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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2005-10-30 | |
Die „Mauer in den Köpfen“ ist in deutschen Mündern längst ein geflügeltes Wort. Für Satiriker scheint sie eine ewige Inspirationsquelle zu bleiben. Das Satiremagazin „Eulenspiegel“ bringt in seiner „Festausgabe zum 15. Jahrestag der Einheit“ auch den Artikel „Dank Christo: Mauer jetzt noch schöner! – Bulgarischer Volkskünstler gab dem weltbekannten Bauwerk ein neues Gesicht / Endlich ist es Gewißheit: Die Mauer wird auch in 100 Jahren noch stehen.“ In dem Text, der wie alle Beiträge dieser Ausgabe die Geschichte auf den Kopf stellt und von einer „kampflosen Auslieferung der BRD an die DDR“, wie das Mitglied des Politbüros des ZK der SED Otto Waalkes sich in seinen als Leitartikel veröffentlichten „Erinnerungen zum Jahrestag der deutschen Einheit“ äußert, ausgeht, heißt es sogar in überzeugtem Brustton: „Fachleute gehen davon aus, daß die Berliner Mauer länger stehen wird als die Große Chinesische Mauer.“
Sie ist Gott sei’s Dank längst weg, die Mauer in Berlin, und die Einheit wirklich da. In den Köpfen aber, da lebt sie wahrhaftig fort, nicht nur in jenen auf Satirikerhälsen. Meine Frau und ich besuchten im September ein Schriftstellermuseum im Usedomer Seebad Bansin. Eine mit fast missionarischem Sendungsbewusstsein ausgestattete Angestellte des Hauses führte uns durch die Museumsräume und die Art und Weise, wie sie die Heimatverbundenheit Hans Werner Richters schilderte, ließ ihren vielen Sachverstand vor einem schier übervollen Herzen regelrecht erblassen. Das wurde besonders deutlich, nachdem die Frau an unserer Sprache zu erkennen meinte, dass wir wohl aus einer oberbayrischen Region stammen könnten, lebte der Initiator der Gruppe 47 doch lange in München, zu unseligen Mauerzeiten, wohlgemerkt. Hüben geboren & gestorben und drüben gelebt & gewirkt, war aus ihren natürlich immer gut gemeinten Äußerungen zu deuten. Für uns hieß das natürlich drüben geboren & gestorben und hüben gelebt & und gewirkt. Da war schlicht etwas in drei Köpfen, nicht abschreckend und schon gar nicht bedrohend, aber trotzdem da, ja sogar eher verbindend, als trennend. „Sie kommen von drüben“, meinte wohlwollend unsere Mittelsfrau zu ehemaligen DDR-Empfindsamkeiten dann aber zum Abschied, „da wird Maxim Gorki Ihnen nicht allzu viel sagen. Besuchen Sie trotzdem mal in Heringsdorf die Villa Irmgard, dort werden Sie auch Interessantes über diesen russischen Schriftsteller erfahren. Der hat nämlich eine Zeit lang hier an der Ostsee logiert und auch geschrieben.“ Meine Bemerkung, dass wir eigentlich geborene Südosteuropäer wären und sehr wohl von Maxim Gorki gehört hätten, hat sie aber im Wegeilen, von anderen Besuchern in Anspruch genommen, schon nicht mehr registriert. Auf dem Heimweg, nahmen wir dann den Weg über die Promenade und unterhielten uns auch über „die Mauer in den Köpfen“. (Die Villa Irmgard stand an einem anderen Tag auf dem Programm.) Meine Frau und ich waren uns da ziemlich einig (was, weiß Gott oder Gott sei’s Dank, nicht immer der Fall ist), dass dieses zum Hirngespinst mutierte Berliner Bauwerk die Chinesische Mauer zwar nicht überleben wird, ihre Existenz aber auf Lebzeiten ihrer Zeitzeugen gesichert ist.
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