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Anni-Lorei Mainka: Journal auf Busfahrkarten – Fragmentarisch über das Vergehen
artikel [ Bücher ]
von florin caragiu [teotim ] Serien: Übersetzungen

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von [Delagiarmata ]

2010-06-19  |   

zum Originaltext  | 



Der Band Jurnal pe bilete de autobus – Journal auf Busfahrkarten von Anni-Lorei Mainka (Brumar Verlag, 2010) setzt auf die Verwertung des süßen Katabolismus, uns an Milan Kundera, den Mentor des Gedichts der kleinen Abbauprozesse, erinnernd. Die Dichterin pflegt die Rekrudeszenz und das Aufblühen in einer erotischen und intimen Atmosphäre. Das Bild der Mutter, Kern der Orientierung vermittelnden Liebe, die Gegenwinde neutralisiert, wird mit der Geistesschwankung im paradiesischen Kindesalter, als die katabolische Fase positiv fruchtete und den Eros fesselte, beschwört. Beim Kind stellt sich der radikale Gegensatz zwischen Schön und Garstig nicht ein, Katabolismus und Anabolismus, Assimilation und Abstoßung: „ich erinnere mich deiner mit über den kopf gezogener decke / wie du versteckt die nägel kaust / langsam verlor ich mich zwischen augenlidern mit stummem geflüster / es tut mir leid um die müdigkeit die der einsamkeit nicht standhielt die sich am tisch / voll mit krautwickeln und polenta niedergelassenden hatte / nur blieb der sandige polentageschmack am abend des abschieds von der mutter // ich habe mir die zähne nicht geputzt / und weiß du auch nicht // ich schreibe dir diese zeilen damit du weißt dass es mich nicht störte / dass du deine nägel kautest [...] ich dachte du entschuldigst dich für dein schnarchen // es stört mich nicht nein / ich bin mir auf die lippen beißend eingeschlafen um dich nicht nach mutter zu fragen // es war das einzige mal dass du mir gesagt hast ich solle pünktlich kommen und nicht vergessen eine große tasche mitzubringen / du bist das kind das mich mit den kurzen spitzen sätzen erschreckt // die tage sind in unseren augen getrocknet wie die feigen an weihnachten.“

Das Wiederauferstehen der paradiesischen Atmosphäre vermeidet aber nicht die schmerzhaften Widersprüche: „alexei / wir sterben / in der jahreszeit unseres herzens“. Die Mutter erscheint als unausgelöschte Liebe, der Eros ist als vergängliche Beziehung dargestellt. Die zwei Verhältnisse bedingen sich gegenseitig und werden immer wieder gegenübergestellt, indem sie sich phänomenologisch auf ein und dasselbe Bildersystem beziehen, das sich auf die Symbiosenhaftigkeit stützt, den gemeinsamen Metabolismus, den Eros als den Zustand zweier Lebewesen, die sich aus dem gleichen intimen Stoffwechsel stärken, wodurch jeder Katabolismus als positiv empfunden wird, mit Aromas umgeben. Die Beziehung zum Ursprung ist es, auf die dieser Eros fokussiert wird, und nicht umgekehrt.

Durch die Busfahrkarte, Bildnis des gemeinsamen Reisens, wird das Risiko der Verfremdung in einer affektiven Beziehung suggeriert, der Effekt der schiefen Ebene, des abschüssigen Untergangs: „die katze die von einem pflaumenbaum über die fensterbänke voller geranien sprang / gierig die verschlafenen motten zerkauend / ich hörte die spinne in der kammerecke ihr netz vollenden // und sie schläft satt neben dem rest der gelsen ein // und dann // dann hörte ich den großen schlüssel dann den kleinen und / als das licht anging träumte ich dass der mond mich in die arme nimmt und es wurde mir warm ich öffnete / ein klein wenig die augenlider / die mutter weinte ihre fotos zwischen dem taschentuch mit spitzen und den schlüsseln zerknitternd // welche fotos // ich habe sie nie gefragt / der nebel wird uns in dieser nacht verschlingen“, „ heute / hat sich die küchenwaage betrunken / die silbernadel weiß nicht mehr / wie viel gramm ein gedanke morgens hat / ein wort am mittag / eine erinnerung mit dir / als ich meinen zahn schluckte / den aus gold“.

Der Titel des Buches deutet auch auf die Konzentration einer Lebenserfahrung im begrenzten Raum der Texte hin, wahrnehmbar wie “Fahrkarten” für die Reise im “Zeittunnel”, in dem “die geschichten der reiskörner / harte währung sind / an der grenze zwischen unseren einsamkeiten“. Dieser Seelenzustand manifestiert, nicht zufällig, spontane Öffnungen für eine „ ikonische Perspektive“: „weißt du / alexei / ich habe in der nussschale / vitraliumstücke aufbewahrt / die kindheit in kaulen / das lachen im regenbogen / träume in schwarze / schokolade gehüllt // ich warte / die ellbogen abgenutzt / von der askese / die begegnung im vitralium / verkrämt von der zeit“.

Auch Reflexe eines Gebietes mit unausgelöschten Spuren der Auseinandersetzungen und des Terrors, die den Blick für die „Grenzsituationen“ unserer menschlichen Existenz schärfen, fehlen nicht: „hinter der großen lilie ist die weiße lilie / die kleine / deine, du hast vergessen, hast sie mit vater gepflanzt / nachdem er aus sibirien kam // ich habe vergessen mutter, habe vergessen // rost farbe holzspäne“, „wo ist gott / im radio / haben sie die fragen / verboten // das auge / jenes kleine schwalbenauge / sieht den tod nicht“. „der tod / schreibe ich dir lieber alexei / ist der sieg über das noch nicht aufgehobene gesetz“.

Aus der Sicht der von Gadamer vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem ertragenen und dem provozierten Charakter der Erfahrung, sehen wir in Anni-Lorei Mainkas Gedicht die erste Dimension aktiviert, spezifisch der essenziellen Größe der Weiblichkeit, die sich in Charakterzügen offenbart wie: Aufnahmefähigkeit, Akzeptanz, Resignation, Leben in der Erinnerung (Wiedererleben) oder Beschönigen des Guten durch Wiedererleben, Bezug zu den vorwiegend mütterlichen Ursprüngen (besonders das Wachrufen des Mutterbildnisses), Konzentration der Zuneigung in Gestik und ihre stille Individualisierung auf dem Grund der Verhältnisse zu den Dingen, Nostalgie, Ingeniosität und die Neigung zur Verniedlichung, das Meiden der Abneigung und Bosheit, der vorurteilsfreie Charakter der Erinnerung.


[aus dem Rumänischen von Anton Potche]

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