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Das grüne Fläschchen
prosa [ ]

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von [NSD ]

2005-09-29  |     | 



Zwischen den zwei Spiegeln im Badezimmer vervielfältigte sich die blonde Ivana so viele Male, bis sie kleiner und kleiner am Horizont der Verspiegelungen im Licht verschwand. Aber Ivana schaute nur auf die erste, nähere Verspiegelung. Sie schaute dieser sehnsüchtig in die Augen und weinte sich die schwarze Wimperntusche weg. Schwarze Tränen rollten ihr auf die Wangen, über den großen Busen und verschwanden in das lila samtene Nachthemd. Aus dem Kassettenrekorder neben ihren nackten Füßen sang es „Bésame, bésame mucho, como si fuera esta noche la última vez...“ Ivana weinte, bis das Lied zu Ende war. Dann spulte sie die Kassette zurück, ließ das Lied noch einmal spielen und sang leise mit. Sie streckte die Hand zum Spiegelbild vor ihr, schien es streicheln zu wollen, schob es aber mit einem Ruck beiseite.
Hinter dem Spiegel war ein kleiner Kasten voller Krimskrams und einem grünen Fläschchen. Sie packte das Fläschchen mit beiden Händen und drückte es an die heiße Brust.
Zu ihren Füßen, neben dem Kassettenrekorder, winselte ihr schwarz-weißer Hund, so angespannt in einem Rechteck, dass er einem kleinen Tisch glich. „Mein treuer Codita*“, sagte Ivana und streichelte ihn mit dem nackten Fuß. Dann machte sie das grüne Fläschchen auf und goss die Hälfte des Inhalts auf seinen steifen Rücken.
Nach diesem Ereignis sollte der flohbefallene Codita einer der begehrtesten Hunde des Viertels werden. Männer übertrafen sich beim Werben um die Gunst, ihn auszuführen. Denn Codita verströmte um sich den teuren Duft männlicher Potenz. Es war weniger ein Duft, als eine hohe Temperatur. Je näher man ihm kam, desto wärmer wurde es.
Diese bestimmte Wärme hatte bis dahin nur Ivanas Mann. Ivana hatte einmal meiner Mutter erzählt, ihr Mann sei so heiß, dass er im Bett dampfte. Sie würde ihn dann wie durch einen Nebel wahrnehmen.
Da war Codita eine Offenbarung für uns alle: Eigentlich hatte bis dahin kaum jemand gewusst, dass Ivanas Mann seine Wärme in einem grünen Fläschchen hielt.
Nachdem Codita verstört das Bad verlassen hatte, beugte sich Ivana über das noch halb volle Fläschchen und pisste mit sicherem Strahl hinein.
Als ich mit meiner Mutter ankam, plätscherte es im Heizkörper und auf dem Küchenfenster lag heißer Dampf. Ivana heizte schon Ende August, denn sie saß fast immer in ihren samtenen Nachthemden herum. Nun saß sie da und paffte so heftig an ihren Zigaretten, dass der Rauch die Küche vernebelte.
„In dieser Nacht ist ein einziger Stern und eine Unendlichkeit von blauen Himmeln“*, sagte Tante Filuca, als Ivana eine Kerze auf den Tisch stellte. Meine Mutter ist Nichtraucherin und bekam immer rote Augen in Ivanas Küche, aber sie harrte auf ihrem Platz aus, besonders wenn Fotos gezeigt wurden. Während ich den angespannten Codita streichelte, der wie ein kleiner Tisch unter dem Tisch saß, nahm Ivana die Fotos des Detektivs heraus, und die Köpfe der Frauen vereinigten sich über dem Kerzenlicht.
„Hier müssen sie im Intercontinental Hotel im Zentrum sein“, sagte meine Mutter nach einer Weile. Ivana drehte das Foto um und las auf der Rückseite: „Es ist das Jäger Hotel in Sinaia.“ Tante Filuca schnalzte mit der Zunge: „Es scheint was Besonderes, aber ich sehe nicht viel ohne Brille.“
Die Fotos gingen weiterhin still von Hand zu Hand. Erst Ivana, dann meine Mutter, dann Tante Filuca und dann wieder Ivana. Tante Filuca sah nicht viel ohne Brille und meine Mutter musste oft blinzeln wegen ihrer roten Augen, aber sie harrte höflich auf ihrem Platz aus und schaute mit viel Andacht jedes einzelne Foto an.
„Darf ich noch einmal das fünfte sehen?“ fragte sie Ivana.
„Sicher!“ sagte diese erfreut, als hätte meine Mutter noch ein Stückchen von ihrem frisch gebackenen Kuchen verlangt.
„Hier siehst du das Schwein!“
„Ach!“ sagte meine Mutter benommen, wie eine wahre Freundin. Tante Filuca schaute betrübt in die Kerzenflamme: „Ich kann mir das vorstellen, aber ich sehe nicht viel ohne Brille.“ Ivana legte dankbar ihre Hand auf Tante Filucas: „Keine Sorge, Liebe, wir schauen sie uns fertig an und geben sie dir dann mit nach Hause.“
Nach meinen Schätzungen sollte es nur drei Tage dauern, bis das ganze Viertel den nackten Po von Ivanas Mann gesehen hat.
Als Ivanas Mann in seinem Anzug von der Arbeit kam, lagen die Fotos gut geborgen in Tante Filucas Tasche. Ivana gab ihrem Mann einen festen Kuss auf den Mund, den dieser mit Kraft erwiderte. Er begrüßte uns herzlich und ging um den Tisch, um uns wie üblich auf beiden Wangen zu küssen. Als er bei mir ankam, hielt ich den Atem an. Denn ich wollte nicht seine letzte Wärme einatmen. Als er sich über mich beugte, sah ich ihn wie durch einen Nebel. Aber ich wusste nun, was er war: ein Djinn, ein grüner Flaschengeist.


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