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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2010-01-10 | |
„Ich bin ein ganz / normaler Mensch. / Wer mich nicht auch kritisiert, / hat nicht alle!“ So heißt es in einem Aphorismus von Ingmar Brantsch. Dieser Aufforderung soll hier Folge geleistet werden.
Wir können erstmal davon ausgehen, dass der Autor dieser Aphorismen und Essays sich zur „geistigen Oberschicht“, aus der die „Werturteile und Formulierungen“ eines Aphorismus „erwachsen“, zählt. So könnte man jedenfalls einen wohl angestrebten Bezug des Autors zu einer Aphorismus-Definition aus einem literarischen Lexikon konstruieren, und wahrscheinlich nicht nur dieses Autors, sondern generell aller Aphorismusschreiber. Also da besteht schon ein gewisser Anspruch an sich selbst. Dieser Bezug gerät aber spätestens dann ins Wanken, wenn der Leser plötzlich mit Formulierungen konfrontiert wird wie „politisch freischwebende angenehme Arschlochigkeit“, „Hast du ein Problem? Scheiß drauf!“, „Die bundesdeutsche Bräune ist das Scheißbraunabfärben nach dem Arschkriechen.“ usw. Also wenn das die Sprache der „geistigen Oberschicht“ sein soll, dann kann man nur froh sein, nicht dazuzugehören. Das ist eine zum Himmel stinkende Fäkaliensprache. Wenn es in der Lexikondarstellung heißt, die in einem Aphorismus enthaltenen Aussagen wären „stark energiegeladen“ und „betont subjektiv“, dann darf man daraus schließen, dass personenbezogene Antipathien in spontane, oft unkontrollierte Formulierungen fließen. Dem wird Ingmar Brantsch in einigen seiner Aphorismen vollkommen gerecht. Und, wen mag es wundern, das ist besonders dann der Fall, wenn er sein Lieblingsfeindbild, die Aktionsgruppe Banat, zu der er fälschlicherweise immer noch auch Herta Müller zählt, vorzuführen versucht. Man wird beim Lesen dieser Sätze den Eindruck nicht los, dass hier der Neid des Erfolglosen gegen die Erfolgreichen, also die in den deutschen Medien und im Literaturbetrieb Präsenten, federführend gewirkt hat. Nirgendwo ist der Markt der Eitelkeiten bunter und vielschichtiger als im Reich der Aphorismen. Aber vieles, was Ingmar Brantsch hier an Seitenhieben austeilt, dürfte mittlerweile stark relativiert sein, obwohl dieses Buch auch erst seit 2009 auf dem Markt ist. Der Aphorismus ist „eine Kurzform in Prosa von besonderer Prägnanz und Schlagkraft“, lehrt uns das Lexikon weiter. An anderer Stelle heißt es sogar: „Prosasatz, der kurz und prägnant einen Gedanken formuliert.“ Mit der Kürze in der Würze scheint der Autor hier aber seitenlang überfordert gewesen zu sein. So genannte Aphorismen über Äußerungen, Handlungen oder biographische Momente von Literaten wie Günter Wallraff, Heinrich Böll, Max von der Grün und anderen sind zu Kommentaren entartet, die bestenfalls in einem pointierten Schlusssatz enden. Nun könnte man natürlich unter dieses Buch einen Schlussstrich mit der Bemerkung „Vergiss es“ ziehen. Das wäre aber unangemessen, enthält die Sammlung doch viele wirkliche Aphorismen, die nicht nur einen augenblicklichen Lesegenuss bieten – die definitionsnahen sind eben die besten -, sondern der Autor „zwingt den Leser, bei aller Thesenhaftigkeit, zum Weiterdenken“ - um in der Lexikonsprache zu bleiben. Ja, es klingt einfach sympathisch, wie Ingmar Brantsch „Hegel widerlegt – Hegel meinte: Der Mensch ist, was er isst. Aber nachdem die Kannibalen die Missionare aufgegessen haben, waren sie noch lange nicht katholisch.“ Jetzt mag dieses Buch das Pech gehabt haben, einem katholisch inkorrekten und von Political Correctness wenig beeindruckten Leser in die Hände geraten zu sein. Das soll aber beileibe nicht zu seinem Schaden sein, denn es steht so in der Reihe mit allen jemals verfassten belletristischen Werken, von denen es kein einziges ohne Schwächen – zumindest auf den unterschiedlichen Lesergeschmack bezogen – gibt. Und so hat auch dieser Band von Ingmar Brantsch seine ... Stärken. Das „Essayistische über Aphoristisches“ im 8. Kapitel gehört auf jeden Fall dazu. Der Autor macht sich Gedanken über die Wiederbelebung des Aphorismus im zusammenwachsenden Europa, vertieft sich in „Lucian Blagas metaphysischen Humor aus dem Geist des Deutschen Idealismus und der rumänischen Folklore“, um dann zum Schluss in einem Kurzessay aus Emil Cioran einen „östlichen Lustprediger“ zu machen. Ingmar Brantsch: Inkorrektes über die Political Correctness – Aphorismen und Essays; Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2009; ISBN 978-3-86685-155-9, 204 Seiten, 12 Euro; www.geest-verlag.de |
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