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Theaterfrühschoppen in Ingolstadt
artikel [ Kultur ]
ERLKÖNIG von Kai Schubert

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von [Delagiarmata ]

2008-12-12  |     | 



Frühschoppen: der; -s; ~ 1 Wein od. Bier, das am Morgen in geselliger Runde im Gasthaus getrunken wird „Nach den Anstrengungen der Woche tat ihm der Frühschoppen gut.“ 2 gesellige Runde, in der am Morgen getrunken wird „Sie veranstalteten jeden Sonntagmorgen um 11 Uhr einen Frühschoppen.“ - Sie haben es bestimmt gemerkt: Das ist Wort für Wort und Zeichen für Zeichen aus einem deutschen Wörterbuch abgeschrieben.

Vom Theaterabonnement bis zur Theaterwissenschaft gibt es in besagtem Wörterbuch alles, oder fast alles, bis auf den Theaterfrühschoppen. Den gibt es in Ingolstadt; zwar nicht jeden Sonntag, aber immer sonntags vor einer Premiere. Und genau um 11 Uhr. Im Jahresheft des Theaters Ingolstadt heißt es dazu unter anderem: „ Um 11.00 Uhr im Foyer sprechen wir mit Regisseuren, Ausstattern und Ensemblemitgliedern über Stück und Autor und machen Ihnen damit Appetit auf die aktuelle Inszenierung.“ Was den Theaterfrühschoppen vom urigen Frühschoppen unterscheidet, ist also die Herangehensweise an den Appetit. Während er bei Ersterem erregt werden soll, wird er bei Letzterem in der Regel gestillt. Da soll im Theater Ingolstadt den Zuschauern Appetit auf durchaus seriöse und gar nicht immer leicht verdauliche Kost, Theaterkost, gemacht werden, die da heißt: Orestie, Evita, Dantons Tod, Manderlay, als Verdauungsanreger aber auch „Mir san mir“ oder eben ERLKÖNIG.

Ja, auch der gehört nicht unbedingt zur Magen belastenden Theaterkost. Denn es ist nicht des Altmeisters düstere Ballade, sondern der von Paparazzis gejagte Neuwagenprototyp der Automobilindustrie. Auch er ist als ERLKÖNIG berühmt geworden. Und er steht im Mittelpunkt, obwohl er gar nicht vorhanden ist. Sein Einfluss auf den Menschen, seine bis zu Wesensveränderungen reichende Ausstrahlung wird in diesem Stück behandelt.

Oliver Held, Dramaturg am Theater Ingolstadt, stellt sich vor einer eher spartanischen Kulisse dem Publikum. Die Regisseurin Jenke Nordalm zu seiner Rechten und die fünf DarstellerInnen des Stückes zu seiner Linken, Sascha Römisch, Susanne Engelhardt, Renate Knollmann, Norbert Aberle und Peter Reisser, sitzen mit ihm am Tisch.

Oliver Held erzählt in unterhaltsamem Ton von der schon fast abenteuerlich anmutenden Entstehungsgeschichte dieses ERLKÖNIGs. Die Idee dazu war fast gleichzeitig und unabhängig voneinander in einigen Theaterköpfen und Audiköpfen entstanden. Die Vorstellung von einem gemeinsamen Projekt ward geboren. Irgendwann kündigte die Autofirma die Mitarbeit. Schuster bleib’ bei deinem Leisten. Die Theaterleute blieben allein, engagierten einen Schubert mit Vorname Kai und begannen zu recherchieren. Da geht ein vernehmbares Raunen durchs Frühschoppenpublikum, als der Dramaturg von einem Schrotthändler erzählt, der ohne Genehmigung des ortsansässigen Autobauers keine Informationen über seine Verschrottungsarbeit an die Theatermacher weitergeben wollte und ein hochrangiger Polizeibeamte sich sogar zu der Warnung hinreißen ließ: „Legen Sie sich mit Audi nicht an.“ Die rhetorische Frage des Dramaturgen: „In welcher Welt leben wir überhaupt?“ Schwer zu beantworten ist diese Frage allerdings nicht: Wir leben in einer Krisenwelt, die zu verrückten und meist unbegründeten Ängsten führt.

Nach dieser etwas denkwürdigen Einführung des Dramaturgen in den Frühschoppen, wird die Kost etwas verträglicher. Die DarstellerInnen lesen eine Szene, die ... nicht im Stück überlebt hat. Sie kann aber bei den Zuschauern durchaus eine Vorstellung auf die Art der Inszenierung auslösen. Die lebhaft und manchmal recht kumpelhaft diskutierenden Protagonisten heißen R4, Picup, Spyder usw. Diese Personifizierung löst bei den Gästen des Frühschoppens anerkennende Heiterkeit aus.

Auch die Regisseurin kommt zu Wort. Für Jenke Nordalm ist die Beziehung zum Auto eher eine praktische. Seit dem Jahre 2000 tingelt sie freiberuflich durch die Republik und das wäre ohne einen zuverlässigen fahrbaren Untersatz wohl kaum vorstellbar.

Ganz anders sieht es bei Schauspieler Sascha Römisch aus. Wer als erstes Wort überhaupt „Auto“ gerufen hat, kann dazu in Folge nur eine emotionale Beziehung entwickelt haben. Das ist bis heute auch so geblieben. Und bleiben soll auch die derzeitige Situation, dass er „einen größeren Wagen fährt als sein Intendant.“ Was soll’s? Schließlich und endlich ist man hier ja auch an einem Stammtisch und demzufolge sind die Hoheiten eben anders verteilt.

Man kann das Thema Auto natürlich auch ernsthafter angehen. Das beweist die Teamlesung eines Interviews von Prof. Hermann Knoflacher aus der ZEIT vom 13. September 2007. Der Verkehrsexperte mokiert sich darin besonders über die Unterwerfung, der wir uns dem Automobil gegenüber unterziehen. Das klingt bei ihm so: „Einen unglaublichen Einfluss. Das Auto ist wie ein Virus, das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und Wahrnehmung total umkehrt. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen! Wir ziehen uns mehr oder weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück, um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal mehr auffällt.“

Eine weitere Szene, die letztendlich keine Aufnahme in die Endfassung des ERLKÖNIGs gefunden hat, ist eine reine Frageszene. Schier unendlich scheint die Reihe der beantworteten und unbeantworteten Fragen zum Thema „Automobil“ zu sein. Stellvertretend für alle sei eine erwähnt: „Wie würde ich ohne Auto leben?“

Dann wird der Frühschoppen zum Schluss tatsächlich noch sehr sachbezogen. Ein gewesener Audi-Entwickler stellt sich den Fragen des Dramaturgen. Herr Naumann ist Rentner, aber dem Automobil und Allem, was drum herum geschieht, weiterhin lebhaft verbunden. Die „grundsätzlichen Voraussetzungen für die Entwicklung des Automobils“ hätten sich im Vergleich zu 1972, als er seinen Berufsweg bei Audi in Ingolstadt begann, nicht geändert. Der Unterschied liegt wesentlich darin, dass es damals die heute so betonte Trennung in Unter -, Mittel- und Oberklassewagen nicht gab. Und wie sieht die Zukunftsvision eines Entwicklers im Ruhestand aus? Interessant und selbst dem jetzigen Stand der Forschung etwas voraus: Solarautos, die wären okay.

Damit geht der Theaterfrühschoppen zu ERLKÖNIG zu Ende. Doch nicht bevor Dramaturg Oliver Held noch eine Anekdote zum Besten gibt. Man schrieb den 17. August 1896, als in Amerika das erste Autounfallopfer zu beklagen war. Ein 5 PS starker Roger-Benz hatte mit einer Geschwindigkeit von etwas über 10 Meilen pro Stunde eine Frau angefahren und tödlich verletzt. Die Urteilsverkündung nach einem langen und kontroversen Geschworenenverfahren
endete mit der Bemerkung des Richters: „Ich hoffe, dass so etwas nie mehr passiert.“

ERLKÖNIG hat seine Premiere im Kleinen Haus des Theaters Ingolstadt an der Südseite der Donau, Brückenkopf 1, gegenüber dem Turm Baur, schon hinter sich und eine lobende Kritik in der Lokalpresse erfahren. Weitere Aufführungen sind wie folgt geplant: 17. Dez. 2008, 20. Dez. 2008, 29. Dez. 2008, 6. Jan. 2009, 16. Jan. 2009, 6. Feb. 2009, 17. Feb. 2009, 26. Feb. 2009 und zum letzten Mal am 27. Feb. 2009.

Weitere Informationen über Aufführungstermine und Kartenbestellungen gibt es unter www.theater.ingolstadt.de

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