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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2007-08-11 | |
Die Sonne kam über die Stadt. Sie wollte es den Menschen zeigen. Ich bin da und habe nichts von meiner Kraft eingebüßt. Zu spät für die Jungstörche in Bayern. Viele von ihnen sind in den kalten Julitagen und –nächten verendet.
Das Leben aber ging weiter, zumal die Menschen heute längst ohne Störche für ihren eigenen Fortbestand auskommen und vor allem weil die Sonne wieder da war an jenem 13. Juli 2007, ein Freitag. Und sie schien teilhaben zu wollen an der Feststimmung so manchen Gemeinwesens in den bayerischen Landen. Am Tag darauf ließ sie bereits in den späten Vormittagsstunden etwas von ihrer Unbarmherzigkeit erahnen und trieb den Musikanten auf der Bühne in der Ingolstädter Ludwigstraße den Schweiß aus den Poren, noch bevor sie überhaupt das erste Stück angestimmt hatten. Diese Mannsleute gehörten einst zwei deutschen Volksstämmen an, die jeweils in geschlossenen Diasporagemeinschaften im Südosten Europas siedelten und deren traditionelle Existenzformen sich um 1990 auflösten. Die Vorfahren dieser Männer und die Älteren unter ihnen selbst kamen im Laufe ihres „dortigen“ Lebens des Öfteren vom Regen in die Traufe, konnten aber immer dem Schicksal der bayerischen Jungstörche anno 2007 entrinnen. Minderheiten waren für die Geschichte schon immer die leichtesten Spielbälle. Jetzt spielten sie. Ein älteres Ehepaar stand neben mir und hörte zu. Der Mann war angetan von dem, was er da hörte. Es klinge weich, meinte er, und sei melodiös. Ein bisschen wie böhmisch, aber doch nicht ganz, ergänzte ihn die Frau. Und wie das schon so ist, wenn man auf einem sonnigen Bürgerfest dicht neben-, vor- und hintereinander an einer Bühne steht, redet man halt miteinander, auch wenn man sich nicht kennt. Diese Leute kommen auch von weiter östlich oder besser gesagt von weiter südöstlich, als Böhmen liegt, ließ das Rentnerehepaar sich informieren und zeigte mit seinem wunderschönen norddeutschen Hochdeutsch auch sogleich Interesse am Werdegang dieser Kapelle. Sie waren überrascht, wie weit der Einfluss böhmischer Kapellmeister dank einstiger habsburgischer Reichsausdehnung reichte. Jetzt saßen sie in der Sonne, sowohl im wahren als auch im übertragenen Sinne des Wortes, die Musikanten der Siebenbürger-Banater Blaskapelle aus Ingolstadt. Und ihre Musik gefiel den Passanten; kaum einer ging vorbei, ohne sich wenigstens ein Musikstück anzuhören. Was sie zu hören bekamen, war schlicht, melodiereich, stellenweise sogar virtuos, aber vor allem dynamisch und gefühlvoll vorgetragen, einstudiert und trotzdem spürbar intuitiv empfunden. * * * So klingt es auch auf ihrer frisch eingespielten CD „Heimatgrüße“. Das ist sicherlich keine Konkurrenzscheibe für die Musiker um Ernst Hutter oder Michael Klostermann, aber mit Sicherheit eine Bereicherung für die Blasmusikkultur hierzulande. Um diesem sich selbst gestellten Anspruch gerecht zu werden, ist der Leiter und die Seele dieser Kapelle ebenso clever wie verantwortungsvoll bei der Repertoiregestaltung vorgegangen. Nikolaus Kreidl, (Foto: rechts) geb. im Banater Dorf Blumenthal (heute Maşloc), hat sich bei dieser Produktion nicht aufs Nachspielen beschränkt. Vorspielen muss sein Ansinnen gewesen sein, etwas vorstellen, was man in der hiesigen Blasmusikszene so nicht kennt. Da tauchen zum Beispiel unter den auf dem Rückcover angeführten Stückeschreibern Namen von ehemaligen Dorfkapellmeistern dieser zeitlich wie geografisch entlegenen Gegenden Europas auf. Ob hier vielleicht ein fleißiger und von seinem Auftrag beseelter Dorfmusikant - vielleicht vom ehemaligen Militärmusiker in einer österreich-ungarischen Regimentskapelle zum Dorfkapellmeister aufgerückt - nur seinen Namen unter ein oder auch mehrere Stimmen gesetzt hat und jetzt post mortem zum Komponisten geadelt wurde, darf man getrost als augenzwinkernde Ãœberleitung zum dokumentarischen Wert einer solchen Einspielung betrachten. So ähnlich klang es durch die Dörfer des ehemaligen Banats und Siebenbürgens, wenn die Volksgruppen ihre Festtrachten anzogen, um ihrem von Glaube und Arbeit vorgegebenem Lebensrhythmus Rechnung zu tragen. Dass die einen dabei überwiegend evangelisch (Siebenbürger Sachsen) und die anderen katholisch (Banater Schwaben) waren, spielte bloß eine rituelle Rolle, aber auf das begleitende musikalische weltliche Szenario hatte es kaum unterschiedliche Auswirkungen. Man spielte diese Blasmusik zum Tanz und nicht zur musikalischen Bierzeltkulisse. Abgesehen von wenigen erträglichen Dissonanzen – besonders in Trompeten-Flügelhorn-Passagen - wurde hier auch gute musikalische Handwerksarbeit geleistet. Nikolaus Kreidls Mitstreiter sind Rentner, Arbeiter, aber auch junge, von Profihand geschulte Musiker. Und auch letzteres ist stellenweise herauszuhören. Das Booklet kommt ganz ohne Trachten aus. Die Musiker postieren vor der Mittelalter und Gegenwart vereinenden Kulisse des Ingolstädter Schlosses und des der Moderne zuzuordnenden Donaustegs. Sie sind angekommen in ihrer selbst gesuchten Heimat und bedanken sich für ihren Platz an der Sonne mit dieser CD sowie ihrem Wirken im Gemeinwesen dieser Stadt. Leider stehen der hervorragenden grafischen Gestaltung (Foto: Johann Untsch; Grafik & Layout: Romplett-Grafik) zwei leere Seiten gegenüber. Sehr, sehr schade, kann man doch auf zwei Seiten eine Menge interessanter Informationen, aber auch Werbung in eigener Sache transportieren. Auch eine Kaufadresse fehlt für eventuelle Interessenten. |
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