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Das Hohelied auf die Schadenfreude
artikel [ Gesellschaft ]
Kolumne 61

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von [Delagiarmata ]

2008-10-04  |     | 



„Bayern ist CSU“ - oder was alles in der Richtung bekannt ist -, war gestern. Heute ist Normalität oder Nicht-Mehr-Absoluter-Regierungsanspruchs-Alltag in Bayern. Dieses weinerliche, für erwachsene Menschen beschämende Wundenlecken der Schwarzen am Tag danach wird nur von einem alles und vor allem alle anderen Parteien beherrschenden und ebenso beschämenden Höhenfluggefühl der Schadenfreude übertroffen. Das Fingerzeigen auf den anderen, den vermeintlich Unterlegenen, obwohl der noch immer ziemlich einsam in Prozentregionen schwebt, deren Entfernung für SPD, Freie Wähler, Grüne und FDP gefühlsmäßig in Weltraumdistanzen gemessen werden kann, beherrschte die Parteizentralen der Sieger, die ihre 18,6 zu 43,4; 10,2 zu 43,4; 9,4 zu 43,4 und 8,0 zu 43,4 Niederlagen feierten. Diese historische Bayernwahl, die nur darum so genannt werden kann, weil die vorherigen für eine gelebte Demokratie ziemlich irrational daherkamen, ähnelt einem Simultanschachspiel, bei dem jeder Herausforderer jeden Zug, der den Meister zum Nachdenken veranlasst, als tödliche Niederlage desselben empfindet und sich diebisch, voller Hohn und Schadenfreude darüber auslässt.

Die Berichterstatter haben das natürlich gespürt und es in ihren Pressebeiträgen am Montag nach dem CSU-Debakel zumindest mitklingen lassen, wenn nicht gar direkt angesprochen. Meine Tageszeitung, der DONAUKURIER aus Ingolstadt, hat den Parteien, die das Wahlvolk zu diesem „Politische(n) Erdbeben in Bayern“ angestiftet haben, die vierte Seite gewidmet. Die dritte war den christlich sozialen Jammerlappen vorbehalten.

Zur Stimmung bei der SPD heißt es da lapidar: „Es scheint in diesen Sekunden fast vergessen, dass es eigentlich auch für die SPD kaum Grund zur Freude gibt – mal abgesehen von dem verheerenden Erdbeben bei der CSU.“ Freude über die Niederlage des Gegners ist nun mal Schadenfreude. Und wer den Schaden hat, hat auch den Spott. Die Bundes-SPDler in Berlin sind da schon etwas hemmungsloser. Von ihnen heißt es in einem anderen Artikel: „Dass die Bayern-SPD das schlechteste Ergebnis nach dem Krieg eingefahren hat, ist den Genossen hier kaum ein Wort wert, zu groß ist der Jubel, die Schadenfreude über den CSU-Absturz.“

Im Bericht über den „bombastischen“ Erfolg der FW – spätestens ab heute eine Partei und keine lose Wählergemeinschaft mehr – wird auch ein trällernder FW-Kandidat zitiert: „Huber ade, Scheiden tut weh.“ Das erinnert stark an norddeutsche Schlachtgesänge á la „Zieh den Bayern die Lederhosen aus“, die immer dann erklingen, wenn die Schadenfreude über die zurückliegenden Bayern die Oberhand gewinnt.

„Viel Jubel über den Einbruch der CSU, verhaltener Applaus bei der Prognose für die eigene Partei.“ Schadenfreude auch bei den Grünen. Sie scheint einfach leichter abrufbar zu sein als die Freude über den eigenen Erfolg. Als hätte sie einen kürzeren Weg aus dem Gehirn zum Herzen zurückzulegen. Wer weiß, vielleicht wird das Verhalten von Parteigängern an Wahlabenden mal ein interessantes Thema für eine neurologische Studie.

Parteigänger sind ebenso die FDPler, auch wenn man das in Bayern schon fast vergessen hatte. Auch bei ihnen „brach der allererste Jubel bereits los, als die ersten Prognosen den tiefen Sturz der CSU anzeigen“. Es spricht allerdings für die Gelben, dass sie zumindest noch zu „Begeisterungsstürmen“ fähig waren, „als dann die ersten Zahlen für die FDP auf den Bildschirmen flimmerten“. Aber gerade bei den Wirtschaftsliberalen lässt Sabine Dobel, die von deren „Wahlparty im Hofbräukeller in München“ schreibt, einen anderen menschlichen Charakterzug anklingen, der mit der Schadenfreude schneller ein Bündnis schließt, als es so manche Parteien untereinander vermögen: die Missgunst. In der sachlichen Journalistensprache kommt sie auf leisen Sohlen, fast unbemerkt daher: „Stiller wird es nur bei den guten Werten für die Freien Wähler (FW), die auf Anhieb noch vor der FDP liegen.“

Sie leben in uns fort, Tag für Tag, Stunde für Stunde, auf der Arbeit, im Freundes- und Bekanntenkreis, im Verwandtschaftsumfeld und sogar in manchen Familien, in schöner Eintracht nebeneinander, zu jedem Moment bereit, sich gemeinsam ihren Weg an die Oberfläche zu bahnen: die Trauer, die Freude, die Schadenfreude und die Missgunst. So gesehen, sind Politiker nicht anders als wir Wähler, nur nehmen sie an Wahlabenden die Chance wahr – mehr oder weniger bewusst -, diesen unseren aller Alltagsgefühlen vor Kameras, Mikrofonen und Journalistenbleistiften eine öffentliche Stimme zu verleihen.

Aber gab’s da nicht noch eine Gruppierung in Bayern, die an die Pforte des Maximilianeums klopfte. Ach ja: Die Linken. Und gerade über die knapp Gescheiterten kann man lesen: „Schadenfreude oder gar Häme gegenüber der CSU ist aber nicht zu vernehmen. Eher fassungsloses Staunen.“ Na ja, sie sind halt noch Greenhorns im politischen Geschäft, diese Linken aus Ingolstadt. Sie werden den Umgang mit Schadenfreude und Missgunst schon noch lernen. Am besten gleich von ihren Münchner Kollegen, denn von denen weiß eine dpa-Nachricht zu berichten: „Als über die Leinwand Bilder von der CSU-Wahlparty flimmern, lassen die rund 300 Genossen ihrer Schadenfreude freien Lauf.“

Wie lässt doch Katharina Hagena den Großvater der Ich-Erzählerin Iris, aus ihrem tollen Roman Der Geschmack von Apfelkernen, philosophisch dozieren? – Wisst ihr, es gibt drei Dinge, auf die man unentwegt gucken kann, ohne ihrer überdrüssig zu werden. Das eine ist Wasser. Das andere ist Feuer. Und das Dritte ist das Unglück anderer Leute.

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