agonia deutsch v3 |
agonia.net | Richtlinien | Mission | Kontakt | Konto erstellen | ||||
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
||
![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |||||
Artikel Gemeinschaften Wettbewerb Essay Multimedia Persönlich Gedicht Presse Prosa _QUOTE Drehbuch Spezial | ||||||
![]() |
|
|||||
![]() |
agonia ![]()
■ Denken ![]()
Romanian Spell-Checker ![]() Kontakt |
- - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2025-05-02
|
Über die „Gemüsezierde“
Es ist Spätsommer 1985. Auf dem Amzei-Platz sehe ich auf einem Verkaufstisch ein ungewöhnliches Gemüse neben einem grünen Häufchen Kügelchen, eine Art Minikrautköpfchen. Auf einem anderen Tisch ein kleinerer Maiskolben mit weiß-gelben Lieschen. Ich habe mich dem Verkäufer genähert, er war kein Bauer, war herausgeputzt, ungeduldig und zerstreut. „Ist das ein Apfel, ist er hart? Von Weitem ähnelt er einer großen Zwiebel“, habe ich im Flüsterton gefragt, um mich nicht lächerlich zu machen ob meiner Unkenntnis über diese Gemüseerscheinung.„Wie bitte, hörst du was die sagt, deine Mutter sucht dich in der Schule“, erwiderte er wie von einer Biene gestochen. „Ich würde gerne wissen, wie der Apfel, für den Sie so viel Geld verlangen, heißt. Und warum kostet das Kräutchen so viel?“ „Ah, das ist Brüssel-Kraut … das habe nicht ich gebracht, ich weiß nicht, wie sich das alles ergibt, ich habe zwei Säcke … und das sind Endivien … ein Salat für Herren und Damen … eh, was weiß ich Großväterchen schon?“ Er atmete schwer vom vielen Reden und schrie plötzlich wie erneut gestochen von dieser unsichtbaren Biene: „Weg mit den Händen! Deine Mutter hat kein Geld dafür.“ „Ich habe nach diesem harten Apfel gefragt“, insistierte ich, den betreffenden Apfel fixierend. „Ich weiß nicht, und lass mich in Friede mit deinem Apfel, nimm ihn und hau ab! Denn ich weiß nicht, wo er herkommt, er wird sich verirrt haben.“ Er kostete viel, der Apfel mit der Honigfarbe, hart wie Stein und ziemlich schwer. Ich kam nachhause und Mutter schimpfte: „Ich hoffe, du hast diesen Apfel nicht auf dem Platz gekauft, es ist ein Mangold.“ Aha, „ein Granatapfel“, habe ich im Wörterbuch nachgelesen. Ja, einige kauften „teuren Zierrat“, wie Mutter die kulinarischen Sonderheiten nannte, die zur Rubrik gehörten, „wir benötigen so etwas nicht“ von den Plätzen Amzei und Dorobanți. Auf dem Rahova-Platz gab es schon lange keine Spur mehr von Kartoffeln oder Zwiebeln, Eier oder Käse, weder unter noch auf den Verkaufstischen. Der Herbst 1985 ist nicht mehr weit. Die Läden sind leer. Alle. Sie existieren und schauen uns an. Leer, leer, keine Spur von Waren. Die Regale, tote Fliegen hinter abgenutzten Vorhängen in tauben und stummen Vitrinen – die stehen an ihrem Platz. Zum Beispiel in der Metzgerei: Du trittst ein und siehst die Metzger mit den Ellbogen auf den breiten Ladentischen lehnend, auf denen sowohl sie als auch die reinen Messerschneiden ruhen, dort wo einmal Schäfchenrippen zerlegt wurden, verschiedene Arten von Rinder- und Schweinefiles zerschnitten wurden, und hinter ihnen Reihen von Hacken, an denen früher Koteletts aufgespießt waren, Schinken oder halbe Tiere, jetzt leer, eindeutig, denn es gab nichts mehr zum Aufhängen. Rumänien war fleischlos. Rumänien war lichtleer. Rumänien war am opulenten Tisch der Dunkelheit ertrunken. Sieben Lebensmittel verdarben im Teig der Finsternis. Das Frühstück war kalt und abscheulich. Die Schalter hatten Urlaub. Die Menschen flüsterten vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang. Der Winter 85 – 86 schickte uns alle unter die Decken, in die Sprachlosigkeit der angebohrten Zimmerdecken, der Angst und des Hungers. Dann dauerte der Winter jahrelang nur für uns. Ich freute mich, wenn ich von einem Schüler ein paar Briefumschläge und weißes Papier bekam. Die Kälte und das Dunkel ertrugen wir alle, lebten wir doch zwischen den gleichen Wänden, ernährten uns von den gleichen Menschenschlangen, lasen die gleichen Zeitungen. Erinnert Ihr euch noch an den Mangel an Watte oder Bouillonkorken oder Zündhölzer? Oder „wenn man die Watte hineinsteckte“ enthielt sie Splitter oder Nägel, nur als Watte konnte man sie nicht benutzen. Die Korken zerbröselten, von zehn Zündhölzern nahm nur eins Feuer, denn sie waren entweder zu dünn oder der Schwefelkopf zerbröckelte auch. Eh, aber was für freudige Augen konntest du sehen, wenn es Füßlinge gab. Die Gruppen Frauen aus den Fabriken Tricodava, Apaca, 23. August und anderen trugen Füßlinge. Die waren nicht „kartelliert“, lagerten aber wie andere Waren auch unter den Verkaufstischen der Verkäufer. Der Vorrat reichte nicht für alle Frauen, die sich diese transparenten Söckchen wünschten. Die Verkäufer kamen, erledigten schnell das Geschäft, und standen dann herum wie die in der Schlange und warteten. Die Menschen rannten von einem Ort zum anderen. Sie rannten mit leerem Blick. Das passierte tagsüber. Der Tag dauerte bis zum Sonnenuntergang, dann sah man nichts mehr. Man konnte nichts mehr sehen, weil keine Lampen eingeschaltet wurden. Man sah nichts mehr, weil die Sonne untergegangen war. Die Sonne wurde „Vater unser, der du bist …“. Er, Genosse Sonne, wurde Mitte der 80er Jahre ein Zentrum, das alle Mittelpunkte ersetzte: Brot, Fleisch … Es zirkulierten auch Witze in verschiedenen Varianten über Genosse Sonne, der mal General war und alles regelte, mal der versöhnliche Genosse. Es klingt wie ein Witz. Oder? Ich kann mich nicht erinnern, zwischen dem Română- und dem Unirii-Platz eine funktionierende Verkehrsampel gesehen zu haben. Wir gingen auf dem Gehweg wie Blinde. Bei Vollmond war es leichter. Wir hatten große und lange Schatten. Habt Ihr eine Straße im Dunkel gesehen? Ich glaube, dass ich ausgenommen 1985 nie in einer absolut finsteren Straße gegangen bin. Ja, in der Mitte der Kreuzung auf dem Română-Platz war es stockdunkel. Paar kleine Autos, ich und andere sehr Kleine versuchten, über die Straße zu kommen, aber keiner wusste so richtig wohin. Man ging nach dem Prinzip „von hier nach dort“. Man gelangte irgendwie auf den Unirii-Platz und dort herrschte absolute Finsternis. Von dort fuhr eine Straßenbahn, „Wunsch genannt“ … Das ist ein Witz, der damals zirkulierte, es gab keinen einzigen Wunsch mehr, wir wollten eine normale Tramway ohne jedweden Wunsch, nur das sie bis Rahova fuhr. Sie führte uns nach Möglichkeit durch die Finsternis, das Brâncovenesc-Spital gab es nicht mehr wie auch die Villen oberhalb von 11. Iunie bis Panduri. Nur schwer erreichten wir den Rahova-Platz, wo es noch finstrer war. Noch dunkler hieß: Die einzigen Lichter waren die der Tramway, die auf dem La-Bariera-Platz umdrehte und mich allein vor einer großen und langen Leere zurückließ – die Măgurele-Chausee. Die Hunde waren dort, säumten die Straße. Sie waren nicht böse, bellten gar nicht, hoben sich und begleiteten uns Menschen. Einige Jahre haben wir uns Weg und Hoffnung mit ihnen geteilt. An guten Abenden waren sie in der Mehrzahl und liefen voraus, so umgingen wir die Pfützen. Ja, lieber Leser. Von der Kreuzung La Bariera musste sich jeder selbst durchschlagen. Und was war zu tun? Wir haben uns durchgebissen. Und wir tun es heute noch * * * Ende * * * [aus dem Rumänischen von Anton Potche]
|
||||||||
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
|||
![]() | |||||||||
![]() |
Eine virtuelle Heimstätte der Litaratur und Kunst | ![]() | |||||||
![]() |
Bitte haben Sie Verständnis, dass Texte nur mit unserer Erlaubnis angezeigt werden können.
Copyright 1999-2003. agonia.net
E-mail | Vertraulichkeits- und Publikationspolitik