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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2005-09-06 | | Veröffentlicht von Valeria Pintea
Der Herr Dapsul von Zabelthau stieg gewöhnlich mittags hinab von seinem astronomischen Turm, um mit der Tochter ein frugales Mahl einzunehmen, das sehr kurz zu dauern und wobei es sehr still herzugehen pflegte, da Dapsul das Sprechen gar nicht liebte. Ännchen fiel ihm auch gar nicht mit vielem Reden beschwerlich, und das um so weniger, da sie wohl wußte, daß, kam der Papa wirklich zum Sprechen, er allerlei seltsames unverständliches Zeug vorbrachte, wovon ihr der Kopf schwindelte. Heute war ihr ganzer Sinn aber so aufgeregt durch den Flor des Küchengartens und durch den Brief des geliebten Amandus, daß sie von beiden durcheinander sprach ohne Aufhören. Messer und Gabel ließ endlich Herr Dapsul von Zabelthau fallen, hielt sich beide Ohren zu und rief: »O des leeren, wüsten, verwirrten Geschwätzes!« Als nun aber Fräulein Ännchen ganz erschrocken schwieg, sprach er mit dem gedehnten weinerlichen Tone, der ihm eigen: »Was das Gemüse betrifft, meine liebe Tochter, so weiß ich längst, daß die diesjährige Zusammenwirkung der Gestirne solchen Früchten besonders günstig ist und der irdische Mensch wird Kohl und Radiese und Kopfsalat genießen, damit der Erdstoff sich mehre und er das Feuer des Weltgeistes aushalte wie ein gut gekneteter Topf.
Das gnomische Prinzip wird widerstehen dem ankämpfenden Salamander, und ich freue mich darauf Pastinak zu essen, den du vorzüglich bereitest. Anlangend den jungen Herrn Amandus von Nebelstern, so habe ich nicht das mindeste dagegen, daß du ihn heiratest, sobald er von der Universität zurückgekehret. Laß es mir nur durch Gottlieb hinaufsagen, wenn du zur Trauung gehest mit deinem Bräutigam, damit ich euch geleite nach der Kirche.« – Herr Dapsul schwieg einige Augenblicke und fuhr dann ohne Ännchen, deren Gesicht vor Freude glühte über und über, anzublicken, lächelnd und mit der Gabel an sein Glas schlagend – beides pflegte er stets zu verbinden, es kam aber gar selten vor – also fort: »Dein Amandus ist einer, der da soll und muß, ich meine ein Gerundium, und ich will es dir nur gestehen, mein liebes Ännchen! daß ich diesem Gerundio schon sehr früh das Horoskop gestellt habe. Die Konstellationen sind sonst alle ziemlich günstig. Er hat den Jupiter im aufsteigenden Knoten, den die Venus im Gesechstschein ansiehet. Nur schneidet die Bahn des Sirius durch und gerade auf dem Durchschneidungspunkt steht eine große Gefahr, aus der er seine Braut rettet. Die Gefahr selbst ist unergründlich, da ein fremdartiges Wesen dazwischen tritt, das jeder astrologischen Wissenschaft Trotz zu bieten scheint.
Gewiß ist es übrigens, daß nur der absonderliche psychische Zustand, den die Menschen Narrheit oder Verrücktheit zu nennen pflegen, dem Amandus jene Rettung möglich machen wird. O meine Tochter«, (hier fiel Herr Dapsul wieder in seinen gewöhnlichen weinerlichen Ton), »o meine Tochter, daß doch keine unheimliche Macht, die sich hämisch verbirgt vor meinen Seheraugen, dir plötzlich in den Weg treten, daß der junge Herr Amandus von Nebelstern doch nicht nötig haben möge, dich aus einer Gefahr zu retten als aus der, eine alte Jungfer zu werden!« – Herr Dapsul seufzte einige Male tief auf, dann fuhr er fort: »Plötzlich bricht aber nach dieser Gefahr die Bahn des Sirius ab und Venus und Jupiter, sonst getrennt, treten versöhnt wieder zusammen.«
Soviel als heute, sprach Herr Dapsul von Zabelthau schon seit Jahren nicht. Ganz erschöpft stand er auf und bestieg wieder seinen Turm. Ännchen wurde andern Tages ganz frühe mit der Antwort an den Herrn von Nebelstern fertig. Sie lautete also: »Mein herzlieber Amandus! Du glaubst gar nicht, was dein Brief mir wieder Freude gemacht hat. Ich habe dem Papa davon gesagt und der hat mir versprochen, uns in die Kirche zur Trauung zu geleiten. Mache nur, daß du bald zurückkehrst von der Universität. Ach, wenn ich nur deine allerliebsten Verschen, die sich so hübsch reimen ganz verstünde! – Wenn ich sie so mir selbst laut vorlese, dann klingt mir alles so wunderbar und ich glaube dabei, daß ich alles verstehe und dann ist alles wieder aus und verstoben und verflogen und mich dünkt's, als hätt ich bloß Worte gelesen, die gar nicht zusammengehörten. Der Schulmeister meint, das müsse so sein, das sei eben die neue vornehme Sprache, aber ich – ach! – ich bin ein dummes einfältiges Ding! – Schreibe mir doch, ob ich nicht vielleicht Student werden kann auf einige Zeit, ohne meine Wirtschaft zu vernachlässigen? Das wird wohl nicht gehen? Nun, sind wir erst Mann und Frau, da kriege ich wohl was ab von deiner Gelehrsamkeit und von der neuen vornehmen Sprache. Den virginischen Tabak schicke ich dir, mein herziges Amandchen. Ich habe meine Hutschachtel ganz vollgestopft, soviel hineingehen wollte und den neuen Strohhut derweile Karl dem Großen aufgesetzt, der in unserer Gaststube steht, wiewohl ohne Füße, denn es ist, wie du weißt, nur ein Brustbild. – Lache mich nicht aus, Amandchen, ich habe auch Verschen gemacht und sie reimen sich gut. Schreib mir doch, wie das kommt, daß man so gut weiß, was sich reimt, ohne gelehrt zu sein. Nun höre einmal: Ich lieb dich, bist du mir auch ferne Und wäre gern recht bald deine Frau. Der heitre Himmel ist ganz blau, Und abends sind golden alle Sterne. Drum mußt du mich stets lieben und mich auch niemals betrüben. Ich schick dir Virginischen Tabak Und wünsche, daß er dir wohl recht schmecken mag! Nimm Vorlieb mit dem guten Willen, wenn ich die vornehme Sprache verstehen werde, will ich's schon besser machen. – Der gelbe Steinkopf ist dieses Jahr über alle Maßen schön geraten und die Krupbohnen lassen sich herrlich an, aber mein Dachshündchen, den kleinen Feldmann, hat gestern der böse Gänsericht garstig ins Bein gebissen. Nun – es kann nicht alles vollkommen sein auf dieser Welt – hundert Küsse in Gedanken, mein liebster Amandus, deine treuste Braut, Anna von Zabelthau. N. S. Ich habe in gar großer Eile geschrieben, deswegen sind die Buchstaben hin und wieder etwas krumm geraten. N. S. Du mußt mir das aber beileibe nicht übelnehmen, ich bin dennoch, schreibe ich auch etwas krumm, geraden Sinnes und stets deine getreue Anna. – N. S. Der Tausend, das hätte ich doch bald vergessen, ich vergeßliches Ding. Der Papa läßt dich schönstens grüßen und dir sagen, du seist einer, der da soll und muß, und würdest mich einst aus einer großen Gefahr retten. Nun darauf freue ich mich recht und bin nochmals deine dich liebendste, allergetreueste Anna von Zabelthau.« Dem Fräulein Ännchen war eine große Last entnommen, als sie diesen Brief fertig hatte, der ihr nicht wenig sauer geworden. Ganz leicht und froh wurde ihr aber zumute, als sie auch das Kuvert zustandegebracht, es gesiegelt ohne das Papier oder die Finger zu verbrennen und den Brief nebst der Tabakschachtel, auf die sie ziemlich deutliches A. v. N. gepinselt, dem Gottlieb eingehändigt, um beides nach der Stadt auf die Post zu tragen. - Nachdem das Federvieh auf dem Hofe gehörig besorgt, lief Fräulein Ännchen geschwind nach ihrem Lieblingsplatz, dem Küchengarten. Als sie nach dem Mohrrübenacker kam, dachte sie daran, daß es nun offenbar an der Zeit sei, für die Leckermäuler in der Stadt zu sorgen und die ersten Mohrrüben auszuziehen. Die Magd wurde herbeigerufen, um bei der Arbeit zu helfen. Fräulein Ännchen schritt behutsam bis in die Mitte des Ackers, faßte einen stattlichen Krautbusch. Doch sowie sie zog, ließ sich ein seltsamer Ton vernehmen. – Man denke ja nicht an die Alraunwurzel und an das entsetzliche Gewinsel und Geheul, das, wenn man sie herauszieht aus der Erde, das menschliche Herz durchschneidet. Nein, der Ton, der aus der Erde zu kommen schien, glich einem feinen, freudigen Lachen. Doch aber ließ Fräulein Ännchen den Krautbusch wieder fahren und rief etwas erschreckt »I! – wer lacht denn da mich aus?« Als sich aber nichts vernehmen ließ, faßte sie noch einmal den Krautbusch, der höher und stattlicher emporgeschossen schien als alle andere, und zog beherzt, das Gelächter, das sich wieder hören ließ, gar nicht achtend die schönste, die zarteste der Mohrrüben aus der Erde. Doch sowie Fräulein Ännchen die Mohrrübe betrachtete, schrie sie laut auf vor freudigem Schreck, so daß die Magd herbeisprang und ebenso wie Fräulein Ännchen laut aufschrie über das hübsche Wunder, das sie gewahrte. Fest an der Mohrrübe angestreift saß nämlich ein herrlicher goldner Ring mit einem feuerfunkelnden Topas. »Ei«, rief die Magd, »der ist für Sie bestimmt. Fräulein Ännchen, das ist Ihr Hochzeitsring, den müssen Sie nur gleich anstecken!« – »Was sprichst du für dummes Zeug«, erwiderte Fräulein Ännchen, »den Trauring, den muß ich ja von dem Herrn Amandus von Nebelstern empfangen, aber nicht von einer Mohrrübe!« – Je länger Fräulein Ännchen den Ring betrachtete, desto mehr gefiel er ihr. Der Ring war aber auch wirklich von so feiner zierlicher Arbeit, daß er alles zu übertreffen schien, was jemals menschliche Kunst zustandegebracht. Den Reif bildeten hundert und hundert winzige Figürchen in mannigfaltigsten Gruppen verschlungen, die man auf den ersten Blick kaum mit dem bloßen Auge zu unterscheiden vermochte, die aber, sahe man den Ring länger und schärfer an, ordentlich zu wachsen, lebendig zu werden, in anmutigen Reihen zu tanzen schienen. Dann aber war das Feuer des Edelsteins von solch ganz besonderer Art, daß selbst unter den Topasen im grünen Gewölbe zu Dresden schwerlich ein solcher aufgefunden werden möchte. »Wer weiß«, sprach die Magd, »wie lange der schöne Ring tief in der Erde gelegen haben mag, und da ist er denn heraufgespatelt worden und die Mohrrübe ist durchgewachsen.« Fräulein Ännchen zog nun den Ring von der Mohrrübe ab und seltsam genug war es, daß diese ihr zwischen den Fingern durchglitschte und in dem Erdboden verschwand. Beide, die Magd und Fräulein Ännchen achteten aber nicht sonderlich darauf, sie waren zu sehr versunken in den Anblick des prächtigen Ringes, den Fräulein Ännchen nun ihne weiteres ansteckte an den kleinen Finger der rechten Hand. Sowie sie dies tat, empfand sie von der Grundwurzel des Fingers bis in die Spitze hinein einen stechenden Schmerz, der aber in demselben Augenblick wieder nachließ als sie ihn fühlte. Natürlicherweise erzählte sie mittags dem Herrn Dapsul von Zabelthau, was ihr Seltsames auf dem Mohrrübenfelde begegnet, und zeigte ihm den schönen Ring, den die Mohrrübe aufgesteckt gehabt. Sie wollte den Ring, damit ihn der Papa besser betrachten könne, vom Finger herabziehn. Aber einen stechenden Schmerz empfand sie, wie damals, als sie den Ring aufsteckte, und dieser Schmerz hielt an, solange sie am Ringe zog, bis er zuletzt so unerträglich wurde, daß sie davon abstehen mußte. Herr Dapsul betrachtete den Ring an Ännchens Finger mit der gespanntesten Aufmerksamkeit, ließ Ännchen mit dem ausgestreckten Finger allerlei Kreise nach allen Weltgegenden beschreiben, versank dann in tiefes Nachdenken und bestieg, ohne nur ein einziges Wort weiter zu sprechen, den Turm. Fräulein Ännchen vernahm wie der Papa im Hinaufsteigen beträchtlich seufzte und stöhnte. Andern Morgens, als Fräulein Ännchen sich gerade auf dem Hofe mit dem großen Hahn herumjagte, der allerlei Unfug trieb, und hauptsächlich mit den Tauben krakelte, weinte der Herr Dapsul von Zabelthau so erschrecklich durch das Sprachrohr herab, daß Ännchen ganz bewegt wurde und durch die hohle Hand hinaufrief: »Warum heulen Sie denn so unbarmherzig, bester Papa, das Federvieh wird ja ganz wild!« – Da schrie der Herr Dapsul durch das Sprachrohr herab: »Anna, meine Tochter Anna, steige sogleich zu mir herauf.« Fräulein Ännchen verwunderte sich höchlich über dieses Gebot, denn noch nie hatte sie der Papa auf den Turm beschieden, vielmehr dessen Pforte sorgfältig verschlossen gehalten. Es überfiel sie ordentlich eine gewisse Bangigkeit, als sie die schmale Wendeltreppe hinaufstieg und die schwere Tür öffnete, die in das einzige Gemach des Turmes führte. Herr Dapsul von Zabelthau saß von allerlei wunderlichen Instrumenten und bestaubten Büchern umgeben, auf einem großen Lehnstuhl von seltsamer Form. Vor ihm stand ein Gestell, das ein in einen Rahmen gespanntes Papier trug, auf dem verschiedene Linien gezeichnet. Er hatte eine hohe, spitze, graue Mütze auf dem Kopfe, trug einen weiten Mantel von grauem Kalmank und hatte einen langen weißen Bart am Kinn, so daß er wirklich aussah wie ein Zauberer. Eben wegen des falschen Bartes kannte Fräulein Ännchen den Papa anfangs gar nicht und blickte ängstlich umher, ob er etwa in einer Ecke des Gemachs vorhanden; nachher, als sie aber gewahrte, daß der Mann mit dem Barte wirklich Papachen sei, lachte Fräulein Ännchen recht herzlich und fragte: ob's denn schon Weihnachten sei und ob Papachen den Knecht Ruprecht spielen wolle? Ohne auf Ännchens Rede zu achten, nahm Herr Dapsul von Zabelthau ein kleines Eisen zur Hand, berührte damit Ännchens Stirne und bestrich dann einigemale ihren rechten Arm von der Achsel bis in die Spitze des kleinen Ringefingers herab. Hierauf mußte sie sich auf den Lehnstuhl setzen, den Herr Dapsul verlassen und den kleinen beringten Finger auf das in den Rahmen gespannte Papier in der Art stellen, daß der Topas den Zentralpunkt, in den alle Linien zusammenliefen, berührte. Alsbald schossen aus dem Edelstein gelbe Strahlen ringsumher, bis das ganze Papier dunkelgelb gefärbt war, als sprängen die kleinen Männlein aus des Ringes Reif lustig umher auf dem ganzen Blatt. Der Herr Dapsul, den Blick von dem Papier nicht wegwendend, hatte indessen eine dünne Metallplatte ergriffen, hielt sie mit beiden Händen hoch in die Höhe und wollte sie niederdrücken auf das Papier, doch in demselben Augenblick glitschte er auf dem glatten Steinboden aus und fiel sehr unsanft auf den Hintern, während die Metallplatte, die er instinktmäßig losgelassen, um womöglich den Fall zu brechen und das Steißbein zu konservieren, klirrend zur Erde fiel. Fräulein Ännchen erwachte mit einem leisen »Ach!« aus dem seltsamen träumerischen Zustande, in den sie versunken. Herr Dapsul richtete sich mühsam in die Höhe, setzte den grauen Zuckerhut wieder auf, der ihm entfallen, brachte den falschen Bart in Ordnung und setzte sich dem Fräulein Ännchen gegenüber auf einige Folianten, die übereinandergetürmt. »Meine Tochter«, sprach er dann, »meine Tochter Anna, wie war dir soeben zumute? was dachtest, was empfandest du? welche Gestaltungen erblicktest du mit den Augen des Geistes in deinem Innern?« »Ach«, erwiderte Fräulein Ännchen, »mir war so wohl zumute, so wohl, wie mir noch niemals gewesen. Dann dachte ich an den Herrn Amandus von Nebelstern. Ich sah ihn ordentlich vor Augen, aber er war noch viel hübscher als sonst und rauchte eine Pfeife von den virginischen Blättern, die ich ihm geschickt, welches ihm ungemein wohl stand. Dann bekam ich plötzlich einen ungemeinen Appetit nach jungen Mohrrüben und Bratwürstlein und war ganz entzückt, als das Gericht vor mir stand. Eben wollte ich zulangen, als ich wie mit einem jähen schmerzhaften Ruck aus dem Traum erwachte.« » - Amandus von Nebelstern – Virginischer Kanaster – Mohrrüben – Bratwürste! – « So sprach Herr Dapsul von Zabelthau sehr nachdenklich, und winkte der Tochter, die sich entfernen wollte, zu bleiben. »Glückliches unbefangenes Kind«, begann er dann mit einem Ton, der noch viel weinerlicher war, als sonst jemals, »das du nicht eingeweiht bist in die tiefen Mysterien des Weltalls, die bedrohlichen Gefahren nicht kennst, die dich umgeben. Du weißt nichts von jener überirdischen Wissenschaft der heiligen Kabbala. Zwar wirst du auch deshalb niemals der himmlischen Lust der Weisen teilhaftig werden die zur höchsten Stufe gelangt, weder essen noch trinken dürfen als nur zur Lust, und denen niemals Menschliches begegnet, du stehst aber auch dafür nicht die Angst des Ersteigens jener Stufe aus, wie dein unglücklicher Vater, den noch viel zu sehr menschlicher Schwindel anwandelt, und dem das was er mühsam erforscht, nur Grauen und Entsetzen erregt und der noch immer aus purem irdischen Bedürfnis essen und trinken und – überhaupt Menschliches tun muß. – Erfahre mein holdes mit Unwissenheit beglücktes Kind, daß die tiefe Erde, die Luft, das Wasser, das Feuer erfüllt ist mit geistigen Wesen höherer und doch wieder beschränkterer Natur als die Menschen. Es scheint unnötig, dir, mein Dümmchen, die besondere Natur der Gnomen, Salamander, Sylphen und Undinen zu erklären, du würdest es nicht fassen können. Um dir die Gefahr anzudeuten, in der du vielleicht schwebst, ist es genug, dir zu sagen, daß diese Geister nach der Verbindung mit den Menschen trachten, und da sie wohl wissen, daß die Menschen in der Regel solch eine Verbindung sehr scheuen, so bedienen sich die erwähnten Geister allerlei listiger Mittel, um den Menschen, dem sie ihre Gunst geschenkt, zu verlocken. Bald ist es ein Zweig, eine Blume, ein Glas Wasser, ein Feuerstrahl oder sonst etwas ganz geringfügig Scheinendes, was sie zum Mittel brauchen, um ihren Zweck zu erreichen. Richtig ist es, daß eine solche Verbindung oft sehr ersprießlich ausschlägt, wie denn einst zwei Priester, von denen der Fürst Mirandola erzählt, vierzig Jahre mit solch einem Geist in der glücklichsten Ehe lebten. Richtig ist ferner, daß die größten Weisen einer solchen Verbindung eines Menschen mit einem Elementargeist entsprossen. So war der große Zoroaster ein Sohn des Salamanders Oromasis, so waren der große Apollonius, der weise Merlin, der tapfre Graf von Cleve, der große Kabbalist Bensyra herrliche Früchte solcher Ehen, und auch die schöne Melusine war, nach dem Ausspruch des Paracelsus, nichts anders, als eine Sylphide. Doch demunerachtet ist die Gefahr einer solchen Verbindung nur zu groß, denn abgesehen davon, daß die Elementargeister von dem, dem sie ihre Gunst geschenkt, verlangen, daß ihm das hellste Licht der profundesten Weisheit aufgehe, so sind sie auch äußerst empfindlich, und rächen jede Beleidigung sehr schwer. So geschah es einmal, daß eine Sylphide, die mit einem Philosophen verbunden, als er mit seinen Freunden von einem schönen Frauenzimmer sprach, und sich vielleicht dabei zu sehr erhitzte, sofort in der Luft ihr schneeweißes schön geformtes Bein sehen ließ, gleichsam um die Freunde von ihrer Schönheit zu überzeugen, und dann den armen Philosophen auf der Stelle tötete. Doch ach – was spreche ich von anderen? warum spreche ich nicht von mir selbst? – Ich weiß, daß schon seit zwölf Jahren mich eine Sylphide liebt, aber ist sie scheu und schüchtern, so quält mich der Gedanke an die Gefahr. durch kabbalistische Mittel sie zu fesseln, da ich noch immer viel zu sehr an irdischen Bedürfnissen hänge, und daher der gehörigen Weisheit ermangle. Jeden Morgen nehme ich mir vor zu fasten, lasse auch das Frühstück glücklich vorübergehen, aber wenn dann der Mittag kommt – O Anna, meine Tochter Anna – du weißt es ja – ich fresse erschrecklich!« – Diese letzten Worte sprach der Herr Dapsul von Zabelthau mit beinahe heulendem Ton, indem ihm die bittersten Tränen über die eingefallenen Backen liefen; dann fuhr er beruhigter fort: »Doch bemühe ich mich gegen den mir gewogenen Elementargeist des feinsten Betragens, der ausgesuchtesten Galanterie. Niemals wage ich es eine Pfeife Tabak ohne die gehörigen kabbalistischen Vorsichtsmaßregeln zu rauchen, denn ich weiß ja nicht, ob mein zarter Luftgeist die Sorte liebet und nicht empfindlich werden könnte über die Verunreinigung seines Elements, weshalb denn auch alle diejenigen, die Jagdknaster rauchen, oder: Es blühe Sachsen niemals weise und der Liebe einer Sylphide teilhaft werden können. Ebenso verfahre ich, wenn ich mir einen Haselstock schneide, eine Blume pflücke, eine Frucht esse oder Feuer anschlage, da all mein Trachten dahin geht, es durchaus mit keinem Elementargeist zu verderben. Und doch – siehst du wohl jene Nußschale, über die ich ausglitschte und rücklings umstülpend das ganze Experiment verdarb, das mir das Geheimnis des Ringes ganz erschlossen haben würde? Ich erinnere mich nicht, jemals in diesem nur der Wissenschaft geweihten Gemach (du weißt nun, weshalb ich auf der Treppe frühstücke) Nüsse genossen zu haben, und um so klarer ist es, daß in diesen Schalen ein kleiner Gnome versteckt war, vielleicht um bei mir zu hospitieren und meinen Experimenten zuzulauschen. Denn die Elementargeister lieben die menschlichen Wissenschaften, vorzüglich solche, die das uneingeweihte Volk wo nicht albern und aberwitzig, so doch die Kraft des menschlichen Geistes übersteigend, und eben deshalb gefährlich nennt. Deshalb finden sie sich auch häufig ein bei den göttlichen magnetischen Operationen. Vorzüglich sind es aber die Gnomen, die ihre Fopperei nicht lassen können, und dem Magnetiseur, der noch nicht zu der Stufe der Weisheit gelangt ist, die ich erst beschrieben, und zu sehr hängt an irdischem Bedürfnis, ein verliebtes Erdenkind unterschieben in dem Augenblick, da er glaubte in völlig reiner abgeklärter Lust eine Sylphide zu umarmen. – Als ich nun dem kleinen Studenten auf den Kopf trat, wurde er böse und warf mich um. Aber einen tiefern Grund hatte wohl der Gnome, mir die Entzifferung des Geheimnisses mit dem Ringe zu verderben. – Anna! – meine Tochter Anna» – vernimm es – herausgebracht hatte ich, daß ein Gnome dir seine Gunst zugewandt, der, nach der Beschaffenheit des Ringes zu urteilen, ein reicher, vornehmer, und dabei vorzüglich feingebildeter Mann sein muß. Aber, meine teure Anna, mein vielgeliebtes herziges Dümmchen, wie willst du es anfangen, dich ohne die entsetzlichste Gefahr mit einem solchen Elementargeist in irgendeine Verbindung einzulassen? Hättest du den Cassiodorus Remus gelesen, so könntest du mir zwar entgegnen, daß nach dessen wahrhaftigem Bericht die berühmte Magdalena de la Croix, Äbtissin eines Klosters zu Cordua in Spanien dreißig Jahre mit einem kleinen Gnomen in vergnügter Ehe lebte, daß ein gleiches sich mit einem Sylphen und der jungen Gertrud, die Nonne war im Kloster Nazareth bei Köln, zutrug, aber denke an die gelehrten Beschäftigungen jener geistlichen Damen und an die deinigen. Welch ein Unterschied! statt in weisen Büchern zu lesen, fütterst du sehr oft Hühner, Gänse, Enten und andere jeden Kabbalisten molestierende Tiere; statt den Himmel, den Lauf der Gestirne zu beobachten, gräbst du in der Erde; statt in künstlichen horoskopischen Entwürfen die Spur der Zukunft zu verfolgen, stampfest du Milch zu Butter und machest Sauerkraut ein, zu schnödem winterlichen Bedürfnis, wiewohl ich selbst dergleichen Speisung ungern vermisse. Sage! kann das alles einem feinfühlenden philosophischen Elementargeist auf die Länge gefallen? – Denn, o Anna! durch dich blüht Dapsulheim, und diesem irdischen Beruf mag und kann dein Geist sich nimmer entziehen. Und doch empfandest du über den Ring, selbst da er dir bösen Schmerz erregte, eine ausgelassene unbesonnene Freude! – Zu deinem Heil wollt ich durch jene Operation die Kraft des Ringes brechen, dich ganz von dem Gnomen befreien, der dir nachstellt. Sie mißlang durch die Tücke des kleinen Studenten in der Nußschale. Und doch! – mir kommt ein Mut, den Elementargeist zu bekämpfen, wie ich ihn noch nie gespürt! – Du bist mein Kind – das ich zwar nicht mit einer Sylphide, Salamandrin oder sonst einem Elementargeist erzeugt, sondern mit jenem armen Landfräulein aus der besten Familie, die die gottvergessenen Nachbarn mit dem Spottnamen: Ziegenfräulein, verhöhnten, ihrer idyllischen Natur halber, die sie vermochte, jeden Tag eine kleine Herde weißer schmucker Ziegen selbst zu weiden auf grünen Hügeln, wozu ich, damals ein verliebter Narr auf meinem Turm die Schalmei blies. – Doch du bist und bleibst mein Kind, mein Blut! – Ich rette dich, hier diese mystische Feile soll dich befreien von dem verderblichen Ringe!« Damit nahm Herr Dapsul von Zabelthau eine kleine Feile zur Hand, und begann an dem Ringe zu feilen. Kaum hatte er aber einigemal hin und her gestrichen, als Fräulein Ännchen vor Schmerz laut aufschrie: »Papa – Papa, Sie feilen mir ja den Finger ab!« So rief sie, und wirklich quoll dunkles dickes Blut unter dem Ringe hervor. Da ließ Herr Dapsul die Feile aus der Hand fallen, sank halb ohnmächtig in den Lehnstuhl und rief in aller Verzweiflung: »O! – o! – o! – es ist um mich geschehn! Vielleicht in dieser Stunde noch kommt der erzürnte Gnome und beißt mir die Kehle ab, wenn mich die Sylphide nicht rettet! – o Anna – Anna – geh – flieh!« – Fräulein Ännchen, die sich bei des Papas wunderlichen Reden schon längst weit weg gewünscht hatte, sprang hinab mit der Schnelle des Windes. |
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