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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2006-10-02 | |
Überschreitet man die Brücke des Weißbaches, der sowohl Bayerisch Gmain von Großgmain als auch Deutschland von Österreich trennt, dann passiert man rechter Hand ein dem Verfall preisgegebenes Mauthaus und linker Hand ein ebenfalls unbewohntes und schon verwahrlostes Haus, an dessen Giebel allerdings noch das verwitterte Konterfei eines Herrn Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) zu erkennen ist. Österreich. Das Bild einer Grenze, die ihre Abgrenzungsfunktion längst eingebüßt hat. Nur wenige Schritte weiter in Richtung Salzburg, wo wie nirgends auf der Welt der Beweis erbracht wird, dass Unsterblichkeit mit Verwitterung nichts am Hut hat, streckt eine Wallfahrtskirche ihren Turm gen Himmel. Sie ist immer offen, für Einheimische und Fremde, ebenso wie für deren kulturellen Belange, und das unabhängig von jeglichen konfessionellen Bindungen.
Eine hindernislose Grenzüberschreitung und der Gang durch das immer einladende Kirchenportal sollte an jenem wettergottgesegneten Donnerstag des 21. September 2006 mit einer Kulturdarbietung über alle ethnischen Grenzen hinweg belohnt werden. „Shalom – Salam – Friede“ nannte sich ein „musikalischer Abend“, zu dem der Kulturkreis Großgmain (www.kulturverein-grossgmain.at) eingeladen hatte. Auf einen Musikliebhaber, der als Tourist seit zwei Wochen nicht nur die Wunder menschlicher und göttlicher Gestaltungskraft zwischen Salzburg und der Watzmannfamilie genoss, sondern auch den Klängen so mancher Blaskapelle lauschte und sich von der Bad Reichenhaller Philharmonie in die unermesslichen Weiten der klassischen Promenadenkonzertliteratur entführen ließ, konnte nur noch eine außergewöhnliche Darbietung einen besonderen Eindruck machen. Also mussten Grenzen überschritten werden; und das wurden sie dann auch im wahrsten Sinne des Wortes. Grenzen zwischen den Kulturen sind viel leichter überwindbar, als das landläufig angenommen wird. Mit Musik, wie könnte es anders sein, ist das Wandeln zwischen Jüdisch, Islamisch und Christlich nicht mühsamer, als die wenigen Schritte über die schmale Weißbachbrücke. Musik und Worte gehören zusammen, nicht nur im Lied. Auch das gesprochene Wort kann andeuten, anregen, einführen, unterstreichen und dem Klang der Instrumente zu noch mehr Verständlichkeit und einer gewissen Annäherung ans Rationale verhelfen. Die Worte an diesem Abend wechselten sich mit der Musik ab und hatten mit dieser einen gemeinsamen Nenner, ganz gleich ob sie aus geistlichem (Hw. Gr. Herbert Josef Schmatzberger), wissenschaftlichem (Univ. Prof. Dr. Gerhard Langer), philosophischem (Johannes Graf Walderdorff – mit einer sehr persönlichen Rede) oder künstlerischem (Georg von Steinitz) Munde kamen: Shalom – Salam – Friede. Musik mag zwar eine universelle Sprache sein, aber ohne irgend jemand zu nahe treten zu wollen, traue ich mich zu behaupten, dass es eine Musikgattung gibt, die ein wenig, nur ein klitzeklein wenig, aber immerhin, etwas universeller ist. Sie beherbergt so viele Elemente anderer Klangarten in sich, „hat einen Teil benachbarter Kulturen in sich aufgenommen“ (Gerhard Langer), so dass es Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen, oder nur Kennern dieser Kulturen, nicht schwerfallen dürfte – ein Mindestmaß an gutem Willen ist natürlich vorausgesetzt –, das Gehörte als bekannt einzustufen. Klezmer, das ist die Musik, die der Universalität der Tonkunst wohl am nahesten steht. Eben darum stellt sie an ihre Interpreten auch höchste technische und interpretatorische Ansprüche. Es war nicht schwer, vom neugierigen Zuhören übers Aufhorchen bis zur Bewunderung zu gelangen. Schon die erste Melodienfolge „Nokh a Glezl Vayn / A Nakht in Gan Eydn / Fun Kiew kejn Kischiniew“ sprach Bände von der Hingabe, mit der sich Georg Winkler (Es-, B-, Bassklarinette), Hubert Kellerer (Knopfakkordeon) und Peter Aradi (Kontrabass) der Tonkunst des Klezmer widmen. (www.klezmorim.at) Arjang Byron, eine in Indien geborene Sopranistin, bestritt mit Bravour und viel Charme den Gesangspart des Programms. Begleitet wurde sie am elektrischen Klavier von Stefan Byron. Beide waren aus London angereist, um hier im Salzburger Land, wo schon vor mehr als 200 Jahren unsterbliche Melodien auf andere Kulturen, etwa mit Geschichten aus dem Serail, hindeuteten, Einblicke in die Mannigfaltigkeit der jüdischen Musik zu gewähren. Sie sind meist kurz, die Klezmerlieder, und ihre Botschaften sind einfach, sprechen vom Alltag der Menschen, ihren Leiden und Freuden, Resignationen und Hoffnungen. Trotz der jüdischen Geschichte des verflossenen Jahrhunderts ist Klezmer aber keine larmoyante, weinerliche, nur klagende und schon gar nicht anklagende Musik. Nein, sie sprüht oft förmlich vor Vitalität und überschäumender Lebensfreude. Wer kennt nicht eine Melodie wie „Yid’l Mit’n Fid’l“: Das ganze Leben ist ein Lied. Das ganze Leben ist ein Spiel. So einfach die Botschaften sind, so schwierig gestaltet sich manchmal das Beschreiten der musikalischen Wege vom Künstler zum Publikum. Da sind Hürden zu meistern, die nur von Interpreten höchster Güte bewältigt werden können. Arjang & Stefan Byron bewegen sich in jenen Künstlerregionen, in denen die Luft spürbar dünner wird. Ihre Darbietung vor dem Altar der Pfarr- und Wallfahrtskirche Großgmain war, mit den volksnahen Worten ihrer Lieder gesagt, gänsehautfördernd. Christliches Singen ist Teil des christlichen Lebens, so wie jüdisches Singen Teil des jüdischen Lebens ist, wobei es wahrlich nicht nur um religiöse Musik geht, und weil Christen und Juden sich an diesem Abend trafen – dem Islam gedachte Georg von Steinitz in seinem Redebeitrag -, sangen sie zum Schluss auch gemeinsam: Hava Nagila – Hava Nagila -...Uru Uro Achim – Uru Achim V’elevsamsach... Und ich staunte: Irgendwie kannte ich diese Melodie doch, als erklänge ein Schlager aus den Jahren meiner Großen-Buben-Zeit. Doch warum das Grübeln, wo an diesem Abend doch Melodien zu hören waren, die so leicht von meiner Frau und mir einzuordnen waren? Doina. Sie hat Aufnahme gefunden im Klezmer (als Phänomen gedacht) und reist nun mit diesem um die Welt. Eine Symbiose, entstanden aus den Klagen der Ärmsten, ist auf der Wanderschaft und wer mag es ihr übel nehmen, wenn sie, diese und andere Symbiosen, es sich eines Tages sogar anmaßen würden, Grenzen niederzureißen. |
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