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Familienplanungsutensilien
artikel [ Gesellschaft ]
Kolumne 46

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von [Delagiarmata ]

2007-07-08  |     | 



Ich gehe jetzt mal davon aus, dass mein folgendes Eingeständnis mir nicht schonungslos gleich als gravierende Bildungslücke angelastet wird. Also, tief Luft holen und gestehen: Ich habe bis zum 27. Mai 2007 nicht gewusst, wer Cristian Mungiu ist. An jenem Pfingstsonntag meldeten die Nachrichtenagenturen, dass ein Rumäne dieses Namens die Goldene Palme in Cannes gewonnen habe. Sein Film trägt den umständlichen Titel 4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage und thematisiert die verbotene Abtreibung in Rumänien während des Ceauşescu-Regimes.

Natürlich bedurfte es keiner Erleuchtung des Heiligen Geistes mehr, um in Erfahrung zu bringen wer dieser rumänische Filmregisseur ist, denn am ersten Werktag nach den Pfingstfeiertagen berichteten alle Feuilletons im deutschen Sprachraum von seinem in seltenem Medienunisono gepriesenen Film und als verdient eingestuften Sieg bei den Filmfestspielen an der Cote d´Azur.

Der preisgekrönte Filmemacher sagt in einem DIE WELT-Interview: „Es gibt da so viele Geschichten aus meiner Heimat zu erzählen.“ Er fügt aber auch hinzu, dass die Menschen im Westen diese Geschichten aus dem Osten stets „für reine Übertreibung“ gehalten haben.

Das wiederum vergegenwärtigt mir die ungläubigen Minen meiner Arbeitskollegen, als ich ihnen erzählte, dass ich einem Pförtner im Temeswarer Entbindungsheim 25 Lei zusteckte, damit er sich doch bitte erkundigen möge, ob meine Frau im dritten Stockwerk einem Mädchen oder einem Buben das Leben geschenkt hatte. Sie stand nämlich dort oben hinter den Gitterstäben und zeigte mir etwas nach unten auf die Straße, ein Bündel, das wohl ein Baby beherbergte.

Weil ich gerade auf der Suche nach einer Geschichte für meine Kolumne 46 bin - man will sich, soweit es eben geht, doch treu bleiben -, sei hier noch eine dieser unzähligen sozialistischen Geschichten erzählt; die aber – zumindest aus heutiger Sicht – eher zu den „absurden oder lustig-schrägen“, wie Cristian Mungiu sie nennt, zählt und nicht zu den beklemmenden wie eben seine 4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage.

Willkürliche Abtreibung ist auch in Deutschland verboten. Erinnern wir uns nur an die Auseinandersetzungen um den Paragraphen 218. Ceauşescus Bande hatte aber auch alle Verhütungsmittel verboten. Das entpuppte sich natürlich schnell als eine ganz andere Dimension des Hineinregierens in die intimsten Sphären der Familien.

Meine Geschichte hat sich in einem deutschen Großfamilienhaus einer Banater Großgemeinde zugetragen. Und sie wird – Hand aufs Herz! – nicht mit literarischem Freisinn zurechtgemacht, sondern nur wahrheitsgetreu wiedergegeben. Das von einigen heute noch hochstilisierte Leben in einer solchen Großfamilie machte es einem jungen Ehepaar, das nicht prüde genug war, um Sex aufs Kindermachen zu beschränken, nicht gerade einfach. Da war sowieso eine Menge Fantasie gefragt. Dazu kam dann noch das streng überwachte Verhütungsverbot des Ceauşescu-Klans.

Unter diesen Umständen schwebte unser junges Paar dauernd in Gefahr, bei der schönsten Sache der Welt entdeckt zu werden oder gar Kinder am laufenden Band in eine eigentlich menschenfeindliche Gesellschaft zu setzen. Das war bei aller Liebe & Lust so nicht gewollt. Also mussten alle gängigen und nach damaligem nicht gerade hervorragendem Aufklärungsstand den Beiden bekannten Verhütungsmethoden her. (Nur in Klammern sei erwähnt, dass auch hier wie so oft im Leben die Verantwortungslasten ungleich zu Ungunsten der jungen Frau verteilt waren.) Kalender und Thermometer waren enorm wichtige Familienplanungsutensilien in einer Zeit der Kriminalisierung von Kondomen als Mittel gegen die Ideologie des Staates.

Das junge Paar bekam aber eines Tages Hilfe aus dem sozialistischen Bruderland DDR. Eine bekannte Familie kam zu Besuch und brachte Antibabyzäpfchen mit. Die Frau trug das Teufelszeug unter ihrer Unterwäsche, damit die rumänischen Zöllner es nicht finden konnten.

Das war eine tolle Sache. Laut Packungsbeilage mussten die Zäpfchen in die Scheide eingeführt werden. Dann sollte die Frau zehn Minuten auf der linken Seite liegen und zehn Minuten auf der rechten, damit die Zäpfchen sich auflösen und ihre Sperma neutralisierende Wirkung entfalten konnten. Daran hat die Frau sich auch gehalten, nur... der Mann schnarchte des öfteren schon nach 20 Minuten. Man muss, den damaligen Verhältnissen entsprechend, diese Verantwortungslosigkeit unseres Repräsentanten des starken Geschlechts als unverzeihliche Verschwendung verurteilen.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schrieb am 28. Mai in einem Artikel auch folgenden Satz: „4 Monate ist ein Film über eine existentielle Erfahrung, die man normalerweise für sich behält.“ Ob man eine Geschichte wie die meinige für sich behält oder weitererzählt, mag dahingestellt bleiben. Die Protagonisten müssen ja nicht benamt werden. Mir persönlich sind sie ziemlich gut bekannt und meine Bekannten (fast hätte ich unsere geschrieben) in Zwickau werden sich bei einer eventuellen Begegnung mit dieser Kolumne ein Schmunzeln nur mit einiger Mühe verkneifen können.

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