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Singen gegen den eigenen Abgesang
artikel [ Kultur ]
Der Temeswarer Schubert-Chor konzertierte in Ingolstadt

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von [Delagiarmata ]

2007-06-17  |     | 



Warum verschließt Jakob Hügel unter dem Bildnis Franz Schuberts die Augen vor dem Auditorium, vor der Welt? Weil er in diesem Augenblick eine andere Welt verinnerlicht hat. Er rezitiert: „Möchte wieder in die Gegend / Wo ich einst so selig war, / Wo ich lebte, wo ich träumte / Meiner Jugend schönstes Jahr! /...“ (Nikolaus Lenau: Einst und jetzt) und „Oweds an de Brunne gehn / un de Sandkruch fille - / eemol norr mecht ich dort stehn / un mei Dorscht noch stille. /...“ (Hans Wolfram Hockl: Oweds am Brunne).

Der Lenauheimer Jakob Hügel spricht die Verse seiner Landsleute mit einer Innigkeit, die ohne jedwede Schauspielerei auskommt. Er ist eben ehrlich, dieser Verinnerlichungsprozess, auch wenn er seinen seelischen Tiefgang weniger aus der Sehnsucht nach einem geographischen Landstrich, als vielmehr nach den in ihm verbrachten Lebensjahren schöpft, Jahre, in denen alle hier im Rudolf-Koller-Saal zu Ingolstadt versammelten Akteure und Zuhörer noch viel, viel jünger waren.

Wir schreiben das Jahr 2007. Der Rezitator wird von den Mitgliedern des Schubert-Chors, unter den nachdenklich in die Ferne schweifenden Blicken Franz Schuberts, umgeben .Die Singgemeinschaft wurde 1969 in Temeswar, dem kulturellen Zentrum jenes südosteuropäischen Landstrichs, den man in allen Sprachen Banat nennt und der für fast alle im Saal und auf der Bühne einmal Heimat war, aus der Taufe gehoben. Mittlerweile sind 38 Jahre mit gewaltigen geschichtlichen Umwälzungen über den alten Kontinent gezogen und haben auch am Aushängeschild des deutschen Musiklebens im Banat der Nachkriegszeit ihre Spuren hinterlassen.

Dieser Konzertnachmittag in Ingolstadt, am 16. Juni, konnte und wollte wahrscheinlich auch gar nicht darüber hinwegtäuschen. Der Temeswarer Schuber-Chor ist längst kein Klangkörper mehr, der durch ein reguläres Probe- und Auftrittsdasein ein erneuertes Programm mit einem Querschnitt durch die klassische und moderne Chorliteratur mit eventuell spektakulären Momenten – wie medienerprobte Zeitgenossen das heute oft erwarten - bieten kann. Das hat der erfahrene und professionell agierende Dirigent Adrian Nuca-Bartzer natürlich erkannt und dementsprechend auf Tradition gesetzt.

Franz Schubert, Richard Oschanitzky, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Emmerich Bartzer, Qirin Rische, Franz Stürmer, Claus Merdigen, Matthias Schork, Lorenz Meierhofer und erfreulicher Weise auch der anwesende Johann-Sieber Brach, Mitglied des Chores und Maler des über allen thronenden Franz-Schubert-Gemäldes, sind Namen von Komponisten und Arrangeuren, die es einer in alle deutsche Winde zerstreuten Chorgemeinschaft ermöglicht, Menschen mittels guter und teilweise sogar sehr guter Chormusik mit auf den vom Rezitator eingeschlagenen Weg der Verinnerlichung einer geistigen Rückkehr ins Gestern zu nehmen.

Man kennt diesen leicht zögerlichen Konzerteinstieg, die ersten, von den nie zu zähmenden Emotionen überlagerten Töne. Der Schubert-Chor hat diese Fase bravourös überstanden und selbst den Schwächeanfall einer Sängerin – Sängerinnen und Sänger altern leider mit ihrem Chor – bereits beim nächsten Lied vergessen lassen. Und es war auch hier wie so oft spürbar, wie mit fortschreitender Zeit die Sicherheit und Qualität der Darbietungen zunahm.

Ein erster Höhepunkt des Konzertes war mit dem Liedvortrag Walter Berberichs, Tenor, und Marianne Bodius, Klavier, erreicht. „Nach deinen Spuren“ (Text: Peter Jung, Musik: Emmerich Bartzer) erklang in idealer Abstimmung nach allen regeln der Musikkunst. Einmal auf der Höhe angelangt, wollten die Akteure nicht mehr ins Tal.

Der Chor hatte seine Scheu abgelegt und agierte immer überzeugender. Die Programmzusammensetzung zeugt vom großen Verantwortungsbewusstsein des Chorleiters. Trotz altbekanntem Stammrepertoire (besonders im zweiten Konzertteil), sollte für Vielfalt in der Darbietung gesorgt sein. Die Singgruppe des Schubert-Chors – bei diesem Konzert vier Frauen und drei Männer – verfügt über ein bemerkenswertes Gesangspotential. Adrian Nuca-Bartzer dirigierte und bewältigte gleichzeitig in souveräner Manier den Basspart.

Für einen weiteren solistischen Leckerbissen zeichnete Irmgard Müller, Sopran, begleitet von Marianne Bodiu am Klavier, das man sich hier stellenweise etwas leiser gewünscht hätte. „Grüßt mein Banat“ (Text: Anni Schmidt-Endres, Musik Emmerich Bartzer) aus der gleichnamigen Operette war genau das richtige Lied, mit dem die inhaltliche Symbiose zwischen Heimwehpoesie und Heimwehmelodie erreicht war.

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Der zweite Konzertteil konnte so getrost auch als Hommage an die kulturvermittelnde und beileibe nicht nur der Unterhaltung tributären Aufgabe eines Klangkörpers verstanden werden. Womit wir auch schon bei der Zielvorgabe, nach der diese Chorgemeinschaft mit heute 80 aktiven Mitgliedern agiert, wären, nämlich „das deutsche, vor allem aber das Banater deutsche Chorlied einem breiten Publikum nahe zu bringen“, wie Adrian Nuca-Bartzer im Programm-Blatt kundtut.

Es sollte auch hier an musikalischen Höheflügen nicht fehlen. Das „Liebesduett“ aus der Operette „Grüßt mein Banat“, mit viel Hingabe interpretiert von Irmgard Müller, Walter Berberich und Marianne Bodiu, wurde mit Szenenapplaus bedacht.

Als der Chor dann „Hem geh ich net“ und „Wenn mei Deandel“ anstimmte, war klar, dass die Rückreise in die Banater Heide oder das Bergland ihr Ziel erreicht hatte. Man identifiziert sich eben instinktiv mit seinem Dialekt, seiner „Mottersproch“.

„Im Namen ihrer Einzigartigkeit haben wir alle die Pflicht, uns mit größtmöglicher Sorgfalt um unsere eigene Sprache zu kümmern. Wir haben die Pflicht, sie zu erhalten, ohne sie verknöchern zu lassen, sie zu erneuern, ohne sie zu entstellen, und dafür zu sorgen, dass sie bei dem Auftritt vor aller Welt in ihrer optimalen Version erklingt.“ Das schrieb erst kürzlich der rumänische Kulturphilosoph Andrei Pleşu den deutschen Abgeordneten in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich des Festivals „Die Macht der Sprache“ ins Stammbuch.

Genau das ist dem Schubert-Chor an diesem wunderschönen Juninachmittag in der Donaustadt gelungen: die Pflege der Sprache durch die Musik und auch ihre Konservierung mit Hilfe aktueller Medienträger. Adrian Nuca-Bartzer stellte eine frisch eingesungene CD des Chores vor und erzählte in launiger Manier von ihrer teilweise turbulenten Entstehungsgeschichte. In wenigen Jahren werde der Inhalt nur noch kulturelles Dokumentationsmaterial sein, meinte dazu die Moderatorin des Konzertes, Helmine Buchsbaum.

Aber wir leben ja noch und Todgeglaubte leben sowieso länger. Der Schubert-Chor scheint gewillt zu sein, diese Volksweisheit mit allen seinen künstlerischen und organisatorischen Möglichkeiten in die Tat umzusetzen. Der letzte Vers ist noch nicht verklungen. Auch wenn die jüngsten Zuhörer an diesem Nachmittag sich der 50ger Grenze nähern und von alteingesessenen Ingolstädtern weit und breit keine Spur zu sehen war, singt der Schubert-Chor mutig gegen den eigenen Abgesang.

Vielleicht hätte ich im Banat öfter mal ein Konzert dieser Singgemeinschaft besuchen sollen, heißt es doch in Wolfgang Hilbigs letztem Gedicht vielsagend: „als sie noch jung waren die winde / war ich verworren / und blind und taub / für ihren Gesang / jetzt wenn ich das land durchstreife / und nicht mehr weiß / wo ich bin / und nichts mehr wissen will / in meinem Herzen / denk ich an die winde / die alt geworden sind“.

(Leider enthält das Booklet der CD Grüßt mein Banat – Die schönsten Lieder des Temeswarer Schubert-Chors keine Bestelladresse.)

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