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Bei der Granatapfelernte in Rahova – 47
prosa [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 – 2014)
Serien: Ãœbersetzungen

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von [Delagiarmata ]

2025-03-19  |   

zum Originaltext  | 



Über das „Armenessen“

Vater aß mit großem Appetit und sehr oft Fisch. Nicht jeden Tag, aber viel öfter als Mutter, die sich einem Fisch nur selten näherte, und das nur, weil es damals den Brauch gab: Man isst, was auf dem Tisch steht!

„In meinem Siebenbürgen“, sagte Mutter, „aß man nicht so mit der Hand den Fisch in Knoblauchtunke und die Armut sah anders aus … Schwarzbrot mit Speck und Zwiebel hieß unsere Armut.“

Man hat gegessen, „was man hatte“ und „was es gab“ in den Kaufläden mit großen Fenstern, durch die viele uniforme Regale beladen mit Erbsen-, Gurken- und Bohnenkonserven zu sehen waren. Auch in Rahova verließen diese Einweggläser und Konserven die Gestelle erst, als sie rosteten und so verstaubt waren, dass kein Staubbesen ihnen den Glanz, mit dem sie die Fabrik verlassen hatten, wiedergeben konnte. Ich erinnere mich nicht, jemals von dieser Konservengeneration, die uns jahrzehntelang mit ihren verwaschenen und geduldigen Aufklebern bewacht hat, gekauft oder gegessen zu haben. Die Konservendosen fragten sich sicher, warum wir so aktiv sind und schmollend in Indianerreihe vor den Türen der Lebensmittelgeschäfte stehen und nicht wie sie „auf den Rost oder das rettende Ende warten“.

Ja, wir müssen zugeben, dass es auch Fisch und Oliven in genügend Geschäften gab. Und mehrere Jahre lang war es auch kein Problem, Telemea*- oder Kuhkäse zu „ergattern“, an großen Glückstagen sogar ein Näpfchen Rahm.

Ja, in den Jahren 60 – 70 war der Fisch, den Vater aus reinem Genuss aß, „das Essen des Armen“ neben anderen Zutaten, auch für den Armen: Oliven, Pariser*, Salami Victoria, gekochte Kartoffel, Polenta … und viele gesäuerte Fleisch- und Gemüsesuppen, von Mal zu Mal „gestreckter“, damit es für alle ausreichte. Mit „alle“ war im La-Barieră-Viertel die „Familie“ gemeint, die sich abends am Tisch versammelte. Alle Tische in den Häusern wackelten; darum lag unter dem einen oder anderen Tischfuß ein zusammengefaltetes Kartonstück oder der Deckel einer Konservendose. Natürlich von einer Pastetenkonserve. Die war gut und man verzehrte sie als Delikatesse, auch des Mittellosen. Die Tische und Stühle, sogar die stabilen, wackelten auch wegen der unebenen Erde. Der Fußboden der Fachwerkhäuser war die Erde, auf der wir alle stehen, nicht das Laminat oder Parkett oder der Teppichboden aus unserer Zeit. Aber um die wie resignierte Veteranen wackelnden Tische versammelten sich abends alle Augen aus einem Hof und aßen aus Lehmtellern mit Essbesteck aus weichem Aluminium, auch mit Holzlöffeln, bekommen bei so manchem Leichenschmaus; und die Kinder stocherten mit ihren zierlichen Fingern in den Soßen, Knöchlein und grünen Essigtomaten herum.

In der Mitte des Tisches thronte der Topf mit der sauren Suppe oder die Pfanne, gefüllt mit vielerlei Geröstetem, umrandet mit kalter Polenta, auch sie belegt mit einer bräunlichen Kruste. Die Küchendeckel waren verbogen, gelöchert, verunstaltet. Als Kind dachte ich, Mutter habe unsere in einem anderen Geschäft als jene der Nachbarn erworben. Nach einem Studium der Küchendeckel habe ich die Wahrheit ihrer „Wunden“ kennengelernt, die einige „bandagierten“, wenn die Zigeuner vorbeischauten und ihre Flickarbeiten anboten.

Nach dem Verzinnen sahen sie, die Deckel, noch kriegsbeschädigter aus, war die Wahrheit doch genau diese: Wenn es Skandal gab, waren die Deckel von klein bis groß die ersten Dinge, die durchs Fenster oder durch die mit Reben bepflanzten Höfe flogen, auch über den Zaun nach den verschiedenen Tieren, um sie zu erschrecken. Eh, erst danach flogen das Essbesteck, die Hackbretter, Teller und Töpfe. Aber nur, wenn der Streit der Hofbewohner in eine seriöse Rauferei ausartete. Nachdem die Auseinandersetzungen sich beruhigt hatten, blieben die Deckel mit schmerzhaften „Beulen“ zurück.

Das Essbesteck verlor sich in der Erde und die Holztabletts drehten sich auf den mit dünnen Kunststofftüchern bedeckten Tischen. Die auf dem Rahova-Platz erworbenen Tischtücher gelangten auf mysteriösen Wegen aus dem fernen China zu uns. Einige waren dicker, mit einer Art Gewebe unter dem Kunststoff, so dass man sie kaum durchschneiden konnte. Aber die stammten aus den 50er Jahren und sollten eigentlich ein Jahrhundert im gleichen Hof und auf demselben Tisch überleben.

Aus einem (tiefen) Einwegglas nahm man das unverzichtbare Eingemachte. Jemand steckte gierig die ganze Hand durch den breiten Hals und suchte wie im trüben Wasser eines Aquariums voller Blätter und Gräser nach den Resten von Essigtomaten und Gurken. Ich sah im Viertel kaum eingelegte Paprika, Möhren oder Karfiol. Die Tradition endete bei den zwei Hauptgemüsearten: Gurken und Essigtomaten. Wer mehr Geld besaß, hatte auch ein Krautfass oder ging von Tor zu Tor, fragte und kaufte sich mit etwas Kleingeld einen Krautkopf zum Zubereiten von gedünstetem Kraut oder in Krautblätter gewickelte Fleischklößchen. Man zog aber Weintraubenblätter vor, waren die doch reichlich vorhanden und kosteten nichts.

Den frischen Borschtsch kaufte man mit einem Leu die Flasche bei Tante Veta und Onkel Mitică. Sie hatten ein kleines Haus am Ende des Gartens ohne ein einziges Fenster zur Straße. Im Hof hatten sie Zwergbäume, die sich anscheinend ihrer Statur angepasst hatten. Tante Veta und Onkel Mitică, die Eltern eines schönen Mädchens, Vica, eine Riesin im Vergleich zu ihnen, saßen viele Stunden tagsüber und abends auf dem Bänkchen am Tor, ineinander verschlungen, sie mit den Händen auf dem unter einem Rock für alle Jahreszeiten versteckten Bauch, er immer mit einer schwarzen, kegelförmigen Mütze, die er dauernd zurechtrückte, beide über die Felder blickend und mit den zur Arbeit Gehenden oder von dort Kommenden redend, um zu erfahren, was in der Welt los ist. „Welt“ bedeutete das Gebiet außerhalb des Viertels, jenseits des Rahova-Platzes. So erfuhren sie sogar wichtige Nachrichten: Wann der Stromverbrauch abgelesen wird, wer noch entbunden hat oder wer im Stadtteil gestorben ist. Zeitungen wurden weder gekauft noch gelesen und wenn im Radio Nachrichten kamen, wurde auf einen Sender mit Volksmusik weitergedreht. Der frische Borschtsch sprudelte wie ein Schaumwein und sein Geschmack kann mit keinem ökologisch nach Rezepten und Fernsehvorschlägen gegärten Borschtsch verglichen werden.

„Willi, Liebster, der gebratene Fisch ist besser“, sagte Mutter in der Hoffnung, von dem Einsalzen verschont zu bleiben oder ihn vielleicht sogar zum Rauchern in ein Geschäft bringen zu müssen, um ihn vor Katzen zu hüten, Fliegen oder eventuell Spinnen. „Komm, Willi, angebraten ist er frisch, knusprig … mit Polenta und paar Gurken … wenn du willst, sogar mit Rotkraut.“

Das Rotkraut, manchmal in der Pfanne aufgewärmt, war eine Art Menü, das nur Vater verzückte, uns hat es erschreckt. Niemand aß aufgewärmtes Rotkraut gewürzt mit Muskatnuss. Das hatte einen fremden Geschmack, ein ätzendes Aroma, das niemand anzog. Vater war nachdenklich. Der Fisch war für ihn wie ein Bruder, den er nur schweren Herzens opferte, aber nicht nur einfach so gebraten mit Oliven, nein, nein! Er wollte ihn jedes Mal anders: geräuchert, eingelegt in ich weiß nicht wie viele Öle und Pflanzen aller Arten, Körner, getrocknete Kräuter in Säckchen scharf und bitter riechend, so dass du keinen Fisch mehr brauchtest.

„Mutter, und warum gefällt dir der Fisch nicht?“
„Wir in Siebenbürgen haben nicht unbedingt Fisch mit Oliven gegessen … und das Maismehl war für die Tiere im Hof … hier hat es einen anderen Geschmack. Ich habe das Zubereiten der Polenta im Kessel erst in Bukarest gelernt.“

Vater war überzeugt und blieb es bis zu seinem Lebensende: Sicher sind auch Eier in der Polenta, sonst könnte sie nicht so gelb sein.

„Bei uns zuhause, dort weit in Georgenberg, war Fisch ein ausgewähltes Essen.“
„Also wart Ihr so arm, dass Ihr Fisch mit Oliven gegessen habt?“
„Wir waren nicht arm und aßen den Fisch auch nicht mit Oliven, nur mit Brot … auch nicht gebacken, sondern gedünstet mit Kartoffeln, wir aßen zuhause viel Kartoffel … manchmal auch nur Kartoffel ohne Fisch.“
„Siehst du Vater, Rumänien ist reicher als dein Land, es hat auch Oliven und Polenta, und du musst nicht täglich Kartoffel essen“, sagte ich zu ihm, stolz, dass man in meinem Land alles essen konnte, was man sich wünschte.

Wie schön es ist, zu glauben, was man sieht, wenn man klein ist, … den Flieder riechen und jahrelang wissen, wie ein Flieder riecht. Jetzt, nach Jahrzehnten, habe ich mich den Büschen in der Stadtmitte genähert, aber sie hatten nicht die Kraft jenes wilden Gestrüpps, das in jener Zeit kaum jemand anbrach, mit dem starken Malvengeruch der großen Blüten, rein und tief … Damals hat man den Flieder am Stadtrand nicht gekauft, sondern gestohlen, und niemand hat sich geärgert.

Die Erinnerungen an jene Diskussionen über Armut oder Speisen, oder wie gut eine Polenta schmeckt, ob die Essigtomaten weich oder hart sind, ob die Muskatnuss notwendig ist oder nicht, hat sie doch einen aparten „Geschmack“, jetzt, wo selbst der Tisch, an dem wir uns damals unterhielten nicht mehr da ist, auch der Borschtsch nicht mehr auf dem Bänkchen am Tor verkauft wird und niemand mehr glaubt, dass der Fisch das „Essen der Armen“ ist, jetzt bleiben nur sie, die Erinnerungen.


[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


*Worterklärungen
- Telemea = rumänischer Käse aus Kuh-, Büffel-, Schafs- oder Ziegenmilch.
- Pariser = eine Fleischwurst

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