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Echte Potenz ist naturtrüb
prosa [ ]
Kinderwunsch

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von [franziskus ]

2004-09-13  |     | 



Sollen - Wollen - Können - Müssen - Dürfen - Mögen.
Reihenfolge beim Auswendiglernen. Modalverben. Nennform.

Können - Wollen - Dürfen
Nennenswerte Etappen zur sexuellen Befriedigung für einen jungen Mann.

Sollen - Müssen - Mögen
Später. Sollen - spätestens mit vierzig. Ich soll meine Prostata untersuchen lassen. Modalverb. Personalform. Nicht muss, aber soll. Weniger sexuell befriedigend. Außer man mag es. Mögen müste man es. Dann schon. Wäre eine harmlose Perversion, auf Kosten der Krankenversicherung.

Wenn das eine schon sein soll, dann will ich auch wissen, ob ich das andere könnte. Klarheit über die Potenz. Klar, das nicht auf Krankenschein. Wie nichts, das der Abrundung der Identität dient. Familienaufstellung zum Beispiel. Oder Gestalttherapie.

Der Urologe: ein Regisseur für zwei Stücke.

Vorspiel im Warteraum. Stegreif.

Ich zur Assistentin (hinter vorgehaltener Hand): "Ich möchte auch noch wissen, ob ich zeugen kann".
Die Assistentin (laut, über ihre Schulter): "Noch ein Kinderwunsch, Herr Doktor! Für das Labor".

Habe ich "Kinderpunsch" verstanden? Kramt die alte Dame hinter mir schon die Mehlspeisgabel aus der Tasche?

Ich (zwischen den Zähnen): "Und eine Prostata, Herr Doktor". (Habe ich schon vorbestellt.)

Zwei Einakter
Prostata - Repertoirestück. Konventionelle Inszenierung.
Kinderwunsch - Neuinszenierung

Kritik an der weiblichen Nebenrolle
Erstens: "Kinderpunsch!" Signifikante Artikulationsschwäche. Und mit diesem Tonfall! Schlecht geprobt. Sind wir beim Advent-Charity-Stand des Lions Club?
Zweitens: vollkommen unreflektierte Interpretation des männlichen Begehrens. Verstrickt in Ideologie. Unterscheidet nicht zwischen Wissenwollen um Können und gedankenlosem Tunwollen. (Versteift sich aufs Wollen).
Von ideologischen Implikationen der Modalformen keine Ahnung. Hat sicher nie mit einem Lateinlehrer über Potenz, Volenz und Agenz diskutiert. Und nie den Religionslehrer gefragt, ob man etwas tun muss, sobald man wissen will, ob man es kann. Pure weibliche Ideologie volkstümlichster Prägung im volkstümlichen Sprachkleid. Kinderpunsch!
Der männliche Protagonist will Klarheit, ob er kann. Ob er zeugen will, das muss er selbst wissen. Nicht sie, und nicht der Urologe. Es sei denn, er wäre Tiefenpsychologe.

Ende des Vorspiels.

Richtige Zeit - Richtiger Ort - Richtige Handlung.
Wichtige Requisiten - Wichtige Handgriffe.

Richtige Zeit I
Ob ich kann, das können sie nicht am gleichen Tag feststellen. Sie schicken das in ein Labor. Es wird jeden zweiten Donnerstag um 17.30 Uhr abgeholt. Also erst wieder in einer Woche. Außerdem: Vier Tage vorher Enthaltsamkeit. Nicht mit der Frau schlafen. (Ich präzisiere für mich: mit keiner Frau schlafen.)

Wichtige Requisiten I
Und in diesen Becher kommt es hinein. Auf den Becher kommt: Aufschrift: Name, Datum, Uhrzeit.
(Da hat nur der Familienname Platz, so schmal ist dieser Becher mit der Form eines umgestülpten Atommeilers. Was, wenn es noch jemand mit meinem Familiennamen gäbe, mit Kinderwunsch am selben Tag? )
Zwischen 16:30 und 17:30 Uhr abgeben. Zugeschraubt. Beim Abgeben darf es nicht älter als eine halbe Stunde sein.
Eine Sekunde lang denke ich: Vielleicht doch eine Harnprobe? Unsinn!

Richtige Zeit II
Also doch: Masturbieren - im Umkreis von höchstens einer halben Autostunde. In den Becher kommen!
Vom Büro sind es zwanzig Minuten Fahrt. Parkplatz suchen: fünf Minuten mindestens. Macht vorübergehend impotent. Noch einmal fünf Minuten. Zu spät.
Ich habe eine Woche, um den richtigen Ort zu finden, damit mir genug Zeit bleibt.
Und eine Woche minus vier Tage Zeit, um die richtigen Handgriffe mit dem richtigen Requisit zu üben. Bis zur Vollendung im Becher.

Der richtige Ort I
Nahe liegend: der Ordinations-Abort. Nahe sitzend: die Assistentin. Nahe spritzend: ich nicht! Ausgeschlossen. Ein Ab-Ort. Ohne Vorraum. Ohne Alpha-Musik wie beim Zahnarzt. Ohne Schallschlucker. Ein akustischer Robinson-Spielplatz. Übles Harnprasseln habe ich noch im Ohr.
Und wenn ich die Zähne zusammenbeißen muss, während ich komme, verschlägt es mir immer die Ohren und ich merke überhaupt nicht mehr, wie laut ich bin.

Um die Ecke: da wohnt meine Schwester. Wenn ich sie besuche, gib es zuerst einmal Kaffee. Eine halbe Stunde mindestens. Zu spät.
Kann ich sie besuchen und gleich im Badezimmer verschwinden? Zehn Minuten. Dann mit einem Plastikbecher auf und davon?
Nicht daran zu denken. Was würden sich die Kinder denken? - Dann lieber gleich zu Hause. Da gibt es noch keine.

Im Umkreis wäre:
Der Bahnhof. Aber: ich finde nach dem Abspritzen alles zum Kotzen, was ich vorher schon nicht mag.

Gegenüber der Ordination:
Ein Kaffeehaus. Wenn sie nicht umgebaut haben: ein großer Vorraum zur Toilette. Und um den sanitären Thron herum: viel Arm- und Beinfreiheit.

Die richtige Handlung I
Handlung kommt von Hand.
Ich kein plumper Vorhandspieler. Ich spiele am liebsten beidhändig. Mit gutem Kontakt zum kritischen Punkt.
Wenn ich dabei noch den Becher halten soll, dann brauche ich allerdings drei Hände. Ich muss wohl Abstriche machen.
Das wäre die richtige Stellung: kopfüber in der Sprossenwand, mit den Füßen eingehakt, ein 69-er mit der Schwerkraft. Und ein Sekundant, der den Becher hält.

Ejakulation ist im Prinzip ohne Erektion möglich. Ab-spritzen. Habe ich selbst erlebt. Bei meinem ersten sexuellen Flash mit zwölf, an einem Samstag in der Badewanne, beim Einseifen. Ich fragte Mutter nach der Seifenmarke. Hirsch Zitronella, die reine, milde. Die Seife: weiblich. Und ich lag richtig.
Bald hatte ich aber auch ohne Zitronella mehr Spaß als an meiner Spielzeugeisenbahn.
Und bald zeigte sich, dass es praktisch war, wenn Erektion und Ejakulation Hand in Hand kamen.
Beim Spritzen in den Becher wäre es ohne wieder praktischer gewesen. Der Becher hat wenig Spielraum um ein steifes Glied. Und die Höhe des halben Schafts. Und keinen Rücklauf-Stopper. Das müsste mir jemand zeigen, wie das ohne Kopfstand geht.

Eine Erektion im Sitzen ist ein einziges Aufbäumen gegen die Schwerkraft. Unter Aufbietung aller Schwellkörper. Das Spritzen ist zuallererst Ballistik.
Für die Missionarstellung müsste die Kaffeehaus-Toilette mehr Platz und ich noch mehr Hände haben.

Der richtige Ort II
Ich wähle das Kaffehaus. Der Tisch neben der Toilette ist frei. Warum habe ich gebangt? Tische neben der Toilette sind immer frei.

Das richtige Requisit II
Ich habe ein Buch dabei. Ohne Umschlag. Opus Pistorum. Henry Miller. Nimmt die Schwellhemmung. Sicherer Aufstand in weniger als drei Minuten. Ich reagiere auf Sprache. Mit voller Härte.

Pinzettengriff mit der rechten Hand, Opus Pistorum in der linken, eine Zeitlang, dann den Becher, über das halbe Glied gestülpt, 45 Grad geneigt, ein Kompromiss mit der Ballistik. Ich reibe an der Wurzel statt an der Eichelspitze. Und es überrascht mich die erotisierende Kraft der Ausweglosigkeit. Jeder Orgasmus ist ein Kind der Ausweglosigkeit. Ich komme schnell, und erhebe mich dabei. Mit allem, was ich in vier Tagen gesamelt habe, komme ich in den Becher. Ich bin zufrieden. Und habe noch viel Zeit. Ich will gern sehr zufrieden sein. Und genieße die Nachspielzeit.

Um 17:20 Uhr bezahle ich. Die Serviererin lächelt freundlicher, intimer als vorher, als ich gekommen bin - ins Lokal gekommen bin. Aber vielleicht amüsiert sie das: Der Geldschein zittert in meiner Hand. Und das von einem Espresso!

Nach dem Höhepunkt bin ich sehr schweigsam. Nur so viel:

Prostata: alles klar.
Potenz: Echte Klarheit ist naturtrüb.

Vorhang
(kann, soll, müsste fallen. Möge ihm die Schwerkraft leicht sein.)

Für D.C. (die Schwerelose)

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