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Ãœber Freundschaft
prosa [ ]

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von [bb ]

2008-02-10  |   

zum Originaltext  | 



Man sagt, ehrlich zu sein, bedeutet dem anderen nichts zu verbergen, ihm gegenüber ganz offen zu sein. Das ist korrekt, aber das Kriterium dieser Ehrlichkeit besitzt immer der andere, nicht du. Du giltst als ehrlich, nicht, wenn du dem anderen „nichts verbirgst“, sondern wenn du nicht verbirgst, das was er von dir erwartet hätte, vor ihm zu verbergen. Es ist vielleicht ein Paradox, aber es ist so. Deine Ehrlichkeit wird nicht durch dich geprüft, sondern durch den anderen. Du giltst als ehrlich nur dann, wenn du das sagst, was der andere von dir hören will und das was der andere von dir erwartet, dass du es sagst.
Wenn, du einer Freundin ein Geständnis machst, dass sie schön und intelligent ist, obwohl sie weder noch ist, dann bist du nicht ehrlich. Wenn du ihr sagst, dass sie hässlich und nicht besonders klug ist, dann bist du ehrlich. Aber gestehe ihr, dass all dieses überhaupt keine Wichtigkeit hat, dass du ihr praktisch andere Sachen sagen möchtest, dass sie ihre Zeit stupid verbringt, dass sie eine Chimäre erlebt, dass sie von Dingen träumt, die sie von der Wirklichkeit und dem Glück entfernt, dann bist du mit Sicherheit nicht ehrlich, dann bist du verrückt.
Mag seltsam sein, aber wir fürchten uns vor einer „misslichen“ Welt, vor einem fremden Milieu, dem gegenüber wir nicht „ehrlich“ sein können. Um nicht alleine zu sein, möchten wir, dass die Mitmenschen zu uns ehrlich sind. Nur die Ehrlichkeit gibt uns diese Gewissheit, dass wir von Freunden umgeben sind. Von Leuten die uns lieben, damit wir nicht alleine sind. Deshalb werden in den Stunden der großen Einsamkeit bei den meisten Konfessionen die Seelen geöffnet. Die Menschen suchen sich gegenseitig, gerade deswegen, um das Gefühl der ewigen Isolation zu beseitigen. Ehrlichkeit ist, wie vieles andere, ein Aspekt des Selbsterhaltungstriebes. Eigentlich, gehört die Ehrlichkeit zur komplizierten Klasse der Gefühle und des Hochmutes, die den Namen Freundschaft trägt und welche, müssen wir zugeben, sie bildet eine der ernsten Gründe das Leben zu lieben.
In einer Freundschaft passiert das gleiche: Du bist nicht geliebt für das was du bist, sondern für das was dein Freund in dir sieht und glaubt zu sehen. Du bist nicht geliebt für dich, sondern für das was du geben kannst, das was du rechtfertigen kannst, prüfen kannst, widersprechen oder behaupten kannst, in den Gefühlen deines Freundes. Beklagen kannst du dich nicht, weil du selber das gleiche machst, alle Leute machen das so.
Das was irgendwie in einer Freundschaft betrübt, ist die Tatsache, dass jeder der Freunde, seine Freiheit dem anderen opfert. Als „Freiheit“ verstehe ich die Summe der Möglichkeiten seinen Willen sich zu ändern, sich zu modifizieren, sich zu kompromittieren. Du bist geliebt, weil deine Freunde sich daran gewöhnt haben dich auf der Strasse zu sehen, dich in einem bestimmten Lokal oder auf dem Sportplatz zu treffen. Sie haben sich daran gewöhnt mit dir ins Kino zu gehen, Bekannte zu besuchen, dass du allgemein das magst was sie mögen, dass du allgemein so denkst wie sie denken. Wo bist du in all diesen Gefühlen der Freunde? Du bist zerlegt, verteilt und assimiliert nach dessen Willen oder deren Laune. Du machst aber das Gleiche. Wenn, du eines Tages etwas anderes, als das was sie von dir erwarten, machen willst, dann bist du kein guter Freund mehr, dann störst du, du belästigst. Manchmal bist du toleriert. Das ist alles was die Liebe deiner Freunde deiner Freiheit anbieten kann: die Toleranz.
Vor ein paar Tagen versuchte ich mit einigen Freunden über den Tod zu reden. Sie schienen, als hätten sie mir sagen wollen: „Unser Lieber, sei ernst und lass die Dummheiten bei Seite!“ Sie haben nicht verstanden, dass das, was ihnen als Dummheit erschien, kann für mich ein essentielles Problem sein. Dann, fragte ich mich, was würden meine Freunde sagen, wenn ich einen Kompromiss - verlangt von meiner Freiheit- machen würde? Es war mir bewusst, dass sie die Änderung nicht aus meiner Ansicht beurteilen werden. Sie werden nicht einmal versuchen für einen Augenblick in mich zu schlüpfen, um meine Verrücktheit zu verstehen. Sie werden mich als verrückt deklarieren, sie werden mich tolerieren oder sie werden mich alleine lassen. Auf keinen Fall würden sie sich in mich hineinversetzen wollen. Aber, die wahre Liebe bedeutet nichts anderes, als auf deine Individualität zu verzichten, um in den anderen hineinzuschlüpfen.
Eine Freundschaft prüft sich nicht nur durch die Freiheit, die du dem anderen schenkst. Einem Freund in der Not zu helfen, ihn mit deinem Streicheln zu wärmen, ihn mit deinen „Ehrlichkeiten“ zu umschließen, bedeutet nichts. Die wahren Proben der Freundschaft sind andere: seine Freiheit nicht zu treten, ihn nicht aus deiner Ansicht zu beurteilen (welche real und plausibel sein kann, aber vielleicht zu der Schicksalserfahrung des anderen nicht passt), ihn nicht zu schätzen, durch das was dir gefällt oder dich amüsiert, sondern für das was er selber ist, für ihn selber, durch das was er erreichen muss, um ein Mensch zu werden und nicht eine einfache Marinonette.
All dieses wird aber von niemandem verlangt, so wie niemanden, von dir die wahre Ehrlichkeit verlangt, sondern nur jene Ehrlichkeit die er sich wünscht. Vergiss nicht, dass in einer Freundschaft nicht nur das zählt, was der andere nimmt. Jeder von uns nimmt weniger als notwendig. Das ist unsere große Sünde: das wir keinen Durst nach mehr haben. Wir geben uns mit weniger zufrieden, deswegen hat jeder von uns so viel Angst lächerlich zu sein. Nicht nur weil wir weniger als notwendig geben, aber wir nehmen viel weniger als das was uns angeboten wird.

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