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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2005-06-30 | |
Der Vater der Konkreten Poesie heißt Eugen Gomringer. Er wurde am 20. Januar 1925 in Cachuela Esperanza (Bolivien) als Sohn eines Schweizer und einer Bolivianerin geboren. In seinem Manifest „Vom Vers zur Konstellation – Zweck und Form einer neuen Dichtung“, in zwei Fassungen 1954 in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG und 1955 in Krefeld/Baden-Baden erschienen, heißt es präambelartig: „Zweck der neuen Dichtung ist, der Dichtung wieder eine organische Funktion in der Gesellschaft zu geben und damit den Platz des Dichters zu seinem Nutzen und zum Nutzen der Gesellschaft neu zu bestimmen.“
Am zweiten Aprilwochenende 2005 veranstaltete das Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt ein „wochenende. konkret. ingolstadt“. Der Auftakt dieser Veranstaltungsreihe, mit Diskussionsbeiträgen von Margit Weinberg-Staber, Prof. Eugen Gomringer, Prof. Dietmar Guderian und Dr. Reinhard Ermen, war der Konkreten Poesie vorbehalten. Eugen Gomringer las aus seinen und anderen Werken. Zur Einführung in diese interdisziplinäre Kunst-Literaturform zeigte Gomringer einen Film aus dem Jahre 1968, in dem Max Bill, Helmut Heißenbüttel, Claus Bremer, Ernst Jandl und der Vorleser selbst zu Wort kamen. Der Streifen lieferte schon mal erste Aufschlüsse über das, was man unter Konkreter Poesie zu verstehen habe: eine Symbiose aus Wort und Bild. Gomringer ergänzte die Filminformationen mit dem Hinweis, dass er seine Dichtung als Seh- und Lautpoesie verstehe. Nun durfte man umso mehr auf die folgende Lesung gespannt sein, da kein vorhandener Projektor auf irgendeine Visualisierung der Gedichte hindeutete. Also nur Lautpoesie! Sofort nach Gomringers Start ins Reich der Wörter war klar, dass alles Geschehbare im Infinitiv stattfindet. Ein Blick ins Manifest konfrontiert uns mit einer Definition, die erste Leseeindrücke als Prinzip dieser Dichtform bestätigt. „Die Konstellation ist die einfachste Gestaltungsmöglichkeit der auf dem Wort beruhenden Dichtung. Sie umfasst eine Gruppe von Worten - so wie ein Sternbild eine Gruppe von Sternen umfasst.“ Das führt natürlich zu obsessiv anmutenden Wiederholungen einzelner Wörter und Wortgruppen. Man könnte zum Beispiel glatt die Stochastik bemühen, um herauszufinden, wie viele Varianten mit den Worten „nicht wissen, wo, wie, warum, was“ Gomringer bilden kann. Lautpoesie eben. Das hat viel mit Akzentuierung zu tun. Und so wie Gomringer betonte, konnte man meist auch den Sinn der Wortfolgen erkennen, auch wenn ihre Anordnungen in der Fläche nicht zu sehen waren. Höre und staune! Selbst Reime fühlen sich in der Konkreten Poesie heimisch und bilden ein sehr erfrischendes Moment in der dem Leser bisher abverlangten erhöhten Konzentration: „... weißes haus / korn und spreu / weißes heu / alt und neu / weißes haus / dorngesträuch / weißes haus / hütet euch...“. Das Gedicht heißt „hellas“. Klar. Da ist aber ein zusätzlicher Blick ins Gomringer-Manifest bestimmt nicht verkehrt am Platz. „Der Dichter kann die Konstellation auch so ausrichten, dass ihr der Leser Punkt um Punkt folgt: er wird dadurch nicht vergewaltigt.“ Natürlich spielt die Suggestion eine enorme Rolle in dieser Art Poesie und macht sie so zeitlos. Man denke nur an die heutige Politik des Weißen Hauses. Zwei Sätze weiter heißt es: „Die Konstellation ist inter- und übernational.“ Führwahr: Eugen Gomringer hat deutsch, spanisch, englisch und schweizerisch gelesen. Was könnte schon internationaler sein als ein konkretes Gedicht aus den Bezeichnungen texaco, Shell, bhb. Gomringer trug auch Gedichte seiner Zunftkollegen Helmut Heißenbüttel, Konrad Balder Schäufelen, TimmUlrichs u.a. vor und überraschte zum Schluss das Auditorium mit einem „Märchen über Quadrate“. Diese Beschäftigung einer Quadrate-Konferenz mit dem Sinn der eigenen Existenz ließ so manches Schmunzeln in den Gesichtern der Zuhörer erkennen. Wie in einem richtigen Mährchen ging alles gut aus. „Quadrat ist Quadrat“, philosophierte ein schweizer Körper dieser Gattung und auch ein Vertreter aus Amerika meinte, dass die quadratische Existenz auf keinen Fall aufzugeben sei, auch wenn rhomboide Gedanken in letzter Zeit diese in Zweifel gezogen hätten. Eugen Gomringer erntete für seine Demonstration Konkreter Poesie von dem zahlreich erschienenen Publikum im Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt anhaltenden Beifall. Die im Gomringer-Manifest als Beispiel der Konstellation gegebenen und hier sichtbar gemachten sechs spanischen Worte avenidas (Straßen), flores (Blumen), mujeres (Frauen), admirador (Bewunderer), y (und), un (ein) sind dem Katalog zur Eröffnung des Museums für Konkrete Kunst und einer damit verbundenen Ausstellung im Stadttheater Ingolstadt (5. Juni – 5. Juli 1992) entnommen. (eugen gomringer. konkrete poesie. Katalog und Ausstellung: Peter Volkwein; zu erwerben beim Besuch des Museums, in der Tränktorstraße 6-8, D-85049 Ingolstadt; zum Preis von 3,- EURO.) |
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