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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2009-07-06 | |
Die DDR-ler nannten ihr viel geliebtes Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der Umgangssprache „Horch und Guck“. Das in Berlin ansässige Bürgerkomitee „15.Januar“ e.V. bringt seit 1992 die Zeitschrift HORCH UND GUCK heraus. Sie präsentiert sich der Öffentlichkeit als „Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Und weil die DDR ja noch einige Brüder & Schwestern im Geiste hatte, ist es nur folgerichtig, dass diese Vierteljahresschrift sich auch mit „der Aufarbeitung anderer kommunistischer Diktaturen“ beschäftigt, wie es in ihrer kurz gefassten Webdarstellung heißt.
Die Nummer 4/2008 / Heft 62 von HORCH UND GUCK enthält einen Text mit der Überschrift Doppelt überwacht – Rumäniendeutsche Schriftsteller 1982 in den Akten der Stasi und der Securitate. Der Autor, Georg Herbstritt, ist Historiker und als solcher Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Birthler-Behörde. Der Mann hat also Erfahrung im Umgang mit Spitzelmaterial. 2007 hat er das Buch Bundesbürger im Dienst der DDR-Spionage veröffentlicht. Seine Forschungstätigkeit bei der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen (BStU) reicht aber auch bis Rumänien. Mit einem Studium der neueren und neuesten Geschichte, osteuropäischen Geschichte und katholischen Theologie in Freiburg/Br. ist er anscheinend bestens gerüstet, um sich auch in die Archive der rumänischen CNSAS-Behörde (Consiliul Național pentru Studierea Archivelor Securității), die die Securitate-Akten aufbewahrt, vorzuwagen. Dass es da an brisantem Material nicht mangelt, dürfte kaum jemand überraschen. Georg Herbstritt fand heraus, dass einigen rumäniendeutschen Schriftstellern die besondere Ehre zuteil wurde, gleich von zwei Geheimdiensten bespitzelt zu werden: Stasi und Securitate. Seiner wissenschaftlichen Darstellung des geschilderten Vorfalls hat er sowohl den zugeordneten MfS-Bericht als auch den Securitate-Rapport beigefügt. Am 7. Juni 1982 trafen sich in der Temeswarer Wohnung des Schriftstellers, NBZ-Redakteurs und Sekretärs des Adam-Müller-Guttenbrunn-Literaturkreises, Horst Samson, acht Personen. Zwei von ihnen waren Spitzel: Erich Kriemer vom MfS als IM „Buche” und „Voicu”, der seinen Bericht über dieses Treffen pflichtbewusst am 11.06.1982 der Securitate übergab. Der Wissenschaftler ist natürlich von der Gegenüberstellung der zwei Spitzeldokumente fasziniert und seine Analyse ist spannend und aufschlussreich zugleich. Georg Herbstritt befasst sich in seiner Arbeit mit den verschiedenen Wahrnehmungsmechanismen, die im Fall der zwei Informanten funktionierten, sowie mit den zum Teil spekulativen Hintergründen dieses Treffens. Dabei ist klar ersichtlich, dass „Voicus“ Darstellung des Vorgangs für die Zielscheibe Horst Samson verhängnisvoll hätte ausgehen können. Den Laien – besonders den rumäniendeutschen – interessiert aber etwas ganz anderes. Er fragt sich selbstverständlich: „Wer war Voicu?“ Der Stasi-Mann schreibt über die Teilnehmer bei diesem Treffen: „An der Begegnung bei H. Samson nahmen etwa 7 Personen teil, Bekannte von Samson.“ Der Securitate-Zuträger ist da schon viel präziser, wenn er formuliert: „Bei Samson Horst auf der Calea Aradului waren anwesend Samson Horst – Samson Edda (seine Frau), Erich Kriemer, Mark Hilde (Kriemers Übersetzerin aus Bukarest von der NEUEN LITERATUR), Josef Reisenauer (Redakteur NBZ), seine Freundin, eine Lehrerin aus Lenauheim (die Quelle hat deren Namen nicht behalten), Helga Schleich und die Quelle.“ Das führt zum Schluss, dass außer Erich Kriemer und vielleicht Mark Hilde alle anderen Beteiligten wissen müssten, wer die Quelle „Voicu“ ist. Von Georg Herbstritt erfahren wir zwar Näheres, aber nichts Bestimmtes: „Voicu gehörte dem Literaturkreis ‚Adam Müller-Guttenbrunn’ an und war als Redakteur der lokalen deutschsprachigen Tageszeitung, der NEUEN BANATER ZEITUNG (NBZ), auch ein Arbeitskollege Horst Samsons.“ Der Historiker hält fest, dass die zwei Spitzel „vom geheimdienstlichen Hintergrund des jeweils anderen nichts wussten“ und schlussfolgert, dass „die Informationen von ‚Voicu’ die Grundlage für konkrete Repressionen gegen Horst Samson bildeten“. Im NBZ-VOLKSKALENDER 1981 kann man einen Beitrag lesen, der den Titel trägt „Wir über uns – Das Kollektiv der NBZ in Stichworten“. Der Kalender ist im Herbst 1980, also etwas mehr als zwei Jahre vor besagtem Treffen in der Wohnung Samsons, erschienen. In den Kurzbiographien der damals 19 Redaktionsmitarbeiter der Temeswarer Tageszeitung (die Angestellten der Verwaltung sind hier nicht mitgezählt) wird auch die jeweilige Mitgliedschaft im Adam-Müller-Guttenbrunn-Literaturkreis erwähnt. Das gibt dann folgendes Bild: Gleichzeitige Mitarbeiter der NBZ und des AMG-Literaturkreises waren um die Jahreswende 1980/81 außer Horst Samson noch folgende Personen: Nikolaus Berwanger, Helmut Günther Menning, Anton Peter Palfi, Franz Thomas Schleich, Eduard Alexander Schneider und Balthasar Waitz. Einer von sechs könnte „Voicu“ gewesen sein. Die Tür für Spekulationen ist sperrangelweit geöffnet. Sollte hier gar ein Informant der Securitate seine Frau als Teilnehmerin eines subversiven Treffens verraten haben? Natürlich wäre allen Spekulationen ein Riegel vorgeschoben, wenn der damals bespitzelte Horst Samson den bürgerlichen Namen des Securitate-Informanten nennen würde. (Schließlich wurde er doch bei der CNSAS-Behörde in Bukarest vorstellig und bekam Einsicht in seine Akte.) Das tut er aber nicht. In einem Gespräch mit Stefan Sienerth in der Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas SPIEGELUNGEN erläutert der Schriftsteller zwar, warum er Einblick in seine Securitate-Akte nahm – „[...], ich musste wissen, welche meiner Freunde meine Feinde waren, vielleicht auch erfahren warum!“ -, lässt die Öffentlichkeit aber im Unklaren über seine Erkenntnisse, implizit der Identitäten der Spitzel. Dabei sagt er doch unmissverständlich: „Als ich meine Akten hatte, beschloss ich für mich die sofortige Liquidierung der ‚Geheimakten’ und ihre Überführung in die Öffentlichkeit.“ Das ist so seit dem letzten Spätherbst (SPIEGELUNGEN Heft 4/2008) nachzulesen. Obwohl Samson auch zugibt, dass es ihm „bisher nicht gelungen ist, alle IM (Informelle Mitarbeiter, A. d. V.) nahtlos zu entzaubern“, hegt er trotzdem die Gewissheit, dass „IM wie ‚Voicu’, ‚Walter’ oder ‚Sorin’ vermutlich nie geglaubt (haben), dass ihre Ruchlosigkeit eines Tages ans Licht kommt.“ Samson scheint also „Voicu“ tatsächlich zu kennen. Nur uns Voyeuren vergönnt er die Genugtuung des Fingerzeiges nicht und wir müssen weiter mit der Frage vorliebnehmen: Wer war „Voicu“? |
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