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Späte Reue
artikel [ Gesellschaft ]
Kolumne 7

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von [Delagiarmata ]

2004-04-05  |     | 



Man sollte in emotional geladener Stimmung den Bleistift ruhen lassen. Das habe ich vor einigen Wochen auch bewusst getan. Jetzt hat sich das Grauen vor mir selbst gelegt. Der Blick ist vielleicht noch nicht ganz klar, aber die gewonnene zeitliche Distanz lässt zumindest Gedanken in einem abgekühlten Kopf entstehen.

Folgendes war vorgefallen. Wir kennen den Kollegen doch schon lange. Er ist vor einigen Jahren aus Sachsen bei uns im bayrischen Lande eingeschneit. Sein Selbstbewusstsein war angeknackt und ist es bis heute geblieben. Ein unbändiges Streben nach Integration ins Arbeitskollektiv hat die seltsamsten Blüten getrieben und die Meute hat seine Schwächen voll ausgenutzt.

Eine seiner skurrilen Macken ist die Allwissenheit und der damit verbundene Drang, sich in alle laufenden Gespräche einzumischen. Wir waren zu zweit und hatten den Vorteil einer gemeinsamen Vergangenheit in einem fernen Land. Er war allein. Wir zwei unterhielten uns gerade über die in einem totalitären kommunistischen Staat erlebte Arbeitswelt; damals nicht immer zu unserem persönlichen Nachteil, gebietet die Ehrlichkeit zuzugeben.

Der junge Kollege kam hinzu und mischte sich sogleich ein. Nichts von dem, was wir alte Hasen früher mal gelernt hatten, war ihm fremd. Wir erkannten seinen Geltungsdrang und stachelten ihn zu einer wahren Selbstdarstellungsorgie an. Bereits nach wenigen Minuten hatte sich der gute Kamerad zu fünf (5) „ausgelernten“ Berufen bekannt.

Wir zwei hielten zusammen wie Pech und Schwefel, auch ein dritter gesellte sich zu uns und unsere Rudelpsychose nahm abstruse Züge an. Wir lachten, schlugen uns auf die ölverschmierten Latzhosenschenkel und klopften uns an die heißen Stirnen. Und fragten. Und fragten den Eingeengten (er hatte das Spiel längst erkannt) immer weiter. Der aber konnte sich nicht befreien. Seine Lächerlichkeit stieg ins Unermessliche und unser Vernichtungswahn ins Verbrecherische.

Was danach kam, geht mir bis heute nach. Und weil das nach dem selbst auferlegten Schreibverbot noch immer so ist, bringe ich es hier zu Papier (Bildschirm). Es war mir an jenem Tag auf dem Heimweg zum Kotzen zumute. Was anderes hatte ich eigentlich getan, als mich mit dem ungeliebten Angeber auf eine Stufe gestellt zu haben? Und was soll jetzt diese Frage? Auch sie ist doch nicht mehr und nicht weniger als das egoistische Produkt einer vorurteilsgeschwängerten Meinungsbildung über einen Menschen, zu dem die Chemie schlicht und einfach nicht stimmt. Spieglein, Spieglein an der Wand, ..

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