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Zu kleine Sudellätzchen
artikel [ Bücher ]
Cristina und ihre Attrappe oder Was (nicht) in den Akten der Securitate steht – Essay von Herta Müller

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von [Delagiarmata ]

2011-05-22  |     | 



In der im Wallstein Verlag erscheinenden Buchreihe Göttinger Sudelblätter werden pro Jahr zwei oder drei Essays zu zeitgenössischen Themen veröffentlicht, und das seit 1990. Diese Veröffentlichungen werden von Heinz Ludwig Arnold, bedeutender deutscher Publizist und Herausgeber von Gegenwartsliteratur, betreut. Viele bekannte Namen haben sich da mit den Jahren angesammelt: Friedrich Dürrenmatt, Robert Gernhardt, Max von der Grün, Helmut Heißenbüttel, Daniel Kehlmann, Marcel Reich-Ranicki, Peter Rühmkorf und, und, und.

Die Mitglieder des Göttinger Hainbundes fielen sich im 18. Jahrhundert noch vor lauter Klopstock-Seligkeit in die Arme und ließen ihren tränenreichen Gemütswallungen freien Lauf. Lang, lang ist’s her, dass sie diese studentischen Träumereien im GÖTTINGER MUSENALMANACH literarisch verewigten.

Da geht es in den Essays der Göttinger Sudelblätter schon lebensnaher zu – immerhin rund 240 Jahre später. Im Jahre 2009 ist in dieser Serie auch Herta Müllers Essay Cristina und ihre Attrappe oder Was (nicht) in den Akten der Securitate steht erschienen.

Es mag etwas mit investigativem Journalismus zu tun haben, wenn man sich auf die Suche nach den Schatten der Vergangenheit begibt. Dreht es sich aber um das eigene zurückliegende Leben, müssen journalistische Grundsätze essayistischen Darstellungen, sprich, rein subjektiven, selbst empfundenen und erlittenen Wahrnehmungswelten weichen. Das wäre der Fall Herta Müller mit ihrem Verfolgungstrauma, der zwar zu seiner Zeit auch journalistische Aufmerksamkeit erfuhr, aber erst im Essay den wachrüttelnden Effekt erzeugte, der letztendlich, in weitere literarische Formen gegossen, zum Nobelpreis für Literatur führte. Besser geht es nicht, um die Kraft der Bewusstseinsbeeinflussung, deren gute Literatur fähig ist, zu demonstrieren.

Herta Müller erzählt hier nüchtern, ohne Pathos, aber auch schonungslos von ihrer „regelrecht entkernten“ Akte. Das sind drei Bände, 914 Seiten Spitzelberichte und deren Auswertungen seitens der zuständigen Geheimdienstoffiziere. Die Akte hat auch einen Namen, einen schönen Mädchennamen: Cristina.

Ziel der Ausschnüffelungen, Verhöre, Verfolgungen, Drohungen und vielem mehr war sie selbst, die junge deutschsprachige und deutsch schreibende Schriftstellerin aus dem rumänischen Banat. Sie war aber nicht die einzige Leittragende in diesem schmutzigen Spiel des rumänischen Geheimdienstes, der sich der Dienste so manches rumäniendeutschen Spitzels bediente. Diese Herrschaften mit zwei oder auch mehreren Gesichtern und doppelter Zunge sind mittlerweile bekannt. Herta Müller hält fest, dass beim Vergleich verschiedener Akten von Banater Autoren sich „zahlreiche Spitzel identifizieren lassen“, wie etwa Sorin, Voicu, Gruia, Marin, Walter, Matei und viele mehr. Sie sind Lehrer, Professoren, Beamte, Journalisten, Schauspieler, Schriftsteller und mittlerweile stille Rentner.“ Die Autorin nennt auch konkret Namen von Leuten, die sich hinter diesen Spitzelspitznamen verbergen.

Man ist als ehemaliger Banater schon überrascht, wer da so alles in der dreckigen Farce – von einer ernsten Staatsbedrohung durch die Aktionsgruppe Banat und der ihr nahe stehenden späteren Nobelpreisträgerin kann ja wohl nicht die Rede gewesen sein, eher von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Securitate - mitgemacht hat. Zum Glück waren die Sudellätzchen nicht groß genug, um zu verhindern, dass die Spitzel sich mehr oder weniger besudelt haben. Und das haben sie jetzt davon: Ihre Namen stehen für alle Ewigkeit in einem Sudelblatt.


Herta Müller: Cristina und ihre Attrappe oder Was (nicht) in den Akten der Securitate steht; Wallstein Verlag, Göttingen 2009; ISBN 978-3-8353-0628-8; 47 Seiten; € 9,90



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