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Und dein Preis, welcher ist...?
prosa [ ]

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von [Medeia ]

2008-01-16  |     | 



Die Farben des Himmels sind immer die gleichen geblieben... Nur ich bin durch das Leben mit Riesenschritten gerannt. Jaaaaaaa, so unglaublich bedeutungslos bin Ich, zwecklos geboren, zwecklos lebend... Das hätte ich vor sechs Monaten gedacht.
Ich war nicht immer ein Träumer. Ich glaube, dass kam erst nach der Diagnose.
Ja, ich habe auch ein Syndrom... Ich und die anderen zwei Milliarden Menschen auf diesem Planet. Als ich es erfahren habe, konnte ich es fast nicht glauben. Ich, ich ein absolut normaler Mann, mit einem mehr oder weniger langweiligen Beruf, unverheiratet und ohne Kinder habe ein Syndrom. Eigentlich war es angeboren, es war immer da, ein Teil von mir, unmöglich zu verleugnen, ständiger vertrauter Begleiter. Teil von mir. Zusammen unbekannt sind wir durch die Schule gegangen, durch die Uni, zu den Nutten. Mittlerweile gewöhne ich mich daran, anders zu sein.

Die Ärzte haben mich zum Psychologen geschickt. Sie haben Angst um mich. Sie haben Angst mich unter der Bürde meines Schicksals zu verlieren. Sie sagten mir, dass viele es nicht schaffen, mit dem Stress der Freude zurecht zu kommen. Sie verfallen in Depressionen und das war´s. Einer weniger, der dazu helfen kann die Humanität neu zu entdecken. Ich werde es schaffen, da bin ich mir ganz sicher. Nicht umsonst wurde ich von der Natur gesegnet. Ich muss es schaffen. Und wenn es soweit ist, dass mich die Zeit auslöschen will, werde ich von der Höhe des nationalen Humandenkmales „Stop“ sagen, „...mein Name wird nie in Vergessenheit gelangen“.

Meine Kindheit habe ich bei meinen Großeltern in Biharia verbracht. Es waren wunderschöne stressfreie Zeiten. Als ich noch recht jung war, haben mich meine Eltern hingeschickt, in der Hoffnung, dass auf dem Land bessere Stressbewältigungsstrategien erlernt und ausgeübt werden können. Sie haben sich nicht geirrt. Am Ende des 14. Lebensjahres habe ich eine durchaus positive Lebenserwartungsprognose bekommen. Konkret bedeutet das, dass ich noch lange genug leben kann, um meine Kinder groß sehen zu können. Allerdings hätte ich mir mein Stressniveau beibehalten müssen. Na, dann habe ich landwirtschaftliche Kunst studiert und lebe immer noch in der Nähe meines Großelternhauses.
Jeden Sonntag treffen wir uns auf einen Surrogattee. In ihrer Anwesenheit schmeckt es, als wäre es fast echt. Von ihren Erzählungen weiß ich, dass es Zeiten gab, als Mentholpflanzen im Garten wuchsen. Jeder konnte es sich leisten, einen richtigen Tee zu genießen. Leider kann ich mit der Bedeutung dieser Worte fast nichts anfangen, ich kenne weder den natürlichen Geschmack der Pflanzentees noch das Gefühl des Genießens.
Manchmal kommt es mir vor, dass meine Großeltern von den heutigen Zeiten sehr enttäuscht sind. Wenn sie über jene Zeiten erzählen, ändert sich ihr Gesichtsausdruck, ihre Augen strahlen, ich spüre ihre verbindliche Schmerzfreude mit den alten Zeiten und denen, die schon lange tot sind. Es sind Geschichten wie von Obstbäumen, die es überall am Rande der Strassen gab. Wenn ich sie höre, kann ich es mir fast vorstellen wie es wäre, an einem heißen Tag unter so einem Baum zu liegen. Ich verspreche mir jedes mal danach, doch nach Berliparis zu fahren, in dem Ökomuseum.
Meine Großeltern erzählen mir die Geschichten ihrer Großeltern, zeitliche Bewohner der früheren Jahrhunderte. Ich fühle mich wohl in meinem Jahrhundert, aber würde, wenn ich könnte, trotzdem eine Zeitreise machen. (Allein für das Essen!) Ich schließe meine Augen, streichle die alte Teekanne und höre zu. Durch sie bekomme ich Zugang zu Ungeahntem. Ich werde es meinen Kindern weitererzählen und sie ihren. Sie werden verstehen können, wie die Zeiten sich ändern und wie die Menschen darunter leiden. Wenn sie Glück haben, werden sie vielleicht einen Hauch von trauriger Sehnsucht danach spüren und sich glücklich schätzen, jene Gefühle zu erleben. Faszinierend finde ich, wie es dazu gekommen ist, dass wir uns verloren haben. Das lustige daran ist, dass wir Menschen es hingekriegt haben. Wir waren immer das Problem und ihre Lösung. Es fing mit unseren Vorfahren an.

Meine Ururgroßeltern arbeiteten damals in einer Schule für Ausgestoßene, wie wir sie heute nennen. Aus dem Geschichteunterricht weiß ich, dass es Zeiten gab, als sie in Konzentrationslager gesteckt wurden. Jahre später hat man für sie spezielle Institutionen bauen lassen und sich um sie gekümmert. Eine Weile hat es funktioniert, sie waren außerhalb des Blickes normaler Menschen, sie störten keinen mehr, nur ihre Taschen.

Ende des 22. Jahrhunderts hat man bemerkt, dass man das Geld viel besser bei Normalen einsetzen kann. Was soll die Pflege defekter Menschen mit Behinderungen bringen? Nur unnötige Geldausgaben.
Es hatte damit zu tun, dass man allemal für immer, die ständig schwächer werdende Weltkirche abgeschafft hat. Kein moderner Mensch konnte mit ihren Märchen was anfangen. Übers Kirchliche wurden Witze auf Partys erzählt. Für die Aussgestoßenen hat man eine bessere Lösung gefunden und auf jeden Fall billig. Man hat sie gar nicht mehr entstehen lassen, nach dem Motto: „Wenn man Gott spielen kann, warum nicht...“ Und so wurde unsere perfekte Gesellschaft erschaffen, keine Behinderungen, keine Probleme, keine unnötigen Geldausgaben.

Das waren die Zeiten meiner Großeltern. Das war vor 80 Jahre. Damals hat man eine neue Form des sogenannten gesellschaftlichen Kapitalismus erfunden. Die Geldmacherei wurde zur neuen Religion, alles von blauen Augen bis Morde konnte legal gekauft und verkauft werden. Mit der entsprechenden „Erziehung“ fing man schon vor der Geburt an, man hat gewisse Genen einfach rausgeschnitten. Meine Familie wurde in jenen Zeiten vermögend. Heute noch kann ich mir leisten, meinen Hobbys ganze 2 Stunden im Monat nachzugehen. Bin also meinen Vorfahren ziemlich dankbar.

Aber irgendwann hatten alle viel Geld, dessen Wert an Bedeutung verloren hat. Es war immer noch gut, es zu haben, aber andere Trends wurden gesetzt. Man muss sich das vorstellen können: Alle haben Geld, alle sehen jung aus und sind gesund, alle können sich sehr viel leisten. Aber irgendetwas fehlt. Materiell hat man schon wahnsinnig viel erreicht. Aber Zeiten ändern sich. Angefangen hat es mit der Generation meiner Eltern. Man hat bemerkt, dass ein Bankkonto voller Geld von keinem Gefühl mehr begleitet wird. Man konnte nicht mehr angeben, man hatte Besitz ohne Freude daran. Komischerweise hat man angefangen, nach der eigenen Identität als Mensch zu suchen. Es gab keine Antwort darauf. Zu lange Zeit definierte man sich ausschließlich durch sein Geld, durch leere Zahlen auf einem Monitor. Man starb langsam ohne es zu merken, man wusste nicht mehr zu trauern, man war sich selbst einfach egal. „Und trotzdem...“, sagte man sich „...wie willst Geld machen, wenn du deine Gefühle nicht auslöschen lässt?“

Jahre sind vergangen und ich wurde geboren. Inzwischen darf man seine Kinder unverändert lassen. Es wurde mir erzählt, dass ich als Baby meine Mutter vermisst habe. Und meine Eltern waren sehr stolz darauf ein „25% Gefühlsbaby“ zu besitzen.
Meine Generation versucht der Natur freien Lauf zu lassen. Die Humanität, die man fürs Geld verkauft hat, versucht man jetzt mit doppelt so viel Anstrengung und Fonds wiederzuerschaffen. Vom Staat bekommt man schöne Preise, wenn man irgendeine Besonderheit nachweisen kann. Die Nachricht über die Diagnose hat uns alle gut getan. Und was heißt das für mich persönlich? Ich bin stolz darauf mich an dem Vermögen der Familie aktiv zu beteiligen. Meine finanziellen Möglichkeiten haben sich dadurch sehr positiv verbessert, auf dem Heiratsmarkt stieg mein Wert enorm. Und dadurch, dass ich jetzt auch ein Syndrom nachweißen kann, bin ich froh darüber, zur neuen Welt gehören zu dürfen.

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