die sie gerade machte, würde ihr Licht bringen, Licht über das eigene Selbst. Und sie wusste genau, er war es nicht. Sie würde noch viel Zeit brauchen. Zeit zum Läutern, Zeit zum Erhellen, Zeit zum Sichfinden. Es war noch nicht so weit. Sie war noch nicht so weit. Aber die Gefühle, die sie in sich aufkeimen ließ, waren schöne, mächtige, gewaltige Gefühle. Jetzt war es nur eine Ahnung. Aber irgendwann mal, wenn die Zeit reif ist, werden sie wieder aufblühen. Und dann wird sie wieder lieben können. Und dann wird er, ihr Mann, ihr aus dem Traum, bejahend nicken... Irgendwann mal...

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