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Schicksalsfrüchte an und unter dem Apfelbaum
artikel [ Bücher ]
Der Geschmack von Apfelkernen – Roman von Katharina Hagena

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von [Delagiarmata ]

2009-06-21  |     | 



Das Dorf Bootshaven liegt „auf dem Weideland der norddeutschen Tiefebene“. Wo genau? Das will der Leser heute im Computer-Zeitalter schon wissen. Wozu hat man denn die Suchmaschinen? Zum Recherchieren. Klar! Nach dem Handlungsort des Romans sucht man. Fiktion oder Realität? Man spürt den Handlungssträngen nach und die beginnen nun mal in diesem „sehr kleinen Dorf“; ja, mehr noch, sie bleiben in dem Dorf, alles und nichts spielt sich dort ab.

Nein, ich meinte nicht Bootshafen, Herr Google. Bootshaven erscheint auch gleich im Zusammenhang mit amazon.de. Der Leser weiß bescheid: Fiktion. Eigentlich schade. Wie schnell hätte man die Autorin Katharina Hagena in ihrer Ich-Erzählerin Iris erkennen können oder wollen. Diese vom Leser gespürte Nähe zwischen Autorin und Heldin spricht eindeutig für die hohe Erzählkunst Katharina Hagenas.

In einem Interview spricht die 1967 in Karlsruhe geborene Anglistin und Germanistin von ihrer Begeisterungsfähigkeit für die Naturlyrik eines Peter Huchel, Günter Eick, Theodor Storm, Joseph von Eichendorff, Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Das spürt man vom dritten bis zum letzten Satz dieses Romans: „Und als Annas jüngere Schwester Bertha daraufhin weinend in den Garten rannte, sah sie, dass mit Annas letztem rasselndem Atemzug alle roten Johannisbeeren weiß geworden waren. [...] So sehr sprechen wir nicht von ihr, dass wir ihren Atem in der Leitung hören können. Und das Rauschen des Nachtwinds in den Zweigen der Weide.“

Bertha ist Iris’ Großmutter mütterlicherseits. Und man fragt sich zu Recht, wer eigentlich die Hauptfigur dieses Romans ist: Bertha oder Iris? Erstere ist schon tot. Ihre Beerdigung ist der Ausgangspunkt der Familiengeschichten der Deelwaters, Lünschens und noch einiger anderen. Bertha war eine geborene Deelwater und eine verheiratete Lünschen. Sie litt an Alzheimer und diese Krankheit ist für die Autorin laut ihrer Aussage „ganz klar das Hauptthema“. Der Leser muss das allerdings nicht unbedingt auch so wahrnehmen. Das hängt wohl stark von seiner geistigen Konstitution ab. Ist er mehr vergangenheitsbezogen orientiert, wird er die Intuition der Autorin erkennen und ihr folgen, ist er aber eher auf Gegenwart und eventuell Zukunft fixiert, wird Iris’ Fühlen und Handeln ihn vorrangig interessieren.

Das wird besonders so manchem jungen Leser oder - sollte man vielleicht betonen – so mancher Leserin leichterfallen, denn nicht nur Iris beherrscht die Szene mit ihrer sympathischen Art zu reden und auch, oft überraschend, zu handeln. Die Frauengestalten haben sowieso zahlenmäßig ein klares Übergewicht in diesem Roman. Sowohl in den vielen Rückblendungen – die Gegenwart ist in all ihren Ausprägungen von der Vergangenheit gezeichnet – als auch im aktuellen Handlungsverlauf spielen sie die alltagsbestimmenden Rollen.

Die Männer kommen etwas unbeholfen daher, von Gefühlen angetrieben, aber fast liebevoll skizziert und mit einem geheimnisvollen Hauch von Unergründbarkeit umgeben. Besonders Carsten Lexow, der „als junger Lehrer nach Bootshaven“ kam, kann leicht ins Herz geschlossen werden. Wen liebte er wirklich in jener Nacht unter dem Apfelbaum? Obwohl die Gefühlslage ziemlich klar war: „Anna liebte Lexow, Lexow liebte Bertha.“ So stand es um die Deelwater-Mädels. Nein, es war viel komplizierter: „Nun wollte aber Hinnerk (Lüschen) aber zunächst Anna“, geheiratet hat er aber Bertha. Was in so einem kleinen Dorf alles passieren kann! Man muss diesen Roman lesen, sollte man nicht wissen, was Gefühle – auch unterdrückte – alles zu verantworten haben. Sex unterm Apfelbaum. Wer wissen will, wie schön geheimnisvoll eine solche Szene literarisch gestaltet werden kann, dem sei dieses Buch von Katharina Hagena wärmstens empfohlen.

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Der Roman Der Geschmack von Apfelkernen hat noch viel mehr, sehr viel mehr zu bieten. Es sind nicht nur die spontanen Übergänge vom Heute ins Gestern und Vorgestern. Es sind vor allem auch die Dialoge. Wie Iris da mit Max, dem Bruder ihrer Jugendfreundin Mira, umspringt, ist einfach köstlich. Ja, so sprechen junge Leute heute. Da liegt so viel hintergründiger Humor in den hin- und hergeworfenen Worten, dass man darob fast die Gewichtigkeit eines Apfelbaumes in der Geschichte einer Familie vergessen könnte.

Vielleicht ist doch er – ob literarisch gewollt oder nicht – der Mittelpunkt dieses Romans. Wer oder was zum Hort von so viel Freud und Leid wird, hat dies auf jeden Fall verdient, unabhängig vom Geschmack der Apfelkerne. Der Apfelbaum Katharina Hagenas ist Schicksal pur. Man sollte sich wirklich die Zeit nehmen, um es kennenzulernen.


Katharina Hagena: Der Geschmack von Apfelkernen, Roman; Kiepenheuer & Witsch, 2008, ISBN 3462039709, 252 Seiten, 16, 95 Euro

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