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Das deutsche Feuilleton ist angetan
artikel [ Bücher ]
Habseligkeiten – Roman von Richard Wagner

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von [Delagiarmata ]

2008-07-20  |     | 



Katharina wird Katy genannt. Ihr Mann ist Johann, genannt John. Sie tragen diese englisch veredelten Rufnamen, weil sie einige Jahre in Amerika waren. Ihre Tochter heißt Theresia und heiratet den Bieber Bastian. Das Paar hat drei Kinder. Eins ist Lissi, die den Zillich Karl heiratet. Sie haben einen Sohn, den Werner Zillich. Er ist der Ich-Erzähler in diesem Buch und seine Mutterseite ist ihm spürbar näher als die Vaterseite. Seine Großmutter väterlicherseits bleibt unerwähnt. Der Großvater war der Zillich Michael und dessen Vater schrieb sich Zillich Nikolaus.

„Da unten, unsichtbar, lebt das Dorf weiter. In einer Wiederholungsschleife, die so lange läuft, wie die Erinnerung standhält.“ Wie wahr. Und diese Erinnerung ist wie ein Schweizer Käse. Immer wieder tun sich Lücken auf. Der eine und andere der Altvorderen fällt durch. Die Gründe für ihr Verschwinden aus der Erinnerung sind sehr vielschichtig. Aber auch sie deuten auf Sympathien und Antipathien hin, eben auf wirkliches Leben in diesen „Orten zum Weggehen“ im Banat. Andere sind sehr präsent, gehören zum Denkmuster des Erzählers – ein Alter Ego des Autors? -, der immer wieder unterstreicht: „... wie meine Großmutter sich ausdrückte.“

Der Bauingenieur Werner Zillich lebt mit dieser Ahnengalerie. Sie ist immer gegenwärtig, obwohl sie sein Handeln in der Gegenwart nicht gerade unmittelbar beeinflusst. Nur die noch lebende Mutter und der soeben verstorbene Vater spielen noch eine Rolle.

Richard Wagner versucht, etwas Spannung in die Geschichte zu bringen. Ein mühseliges Unterfangen scheint das zu sein. Die in Budapest aufgegabelte Clara und die sie umgebenden zwielichtigen Gestalten reichen für eine zügige, Interesse hervorrufende Romanhandlung nicht aus. Man liest aber trotzdem weiter. Mehr als Trivialität ist der meisten Menschen Alltag doch auch nicht. Also ist man mit der kaputten Ehe des Erzählers, der wieder gefundenen Tochter und deren neuer, verkicherten Freundschaft zu Clara gut bedient. Eben Alltag, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Einfach langweilig und doch lebensnah.

„Handschriftliches Sütterlin kann ich nicht lesen. Gedrucktes schon. Wegen Karl May. Ich habe Karl May in den alten Ausgaben gelesen. In den Vorkriegsausgaben, die die Leute im Dorf in den Schränken hatten oder auf den Dachböden.“ Das klingt nach dem Bekenntnis eines Mittfünfzigers und mit solchen Passagen können sich Gleichaltrige leicht identifizieren. Besonders Wagners Landsleute könnten damit etwas anfangen, falls ihr Kulturbedürfnis sich damals, als sie noch unten lebten, nicht in der Kerweih, dem Banater Kirchweihfest, erschöpfte.

Die Russlandgeschichte des verstorbenen Karl Zillich ist nur eine von vielen aus dieser Volksgruppe. Sie könnte auch einer Landsmannschaftsbroschüre entnommen sein. Aber gerade sie ist es, die so manchen Außenstehenden interessieren dürfte, ob aus geschichtlichem Interesse oder gar der eigenen Erinnerung geschuldet bleibt unerheblich. Das Buch können so, oder gerade darum, auch ältere Semester mit Gewinn lesen.

Eine Sprache kann einfacher nicht sein, wie die, derer Richard Wagner sich hier bedient. Das ganze Buch ist eher eine zu ausführlich geratene Reportage und dazu noch geschrieben in einem rudimentären, grammatikalisch zwar nie falschen, aber selbst für jeden nur mäßig landessprachwilligen Nichtdeutschen verständlichen Deutsch. Man fragt sich unwillkürlich, ob hier ein Berufsschriftsteller am Werk war oder eher ein in der Fabrik arbeitender Laienautor. Selbst Max von der Grün und seine Kollegen von der Dortmunder Gruppe 61 würden bei dieser Lektüre wahrscheinlich die Nasen rümpfen.

Aber wer weiß? Vielleicht ist das so gewollt. Der Ich-Erzähler ist ja weder Philosoph noch Schriftsteller. Er benutzt halt seine Ingenieurssprache so gut er kann. Und das reicht völlig aus, um neugierigen Lesern ein Bild des Banater Dorfes von anno dazumal, der sozialistischen Baustellenmisere, der nicht immer erfreulichen Folgen der Auswanderung und schließlich der von alldem hierzulande übrig gebliebenen „Schwabentreffen“, bei denen „man aß, trank, tanzte und lästerte“, zu vermitteln.

Das deutsche Feuilleton zeigte sich auf jeden Fall angetan von diesem Roman – soweit es ihn natürlich überhaupt wahrgenommen hat. Ob das den Verkaufszahlen aber letztendlich förderlich ist, lässt sich nicht sagen. Gustos und Ohrfeigen sind auch beim deutschen Leser sehr unterschiedlich.


[Richard Wagner: Habseligkeiten, Roman, Aufbau-Verlag GmbH, Berlin 2004; ISBN 3-351-03027-4; Euro 17,90 oder als Taschenbuch ISBN 978-3-7466-2245-, Euro 8,95]

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