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Die Träne, derer ich mich nicht schäme
artikel [ Gesellschaft ]
Kolumne 77

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von [Delagiarmata ]

2010-05-23  |     | 



Schreiben war mir seit frühester Jugend ein Bedürfnis, mit Erfolgskriterien hatte das freilich nichts zu tun. Das Fixieren von Nachdenken, Fühlen, Sehnsüchten ist für mich seit jeher eine Art von stark in sich gekehrter Welterfahrung. (Imre Török in FEDERWELT, Januar 2009)


Du weißt, deine Jugend, um ehrlicher zu sein, nur Bruchstücke deiner Jugend, finden heute in einem geographisch noch existierenden, aber menschenbezogen nicht mehr bindenden und trotzdem emotional in dir nie ganz untergegangenen Raum statt. Ein Raum mit Landschaft, Umfeld, Straßen, Häusern öffentlichen Bauten und einem Saal – in dem viele, die den menschenbezogenen Verlust für ein paar Stunden auslöschen, heute, jetzt, zu dieser Stunde versammelt sind. Sie sind beisammen, um ihre nichtwiederkehrbare Jugend für einige Stunden zu zelebrieren. (Luftbild: Kulturheim in Giarmata/Jahrmarkt, Banat)

Und du gehörst zu ihnen, du wärst gerne dort, ohne falsche Hoffnungen, realistisch die Situation einschätzend, abhold jeder Träumerei, aber mit tiefem Respekt vor dem menschlichen Gefühl, das man Nostalgie nennt. Du bist aber hier, in der Gegenwart, umgeben von Menschen, die dich lieben – so geben sie es zumindest vor – und deinem „Fühlen“ und deinen „Sehnsüchten“ nicht nur kein Verständnis, sondern manchmal sogar unverhohlene Verachtung entgegenbringen. Dieser Tatsache gesellt sich an Tagen wie dem heutigen das „Nachdenken“ hinzu. Und je mehr ich über dieses Warum nachsinne, um so deutlicher verstehe ich, was der Schriftsteller Imre Török – auch Reste seiner Ursprungswurzeln bleiben wohl zeitlebens in diesem (unserem) pannonischen Becken zurück – mit seiner „stark in sich gekehrten Welterfahrung“ meint.

Es muss vordergründig nicht der Schmerz des Verlustes und die schicksalhafte Unvermeidbarkeit dieses Verlustes sein, die das Schreiben ermöglichen, aber sie sind bei vielen Schreibenden (Profis & Amateuren) ein starker Antrieb. Auch Imre Török gibt das unumwunden zu: „Gewiss spielen Kindheitserfahrungen eine prägende Rolle, auch in meinem Fall, nämlich das Aufkommen einer nicht nachlassenden Sehnsucht als Antrieb meines Schreibens.“ Die Sehnsucht kämpft natürlich vergebens gegen den Verlust an, der bleibt irreversibel. Aber er kann kreative Kräfte in Menschen entfachen, denen Literatur, Kunst und Musik schon so manche Werke von Weltformat zu verdanken haben. Diese aber stehen nur stellvertretend für unzählige „kleine“ Schriftstücke, bemalte Leinwandstücke und beschriebene Notensysteme.

Es ist ein schöner Tag. Die Sonne lacht. Ihre Strahlen wärmen mein Gemüt und führen mich hinweg. Dorthin, wo jetzt vielleicht, ja sicher die Blasmusik spielt. Wie geht es dir noch? Danke, es geht mir gut. Und Euch? Ich müsste bloß an einem Sonnenstrahl in die Höhe klettern und mich an einem anderen dort abseilen, in den Hof in dem Momente meiner Jugend für ein paar Stunden wieder Gestalt annehmen. Was sind dagegen graue Haare, unendliche Glatzen, Bierbäuche? Sie sind irrelevante Begleiterscheinungen, wenn die gleichen Lieder erklingen. Und selbst wenn Landschaft, Umfeld, Straßen, Häuser, öffentliche Bauten und vielleicht sogar der Saal, jener unvergessliche Saal mit seinem Kulissenleben, ihr Gesicht zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verändert haben, reüssiert das Gefühl der Jugend, körperlos, ungreifbar, schwer definierbar und vor allem unbezwingbar in den leibhaftig und gedanklich dort „unten“ Versammelten.

Es ist ein Zug meines Schicksals, nicht dabei sein zu können. So bleibt mir heute nicht mehr als das Fühlen und Sehnen. Und trotzdem verspüre ich Dank, den Dank, darüber nachdenken zu können, mich für Augenblicke in mein Ich zurückziehen zu dürfen und das, was ich empfinde, in Wort und Schrift festhalten zu können. Es ist so erlösend.

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Ich höre einen Vogel in der hohen Fichte singen und merke die Vorbereitungen, die um mich stattfinden, um mich schon in wenigen Minuten auf eine Fahrradtour in die nähere Umgebung zu entführen. Meine Wortkargheit scheint nicht unbemerkt geblieben zu sein. Doch keine Angst! Meine Sinne werden wie immer für die Schönheit der Natur empfänglich sein, doch diese wird heute nicht bis zum Kern meines tiefsten Innern vordringen. Der in jedem Individuum unergründbare und unantastbare Bereich des einzigartigen Geheimnisses, der absoluten Einsamkeit, ist heute besetzt von vielen erwartungsvollen, freudigen, vielleicht auch enttäuschten Gesichtern.

Es ist ein Glücksgefühl, „Nachdenken, Fühlen, Sehnsüchte“ in Worte und Schrift fassen zu können, den Mut aufzubringen, es zu tun und das Resultat dann einem Medium anzuvertrauen, mit allen erfreulichen oder unerfreulichen Konsequenzen. Und trotzdem ist sie da, ich spüre sie auf der Wange, die Träne, derer ich mich nicht schäme.


(Fotos: Google maps & Anton Potche)

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