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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2006-05-15 | |
Das Kind hatte seinen sechsten Geburtstag. Es wünschte sich so sehr einen Malblock und eine Farbpalette.
"Ich möchte das, was ich sehe malen", sagte es. Als es sein Geschenk auspackte, strahlten seine blauen Augen vor Freude und ein Lachen zog über sein ganzes Gesicht, als würden sich alle Sonnenstrahlen in ihm spiegeln. Am Himmel zeigten sich dunkle Wolken, die immer riesiger und dunkler wurden und fast den ganzen Himmel bedeckten. In der Ferne donnerte es und Blitze schossen wie goldene Pfeile durch die dunkelgrauen Wolkenschafe. Das Kind war beeindruckt vom Schauspiel der Natur. Es schaute dem Blitz in die Augen, es lauschte dem Donner und es sah den wandernden Wolken zu, die wie eine dunkle Schafherde über die Wiese des Himmels wanderten. Als das Unwetter kaum noch zu sehen und zu hören war, schlug es seinen Malblock auf, legte die Farbpalette daneben und begann zu malen. Das weiße Papier färbte sich langsam grau. Helles und dunkles Grau wechselten sich ab und tatsächlich sah es aus, als würde eine graue Schafherde über das Blatt ziehen. Das Kind malte gelbe Pfeile kreuz und quer auf das Blatt. Nur den Donner konnte es nicht malen. "Mama, wie malt man einen Donner?", rief es ungeduldig. "Den Donner kann man nicht sehen, sondern nur hören", sagte die Mutter lächelnd und etwas verwundert über die Malkunst ihres kleinen Mädchens. "Du kannst ihn aber, wenn du das Bild betrachtest, dazudenken" sagte sie und bestaunte weiterhin das schöne Bild. "Immer wieder, wenn ich auf das Bild sehe, muss ich dabei denken, dass die Wolken immer weiter wandern, dass die Blitzpfeile fliegen und dass es regnet und der Regen auf den Boden fällt. Und den Donner muss ich dazudenken, damit ich ihn dann höre?", fragte das Mädchen begeistert. "Ja, genau", sagte die Mutter. "Dann lebt das Bild doch!", rief das Mädchen. "Es bekommt sozusagen Leben, schön, nicht wahr?", antwortete die Mutter und drückte das Kind liebevoll an sich. *** Der Himmel hellte sich wieder auf und das Unwetter schien weit weg zu sein, es war nicht mehr zu sehen und ab und zu hörte man aus der Ferne einen leisen Donner. Das Kind schaute zum Fenster hinaus und sah den Regenbogen in all seiner Farbenpracht eine Brücke vom Himmel zur Erde schlagend. Begeistert nahm es ein neues Malblatt und die Farbpalette in die Hand und begann zu malen. Das Blatt färbte sich blau, aber hatte keine Ähnlichkeit mit der Farbe des Himmels. Das Mädchen nahm ein neues Blatt, malte es mit einem helleren Blau an. Zufrieden mit seinem kleinen Erfolg, malte es einen grünen Bogen über das Blatt. Das dunkle Grün leuchtete vom Blatt, doch das Grün des Regenbogens leuchtete zarter vom Himmel. Enttäuscht legte das Kind den Pinsel weg und winzige Tränen kullerten wie Kristallperlen aus den blauen Augen, benetzten die roten Wangen und fielen auf das Blatt. In kleinen und großen Farbkleckse reflektierten sich seine Tränen auf dem Papier. Die Mutter nahm es in den arm und tröstete es. "Morgen, werde ich mit dir einen Regenbogen malen", sagte sie Das Kind nickte und die dunklen Locken tanzten um seinen Kopf. Lange blickte es traurig auf das Bild und als es die Farbpalette wegräumen wollte, stand plötzlich eine Frau neben ihm und nahm ihm die Palette aus der Hand. Das Mädchen erschrak und wollte aufschreien, doch die alte Frau nahm es zärtlich in den Arm und redete ihm ganz sanft zu: "Ich bin die Mutter Natur", sagte sie, "schon lange schaue ich dir beim Malen zu. Weil du aber das Unwetter so schön gemalt hast, fast so gut wie ich, möchte ich dir zeigen, wie man einen Regenbogen malt." Das Kind lauschte ihren leisen sanften Worten und blickte sie staunend und neugierig zugleich an. "Ich nehme hier diese zarte grüne Farbe und male einen Bogen über den Horizont. Das Grün im Regenbogen ist das Gras der Wiesen, die Baumkronen, die Pflanzen, die Blätter der Blumen. Gäbe es kein Gras und keine Pflanzen, würden viele Tiere nicht leben können. Wir hätten keine Bäume die uns Schatten werfen, draußen wäre es nicht schön ohne Blumen." Die Augen des Mädchens leuchteten und zustimmend nickte es, so dass die Locken erneut um sein Gesicht tanzten. "Ich male nun dicht an den grünen Bogen einen blauen. Das Blau für das Meer, für die vielen Flüsse und Seen und auch für das Wasser, welches die Menschen, die Tiere und die Pflanzen trinken. Ohne Wasser würden alle verdursten. Die Wolken ziehen das Wasser wieder in den Himmel und regnen es wieder auf die Erde. Blau ist aber auch die Farbe des Himmels." Das Mädchen staunte und sah begeistert auf das Blatt, welches die ersten Farben des Regenbogens reflektierten. Die Mutter Natur malte einen gelben Bogen dicht an die anderen beiden. "Gelb nehme ich für die Sonne und ihre Strahlenkinder, für den Mond, für die Sterne, für die gelben Ähren der reifen Ernte, denn daraus wird das Brot, das wir täglich essen gebacken. Ich male auch die Sonnenblume damit und alle gelben Blumen, die in Gärten und auf den Wiesen blühen sollen. Die Sonne strahlt immer fröhlich und die Sonnenblume dreht ihr Gesicht der Sonne zu und lächelt mit. Fröhlichkeit ist ansteckend. Wenn du lachst, lache ich auch und wenn ich lache, freut sich der Mensch." Das Mädchen lachte laut und die Natur lachte mit und malte einen orangefarbenen Bogen auf das Blatt. "Orange ist die Farbe des Sonnenbettes. Die Sonne steht auf und am Himmel zeigt sich ein orangefarbener Fleck. Das ist das Bett der Sonne. Wenn sie schlafen geht, färbt sich der Himmel auch orange. Abends kannst du die Sonne beim Schlafengehen beobachten." "Bestimmt ist es kuschelig in ihrem Bett?", fragte das Mädchen neugierig. "Kuschelig und warm", sagte Mutter Natur. "Orange ist auch die Farbe von Obst und Gemüse. Darin verstecke ich viele Vitamine, welche die Menschen gesund erhält. Die Natur malte einen roten Streifen neben dem orangefarbenen. "Rot ist die Liebe, die wir in uns tragen, die in unserem Herzen wohnt. Wir lieben die Menschen, die Tiere, die Blumen. Wir suchen uns besondere Menschen aus, die wir dann ganz stark lieben. Je stärker wir lieben, um so größer wächst die Liebe und ihre Wurzeln sind im Herzen", lehrte die Natur das Mädchen. "Die Menschen lieben dich auch. Ich liebe dich auch, weil du so schön malen kannst und so schöne Geschichten erzählst", sagte das Mädchen überzeugt. Die Natur lächelte und mischte ein paar Farben und malte einen purpurfarbenen Bogen dicht an die anderen Bogen. "Purpurfarben sind die Gewänder der Könige, der Bischöfe, der Häuptlinge. Viele Blumen male ich damit an. Und im Herbst male ich das Laub der Bäume purpurfarben an. Purpur verbirgt Weisheit Reife, Vollendung in sich." "Schön ist es im Herbst", sagte das Mädchen Die Natur mischte erneut ein paar Farben zusammen und malte einen indigofarbenen Streifen auf das Papier. Vollendet strahlte der Regenbogen vom Blatt. "Indigofarben ist die Nacht. Wenn der Tag zu Ende geht, also schlafen geht, decke ich ihn mit einem indigofarbenen Schleier zu. Stille kehrt ein und Ruhe. Wichtig sind beide für Mensch, Tier und Pflanze. Ich schicke euch Gebete. Ich decke euch mit einer Sternendecke zu und sage dem Mond, er soll euch bewachen. Friedlich schlummert ihr in euren Kissen, denn darin habe ich ein paar Träume versteckt. Aus der Ruhe heraus wächst auch der Friede. Das Mädchen sah die Farbkleckse auf dem Blatt und sagte: "Kannst du die Kleckse auch bitte wegmachen? Ich habe geweint und mein Weinen ist auf das Blatt gefallen." "Die Tränen sind Tautropfen, mein Kind", sagte Mutter Natur. "Die Tautropfen trocknet die Sonne und du kannst wieder lachen. Der Regenbogen in seiner ganzen Farbenpracht ist ein Kreis der Himmel und Erde miteinander verbindet. Wie du siehst, hat jede Farbe Leben in sich. Wenn ich böse werde auf die Menschen, weil sie mich verschmutzen und das, was ich gemalt habe, verändern wollen, lasse ich den Donner los, um zu brüllen, ich lasse ab und zu die Erde beben und manchmal weine ich zu viel und die Flüsse überschwemmen die Häuser." "Aber du schenkst uns Regenbogen, dass heißt, dass du uns nicht mehr böse bist?", fragte das Mädchen. "Weißt du, mein Kind, wenn die Menschen auf mich hören möchten, wäre ich auch nicht so oft böse, denn ich bin schon geduldig." "Die erwachsenen Menschen, nicht wahr, denn wir Kinder mögen dich alle." Die Natur lächelte und so plötzlich wie sie kam, war sie durch das offene Fenster verschwunden. Das Mädchen betrachtete immer noch das Bild und sah den Regenbogen darauf. "Mama, die Mutter Natur hat mich an der Hand geführt und ich habe einen Regenbogen gemalt", rief das Mädchen freudig. "Du hast schön geträumt mein Kind", antwortete die Mutter. "Manche Wünsche gehen auch in Erfüllung, wenn man daran glaubt. Und wer auch immer unsere Hände führen mag, wenn man zuversichtlich nach vorne schaut gelingt uns Vieles - auch der Regenbogen." ©zeitlos |
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