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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2008-10-16 | |
„Page turner“ nennen Neudeutsche oder Angeber Bücher, die man in einem Atemzug, sprich an einem Urlaubstag oder auch in einer schlaflosen Nacht auslesen kann; was natürlich keine bewertende Aussage über Menschen sein soll, die wirklich schnell lesen und solche Leistungen spielend vollbringen. Martin Suters Business Class, normaldeutsch wäre das wohl die Wirtschaftsklasse, gehört eindeutig zu diesen Büchern. Dass es sich bei den Protagonisten dieser Klasse nicht unbedingt um klasse Typen handelt – um nicht böswillig zu gelten: zumindest bei einigen von ihnen nicht -, wird so manchem arbeitenden Menschen, man könnte sie neudeutsch in der „working class“ oder normaldeutsch in der Arbeiterklasse zusammenfassen, längst gedämmert haben. Martin Suter liefert eindrucksvoll den Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme.
So gesehen, kann man das Buch als einen echten Frustabbauer lesen. Aber bitte nicht als „page turner“. Es wäre schade, diese Geschichten so zu konsumieren „wie der schlingt“, wie sich ein Manager über das Essverhalten eines anderen, natürlich hierarchisch etwas höhergestellten Managers ausdrückt. Man sollte genießen. Dieses Buch erfüllt alle nötigen Attribute dazu. 75 Geschichten: kurz, abwechselnd mal reine Prosa, mal reiner Dialog und immer pointiert. Empfehlenswert ist diese Sammlung von Managerneurosen besonders für Arbeiter. Dafür gibt es zwei Gründe: erstens, Suters Figuren kommen aus dem mittleren Management, also die Ebene, mit der ein Arbeiter nur flüchtigen Kontakt hat, die aber trotzdem genug Reibungspotential enthält, um sich als Werker ohnmächtig zu ärgern, und zweitens, der dem Buch immanente Erkennungswert für Menschen, die in ihrer täglichen Arbeitswelt oft nicht wissen, wie ihnen geschieht und vor allem, warum man ihnen das eine oder andere Unwesentliche, ja Sinnlose, Praxisfremde aufbürdet. Fünfundsiebzigmal mit der Erkenntnis schlafen gehen, dass so manches Unsinnige, das tagsüber aus einer Chefetage, manchmal auch gefiltert oder sogar noch zugespitzt durch untergeordnete Chargen, an der Werkbank, dem Lagerregal oder auf dem Schreibtisch ankommt, in krankhaftem Karrierewahn gediehen ist, heißt auch, genauso oft morgens mit neuem Mut den inneren Schweinehund überwinden und dem unvermeidbaren Arbeitsalltag ins Auge schauen zu können. Mein Gott, das sind genauso arme Schweine, wie du und ich, diese Gerneschicksalsgestalter, die außer dem Talent, sich einbilden zu können, mehr als andere zu sein, nichts, aber auch gar nichts vorzuweisen haben. Also ist Verstehen angesagt. Und genau da liegt die Stärke dieses Buches. Wer darin liest, baut keine Aggressionen auf, sondern gewinnt die nötige, heilsame Distanz zu den Urhebern seiner Frustration am Arbeitsplatz. Denn sosehr er seinen eigenen direkten oder höher angesiedelten Chef mit dessen idiotisch anmutenden Anweisungen auch erkennt, es geschieht mit einem verständlichen oder bedauernden Lächeln. Dass es sich bei all diesen skurrilen Getriebenen aber nicht um Einzelfälle handelt, wird klar, wenn Martin Suter von einem Direktor sagt, er wäre „einer der als Pedanten verkleideten Chaoten, von denen es auf den Führungsetagen wimmelt“. Nur selten karikiert er echte Charakterschweine wie etwa einen gewissen Eggimann, auch „Eggiarsch“ genannt, der sich überhaupt keine Mühe gibt, beliebt zu sein. „Nicht nach unten. Alles, was er an Sympathiegewinnungspotential besitzt, investiert er nach oben.“ Martin Suters Geschichten aus der Welt der Manager waren alle Bestseller. (Es gibt noch drei Bände von dieser Buiness-Class-Art.) Das liegt bestimmt nicht nur am Voyeurismus derer, die fernab dieser ach so begehrten Managerwelt leben oder sich gar manchmal von ihren Protagonisten gedemütigt fühlen, sondern bestimmt auch am lockeren, mit hintergründigem Humor und auch feinem Sarkasmus reichlich versehenen Schreibstil des Schweizer Schriftstellers. Es lohnt sich schon darum, seine Managergeschichten zu lesen, weil man danach so manches Neidgefühl – zumindest bis auf die Gehälter dieser Herren – beträchtlich abschwächen kann. Martin Suter: Business Class – Geschichten aus der Welt des Managements; Diogenes Verlag AG Zürich, 2002; ISBN 978 3 257 23319 3; € 8.90 (D) |
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