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Mit Frühstück, versteht sich!
artikel [ Debatten ]
Kolumne 67

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von [Delagiarmata ]

2009-04-13  |     | 



In der Wochenzeitung FREITAG vom 30. Mai 2008 ist ein Essay unter dem Titel „Getrennt zusammen leben“ von Ulrike Baureithel erschienen. Das sehr gut dokumentierte Material kündigt im Untertitel die eigentliche Thematik an: „In der nordmährischen Grenzregion gehörten Deutsche, Polen und Böhmen bis 1918 zur Habsburgmonarchie. Die großen Kriege haben sie voneinander entfernt. In der EU rücken sie nun wieder zusammen.“

Das Gebiet war oft Spielball der Geschichte, gehörte mal dem einen, mal dem anderen. Und die Deutschen, die dort Jahrhunderte lang lebten, sind längst über alle Berge: geflüchtet oder vertrieben. Wie eben die Banater Schwaben auch, ging es mir als Mitglied dieser Volksgruppe durch den Kopf. Die wenigen Deutschen, die noch in der tschechisch–polnischen Gegend leben, meist Alte, „haben ihren Frieden mit der Vergangenheit gemacht“ und begnügen sich mit dem Bemühen „um den Erhalt ihrer Sprache und Kultur in der Region“. Auch eine Parallele zum Banat.

„Normalisierung“ nennt es die Autorin des Essays, wenn sie feststellt, dass „keine Horden von Deutschen ins Land fallen, um die schlesischen Häuser ziehen und ihre Rechte daran reklamieren“. Auch wie im Banat, dachte ich, bis...

Ja, bis mir eines Tages ein Landsmann voller Begeisterung erzählte, dass er einen Anwalt beauftragt hätte, die Rückerstattung seines in Jahrmarkt zurückgelassenen Grundstücks mit Haus und Garten in die Wege zu leiten. Auf meinen Hinweis, dass die Google-Earth-Aufnahmen die Vermutung nahe legen, dass die Menschen, die jetzt wohl schon seit mehr als 20 Jahren in dem Haus leben, anscheinend schon Anbaumaßnahmen getätigt hätten, dass in dem Haus mittlerweile vielleicht geheiratet, geboren, eingeschult und gestorben wurde und dass diese Menschen wahrscheinlich Haus, Hof und Garten als Heimat empfinden, bekam ich zur Antwort, dass es ja vorwiegend um die zu erwartende Entschädigung gehe und vor allem, dass ja andere Jahrmarkter schon Erfolge in ähnlichen Bemühungen vorzuweisen hätten. Und dann folgte noch der Hoffnungsschimmer, dass man sich ja auch mit dem Garten begnügen könnte. Eine Pension oder gar ein kleines Hotel, das wäre doch was...

Ulrike Baureithels „Horden“ beschäftigten mich noch einige Tage und ich stöberte im Internet herum, bis ich auf der Homepage der Gemeinde Giarmata (ehemals Jahrmarkt) einen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2007 des berühmt-berüchtigten Bürgermeisters Ing. Gavril Roşianu fand. Tatsächlich, das achte Kapitel dieses „Raport Primar“ beschäftigt sich mit der „Administrativen Aktivität“ und beinhaltet das Unterkapitel „Compartiment juridic“, also „Juristische Abteilung“. Da erfährt man, dass der Jurist der Gemeinde, Ene Flavius Iulian, alle Hände voll zu tun, ja sogar große Schwierigkeiten mit der Häufung der Rechtsfälle hatte.

Alle von der Gemeinde geführten Prozesse sind aufgeführt. Von den 79 Verfahren (laufend & abgeschlossen) betrafen 17 Rückerstattungsforderungen ehemaliger deutscher Bürger der Gemeinde, die heute alle in Deutschland leben. Das sind immerhin 21,5 % aller Verfahren. Es wurden seither bestimmt um einige mehr, denn was die können, kann ich doch auch und schließlich und endlich muss man denen ja nichts lassen, was ihnen sogar nach EU-Recht nicht gehört.

Pawel Alexanrowitsch B. schrieb in einem seiner neun Briefe an Simeon Nikolajewitsch W. („Faust: Erzählung in neun Briefen“ von Ivan Sergejevich Turgenev): „ Meine wackere Wassilewna, die Haushälterin (Du hast sie bestimmt nicht vergessen, da Dir ihre eingemachten Früchte immer vortrefflich mundeten), ist ganz dürr und krumm geworden, ganz zusammengeschrumpft. Sie konnte vor Freude des Wiedersehens weder aufschreien noch weinen, sondern keuchte und hüstelte nur, sank erschöpft auf einen Stuhl nieder und streckte zitternd die welken Arme aus. [...] Zuerst waren die Erinnerungen der Kindheit über mich gekommen. Bei jedem Schritt, den ich auf der heimatlichen Erde tat, bei jedem Gegenstand, den ich erblickte, stiegen sie in vollkommener Klarheit bis auf die geringfügigsten Einzelheiten vor meiner Seele auf; dann wechselten diese Erinnerungen mit anderen, dann ... dann wandte ich mich leise ab von dem Vergangenen und mir blieb nur eine Art angenehmer Abspannung, eine einschläfernde Schwere in dem Herzen zurück.“

Heimfahren. Ein Traum, der mir ewig innewohnen wird. Häuser, Gassen, Akazienbäume, Schulen, Fabriken, Liebschaften, glückliche und unglückliche, Jugend. Noch einmal, nur noch einmal vor dem Ende dieses kurzen Erdentrips. Ich werde mich mit der literarischen Gänsehaut begnügen müssen. Zumindest soviel, dank Turgenev. Wie schrecklich. Ausgestreckte, zitternde, welke Arme. Doch nicht zur Begrüßung, wie die der alten Wassilewna. Zur Abwehr. Sie kommen. Die „Horden“. Sie nehmen uns unser Zuhause.

Beruhige dich, schimpft meine Frau, ich fahre mit dir erst runter, wenn wir in dem neuen Hotel in ...s Garten übernachten können. Mit Frühstück, versteht sich!

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