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McKinsey kommt – Gerster geht.
essay [ ]

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von [word2go ]

2004-02-01  |     | 



Ach was waren das noch Zeiten, als man als angehender Politikstudent guten Gewissens „Unternehmensberater“ als Antwort auf die Frage nach dem Berufswunsch äußern durfte. Heute trauen sich das nur noch die hardcore Asozialen, karriere- und machtgeile Ärsche, die auch noch stolz darauf verweisen, etwas „rationaler“ als der Rest zu sein. Der Ausspruch „Ich bin eben ein sehr rationaler Mensch“ wird zur Standardausrede für das vollständige Fehlen sozialer und emotionaler Kompetenz, den Mangel an Einfühlungsvermögen, die fehlende Selbsteinschätzung. Wie emotional sie wirklich sind, zeigen solche „Rationalisierungsrationalisten“ dann, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden. Da ist es schnell vorbei mit ruhiger, abgeklärter Kompetenz.

Kein Wunder also, dass gerade der Beruf des Unternehmensberaters allgemein, und McKinsey im Speziellen, Pate stand für Rolf Hochhuth’s theatralische Abrechnung mit dem Wirtschaftskapitalismus. „McKinsey kommt“ heißt sein neuestes Stück, das am 13. Februar in Brandenburg an der Havel uraufgeführt wird. Gut, würde der Titel „Roland Berger kommt“ lauten, hätte jeder sofort gefragt „worauf“, anstatt „wohin“. Also dann doch lieber die ganze Belegschaft von McKinsey. Zumindest bewies die Führungsriege von McKinsey Sinn für Humor, indem sie schon einmal Theaterkarten für Alle orderte.

Reichlich schwarzer Humor, weil der Belegschaft kaum gefallen dürfte, wie sie, gleichgesetzt mit den Cheneys, Ackermanns und Herrhausens dieser Welt, den Apfel eines neuen Wilhelm Tell symbolisiert, der seinerseits für all die Unterdrückten dieser Welt, die RAF und die Bin Ladens (ein)steht. Und natürlich die Armbrust gegen weitaus wirksamere Pyro- und Explosionstechnik eingetauscht hat.

„Tritt Ackermann nur 'zurück' wie Geßler durch - Tell? Schleyer, Ponto, Herrhausen warnen.“

Das ist also die Zeile an der sich die Geister scheiden. Der Landvogt Geßler, gemetzelt durch den Helden Tell... Eine Zukunftsvision für den Deutsche Bank Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann, mit knapp 7 Mio. € jährlich unverwundbar trotz Mannesmann und der Entlassung eines Sechstels der Belegschaft der DB? Der Meuchelmord als letzte Bastion der Gerechtigkeit wenn Gerichte versagen?

Wehleidig und wütend die Reaktion unserer industriellen Elite auf die Warnung vor dem globalen Klassenkampf. So klagt z. B. BDI-Chef Michael Rogowski, dass man durchaus diskutieren dürfe „über die Höhe von Managergehältern und die Angemessenheit von Abfindungen. Aber wer diese Diskussion mit Klassenkampf verwechselt, wer Terrorismus und Guillotine ins Spiel bringt, verlässt den Boden, auf dem diese Auseinandersetzung geführt werden muss. Herr Hochhuth, schämen Sie sich“

Na klar, Herr Rogowski, toller Vorschlag! Dann lassen Sie uns doch mal eine hintergrundlose Diskussion führen. Setzen wir doch die Managergehälter in Bezug zu... gar nichts.

Ich: Lieber Herr Rogowski, was halten Sie von den hohen Gehältern der Manager?

Rog.: Mein lieber Ich, erstens verbitte ich mir die Anspielung die Gehälter von Managern seien hoch im Vergleich zu denen der Arbeiter. Das kann man nicht miteinander vergleichen. Das sind zwei unterschiedliche Dinge, die man voneinander trennen muss.

Ich: Sie meinen also, dass wir zwei Klassen haben, deren Leistung sich nicht vergleichen lässt?

Rog.: Es gibt keine Klassen, verdammt noch mal!

Ich: Also kann man sie doch vergleichen?

Rog.: Nein!

Ich: Warum?

Rog. (schaut auf seine Uhr): Ich muss weg! (steht auf und geht)


Also, für den Herrn Rogowski nun eine kleine Lehrstunde im Fach „Vernetztes Denken I“. Erstens ist das Thema eines Stückes über den Klassenkampf natürlich der Klassenkampf, nur der Klassenkampf und nichts als der Klassenkampf. Als Klassenkampf von Unten bezeichnet man den Kampf der Arbeiterklasse gegen die Ausbeutung. Folglich hat der Klassenkampf von Unten als solches keinen definierten Adressaten sondern richtet sich gegen jede Form der Ausbeutung, bzw. jeden, den die Agitatoren des Klassenkampfs als Ausbeuter ausmachen. Als Klassenkampf von Oben bezeichnet man das Schaffen, bzw. Verteidigen machtkonservierender Strukturen. In anderen Worten: Klassenkampf von Oben ist jede Form der Ausbeutung, welche den relativen ökonomischen Vorsprung der Reichen vor den Armen erhält. Egal, ob beabsichtigt oder nicht.

Wer sich selbst also 7. Mio. € pro Jahr zahlt, während er, um Geld zu sparen, ein Sechstel der Belegschaft entlässt, der betreibt bereits Klassenkampf, Herr Rogowski. Haben sie das etwa nicht kapiert? Oder – um das mal ein bisschen drastischer zu formulieren – läuft Ihnen etwa der Arsch auf Grundeis, weil Ihnen endlich mal einer deutlich gesagt hat, was Sie eigentlich längst wissen sollten? Dass ein Mann in Ihrer Position ein potentielles Ziel für Attentate ist? Na dann, Guten Morgen auch! Ich hoffe das Frühstücksei schmeckt noch.

Wer die Globalisierung nicht verschlafen hat, sollte merken, dass Hochhuth’s Stück eher Warnung denn Drohung darstellt. Wir sind in einer (Ok)Kult-ur der Weltwirtschaftsdiktatur angelangt, in der die Politik so erpressbar wie machtlos geworden ist. Wenn „McKinsey kommt“, dann heißt es glauben, statt zweifeln, vertrauen statt nörgeln. Und am Schluss den verbesserten Aktienkurs jede moralisch zweifelhafte Handlung absegnen lassen. Zahlen statt Fakten!

Bezahlen tun diese neue Kultur v.a. die Politiker, die einzigen nämlich, die noch auf herkömmlichem Wege zur Verantwortung gezogen werden können. Wenn McKinsey, bzw. Berger kommt, dann muss Gerster gehen. Obwohl dessen einziger Fehler wohl war, dass er sich einfach nicht entscheiden konnte. Wer 38 Beratungsfirmen engagieren muss, um eine Entscheidung zu treffen, der wird und sollte niemals entscheiden. Für eine Führungsrolle gänzlich ungeeignet.

Doch im Gegensatz zu Berger muss sich Gerster nicht fürchten, wenn er das nächste mal den Zündschlüssel seines Dienstfahrzeugs umdreht. „McKinsey kommt“... Auch ein Stück über Berufsrisiko.

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