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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2008-01-03 | |
Ingmar Brantsch: Das Weiterleben der rumäniendeutschen Literatur nach dem Umbruch, Geest-Verlag, Vechta-Langförden, 2007; ISBN 987-3-86685-044-6; € 11.- (http://www.Geest-Verlag.de)
Da wird gleich zu Beginn ein Kanonendonner apokalyptischen Ausmaßes ausgelöst und bis zum letzten Kapitel des Buches aufrechterhalten, im Visier immer der gleiche... Spatz, eigentlich nur ein Spätzchen, hatte man ihm doch bereits die Flügel gestutzt, bevor es überhaupt richtig fliegen konnte. Erraten! Es geht um die Aktionsgruppe Banat. Ansonsten ist die Heerschau Ingmar Brantschs ganz ansehnlich, zumindest zahlenmäßig. Die wenigen Aufrechten, die unter der Fahne der rumäniendeutschen Literatur geblieben sind oder sich dazu gesellt haben – viel mehr waren es zur Zeit der „Aktionsgrüppler“ (Wortschöpfung Ingmar Brantschs) eigentlich auch nicht – haben es längst verdient, in einem Band besprochen, in diesem Fall viel gelobt und schonend kritisiert zu werden. Der Autor ist bekannt als hartnäckiger Verfechter der Belange autochthoner deutscher Literatur in Rumänien. Er spricht immer wieder von den vier deutschen Literaturen, die bis 1990 noch fünf waren. Immerhin konnte der Verfasser dieses Buches noch 20 Schriftsteller/innen ausmachen, die „das Weiterleben der rumäniendeutschen Literatur nach dem Umbruch“ ermöglichen. Er teilt sie in drei Altersgruppen ein: die Seniorengeneration, die mittlere und die jüngste Generation. Nach einer jeweiligen Präsentation des sozialen und politischen Klimas, in der die Gruppen ihrem schriftstellerischen Wirken frönten, widmet Brantsch jedem Einzelnen seine Aufmerksamkeit. Dabei akzentuiert er mehr die schöpferischen Elemente als die bio-bibliographischen Fakten. Das wiederum verleitet den Texten Essaycharakter und eröffnet dem Autor die Möglichkeit, so manches bisher geschlossene Fenster zu den Kulissen des Literaturbetriebs der deutschen Minderheit in Rumänien zu öffnen. Wen mag es dabei wundern, dass hier die Seniorengruppe besonders prädestiniert ist. Brantsch schreckt auch von Wertungen im Stile der Literaturkritik nicht zurück, aber wie gesagt mit spürbarer Nachsicht. Ein wenig erinnert das beim Lesen an die Unterschiede, die man gelegentlich zwischen Konzertkritiken über Profiorchester und Laienorchester in Regionalzeitungen (in den überregionalen kommen letztere sowieso kaum vor) erkennen kann. Eginald Schlattners Roman Rote Handschuhe ist in diesem Sinne das „bisher überhaupt anschaulichste und damit beste Buch in deutscher Sprache über den rumänischen Totalitarismus schlechthin“. Während andererseits der von Brantsch anscheinend innig geliebte Richard Wagner seine Vergangenheit „als Chefideologe der Aktionsgrüppler Banat“ fortdauernd in der Ecke für schlimme Buben auf Maiskörner kniend verbringen muss - wobei er in diesem Buch gar nichts zu suchen hätte -, wird wiederum Annemarie Podlipny-Hehn als Retterin „des deutschsprachigen literarischen Nachwuchses aus dem Banat“ gefeiert. Gewichtungen eben, wie sie in jeder essayistischen Abhandlung über Literatur üblich sind, ja deren Würze ausmachen. Die mittlere Generation „ist am stärksten geprägt von der Ceauşescudiktatur“, erläutert Brantsch und versucht den Spagat zwischen Anpassen und Hinterslichtführen der Zensur zu erklären. Er spricht in diesem Fall von einem „Postostblocksozialismus“, der teilweise auf die empfindlichen seelischen Strukturen der Literatur ebenso verheerend wirkte wie die vorangegangene Diktatur. Anemone Latzina kann „mit ihrem Leben, Schaffen und Sterben vielleicht das anschaulichste Beispiel für die Dramatik dieses Ãœbergangs“ verbildlichen. Der tragische Tod dieser Dichterin deutet zwar nicht das Verschwinden, aber doch das Dezimieren einer bis dato regen Literaturszene hien. Symptomatisch für das sich andeutende „Weiterleben der rumäniendeutschen Literatur nach dem Umbruch“ ist die Namensliste der zur mittleren Generation gehörenden Autorinnen (kein einziger Mann). Von den acht Literatinnen tragen drei deutsche und fünf rumänische Familiennamen. Die Sprache lebt weiter, nur ihre Schreiber kommen jetzt aus zwei Ethnien. Aber bei der jüngsten, der „Stafettengeneration“, haben wir es dann wieder nur mit einer Ethnie zu tun. Auf dieses Phänomen ist Ingmar Brantsch besonders stolz und zieht daraus seinen Optimismus betreffs der Weiterexistenz einer einheimischen deutschen Literatur in Rumänien. Diese jungen, im Literaturkreis „Die Stafette“ aktiven Autorinnen und Autoren sind nämlich deutsch schreibende Rumänen. Und spätestens sie haben mit Brantschs Aktionsgruppe-Alptraum nichts mehr am Hut. Und trotzdem heißt es: „Das von selbsternannten ‚Totengräbern’ im Oktober 1989 in Marburg inszenierte Begräbnis der rumäniendeutschen Literatur, hauptsächlich durch die Aktionsgrüppler Banat, wird im beginnenden dritten Jahrtausend auch durch diesen Debütband der blutjungen 1983 in Temeswar geborenen Autorin Petra Curescu ein übriges Mal ad absurdum geführt.“ Warum tut man diesen jungen Literaten rumänischer Zunge und deutscher Schrift das an? Die haben es wahrlich nicht verdient, dauernd als Beweismaterial alter mehr oder weniger beglichener Rechnungen herzuhalten. Sie stehen heute für eine ganz andere Sache als die Autoren der deutschen Minderheit aus den 1970er Jahren. Warum sollte man sie als x-te deutsche Literatur in einem Deutschland wahrnehmen, in dem jährlich tausende Autoren auftauchen und ebenso schnell wieder in der Versenkung des Reichs der Namenlosen verschwinden? Es wäre für die deutsche Kultur und speziell die Literatur viel wichtiger, wenn das literarische Wirken dieser Stafettegeneration in einschlägigen rumänischen Kreisen je mehr wahrgenommen würde. Und wenn man in diesem Buch liest, wie einige dieser jungen Talente sich in der rumänischen Kultur- und Literaturszene als deutsche Kulturwerteschaffende durchsetzen und wahrgenommen werden – Lehrtätigkeit, Mitgliedschaft im Rumänischen Schriftstellerverband, Theater- und Journalistentätigkeit -, dann spürt man dass Ingmar Brantsch den störenden Bezug (besonders durch die ewigen Wiederholungen) der Stafettengeneration zu den „Aktionsgrüpplern“ selbst ad absurdum führt. Ansonsten war dieses Buch, wie gesagt, längst fällig. Die „rumäniendeutsche Literatur nach dem Umbruch“ hat es verdient mal von außen – wenn auch von einem Detailkenner der Szene – gewürdigt zu werden. Ist unter diesen deutsch schreibenden Rumänen auch kein von den Aktionsgrüpplern so wirkungsvoll aufs deutsche Literaturschild gehobener Mircea Cărtărescu (also wirklich nervend diese Grüppler), so bleibt Ingmar Brantschs Verdienst für die Sache der rumäniendeutschen Literatur und mittels ihr der deutschen Sprache in Rumänien nicht minder bedeutend. Wer über die Träger des kultivierten Deutschs in Rumänien etwas wissen will, kommt an dieser Literaturabhandlung nicht vorbei. Da liegt ein empfehlenswertes Buch auf dem Tisch, wenn es auch an den üblichen Krankheiten der in Zuschussverlagen erscheinenden Büchern, sprich bemerkbares Fehlen eines qualifizierten Lektorates oder zumindest Korrekturlesens, leidet. Und hier die Heerschau in der von Ingmar Brantsch aufgestellten Reihenfolge: Hans Liebhardt, Eginald Schlattner, Joachim Wittstock, Wolfgang Fuchs, Erika Scharf, Annemarie Podlipny-Hehn, Anemone Latzina, Ilse Hehn, Christel Ungar, Diana Schuster, Cristina Tudorica, Ioana Crăciuni, Olivia Spiridon, Carmen Elisabeth Puchianu, Lorette Brădiceanu-Persem, Lucian Manuel Vărşăndan, Henrike Brădiceanu-Persem, Petra Curescu, Andrei Cherascu, Dan Cărămidariu. In einem bio-bibliographischen Anhang werden alle Protagonisten der rumäniendeutschen Literatur noch einmal mit einer Kurzvita vorgestellt. Man schließt den Buchdeckel nach der letzten Seite. Damit ist das letzte Kapitel der rumäniendeutschen Literatur aber wahrlich noch nicht geschrieben, denn, wer die Szene beobachtet, wird bereits mit Namen konfrontiert, die in der vorliegenden Abhandlung noch nicht anzutreffen sind, wie zum Beispiel: Sorin Gădeanu, Gudrun Debriacher, Teodor Miu oder Aurelia Bonchiş. Ingmar Brantsch wird’s freuen. |
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