agonia
deutsch

v3
 

agonia.net | Richtlinien | Mission Kontakt | Konto erstellen
poezii poezii poezii poezii poezii
poezii
armana Poezii, Poezie deutsch Poezii, Poezie english Poezii, Poezie espanol Poezii, Poezie francais Poezii, Poezie italiano Poezii, Poezie japanese Poezii, Poezie portugues Poezii, Poezie romana Poezii, Poezie russkaia Poezii, Poezie

Artikel Gemeinschaften Wettbewerb Essay Multimedia Persönlich Gedicht Presse Prosa _QUOTE Drehbuch Spezial

Poezii Rom�nesti - Romanian Poetry

poezii


 


Weitere Texte dieses Autors


Übersetzung dieses Textes
0

 Kommentare der Mitglieder


print e-mail
Leser: 2554 .



Zum 2. Geburtstag der deutschen Site von agonia.net / poezie.ro
artikel [ Internet ]
Kolumne 26

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
von [Delagiarmata ]

2005-11-06  |     | 



„Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit.“

Sie befinden sich hier auf einer Internetsite, die unter der Adresse www.poezie.ro angesteuert werden kann. Was könnte da näher liegen, als am zweiten Geburtstag (6. November 2005) der deutschen Abteilung dieses virtuellen Hauses der Poesie einen Blick in Paul Celans unter dem Titel „Der Meridian“ berühmt gewordene Rede anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises (22. Oktober 1960) zu werfen.

Es ist nicht nur der Geburtstag Celans (23. November) oder seine nie verblasste Sympathie für osteuropäische Latinität, das Rumänische, das ihm bestimmt den Weg in die Welt eines Cocteau, Rimbaud, Mandelstam, P. Valéry, H. Michaux, Ungaretti u.a. erleichtert hat, sondern es ist vielmehr der absolute Bezug seiner Rede zum Gedicht, zur Poesie, zur „poezie“, der dazu verleitet, ihn lustvoll hier einzubeziehen. Dabei verspürt man regelrecht die Gefahr, sich hemmungslos in einen Zitatenrausch zu stürzen. Also ist Maßhalten angesagt. Maßhalten? Beim Dichten? Bewusste Zähmung geistiger Triebe? Wie weit liegen geistiger und physischer Suizid überhaupt auseinander? Sollte Celan gar eine Antwort darauf gehabt haben? Hat er sie uns sogar vorgelebt und letztendlich vorgestorben?

Nein, lieber weg von solchen Fragen. Also auf zum fröhlichen Drauflosdichten. Dagegen hilft sowieso selbst das hartnäckigste Sträuben nicht, wenn eben das Bedürfnis die Überhand gewinnt, denn auch Celan wusste, dass „die Dichtung uns manchmal vorauseilt.“

Wir stehen nicht allein da mit unseren Selbstzweifeln. Auch er war derer voll, er, der Meister der oft schwer entschlüsselbaren Wortkreationen und -wendungen. „Dichtung: das kann eine Atemwende bedeuten. Wer weiß, vielleicht legt die Dichtung den Weg – auch den Weg der Kunst – um einer solchen Atemwende willen zurück? Vielleicht gelingt es ihr, da das Fremde, also der Abgrund und das Medusenhaupt, der Abgrund und die Automaten, ja in einer Richtung zu liegen scheint, - vielleicht gelingt es ihr hier, zwischen Fremd und Fremd zu unterscheiden, vielleicht schrumpft gerade hier das Medusenhaupt, vielleicht versagen gerade hier die Automaten – für diesen einmaligen kurzen Augenblick? Vielleicht wird hier, mit dem Ich – mit dem hier und solcherart freigesetzten befremdeten Ich, - vielleicht wird hier noch ein Anderes frei? Vielleicht ist das Gedicht von da her es selbst... und kann nun, auf diese kunstlose, kunst-freie Weise, seine anderen Wege, also auch die Wege der Kunst gehen – wieder und wieder gehen? Vielleicht.“

Schreibblockade hin oder her, das Gedicht „behauptet sich – erlauben Sie mir, nach so vielen extremen Formulierungen, nun auch diese -, das Gedicht behauptet sich am Rande seiner selbst; es ruft und holt sich, um bestehen zu können, unausgesetzt aus seinem Schon-nicht-mehr in sein Immer-noch-zurück.“ Mihai Popeți wird’s freuen! Er befindet sich wahrlich in bester Gesellschaft.

Was sind wir denn für komische Typen, wir, die oft sogar aus einer diskutierenden Menschentraube plötzlich oder langsam, aber stetig im Geist entschwinden? Oft habe ich mich dabei selbst ertappt und mir anfangs auch die eine oder andere Rüge und allmählich erst einzelne verständliche Lächeln meiner Frau eingeheimst. Die Einsamkeit in den Köpfen scheint wirklich die einzige Kondition des Schreibens zu sein. Auch Paul Celan empfand das so: „Das Gedicht ist einsam. Es ist einsam und unterwegs. Wer es schreibt, bleibt ihm mitgegeben.“

Aber wenn es da ist, will es mit kindlichem Instinkt spielen. Wie jedes Lebewesen drängt es zu seinesgleichen, wird zum Geisteswesen, das durch die Köpfe derer schwirrt, die es lesen. „Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Es sucht es auf, es spricht sich ihm zu.“

Und es regt zur Stellungnahme an, generiert Gedankenimpulse und löst ihre Niederschrift aus, fernab jeder orthographischen Fesseln, und das zur ungewöhnlichsten Stunde. „Noch im Hier und Jetzt des Gedichts – das Gedicht selbst hat ja immer nur diese eine, einmalige, punktuelle Gegenwart -, noch in dieser Unmittelbarkeit und Nähe lässt es das ihm, dem Anderen, Eigenste mitsprechen: dessen Zeit.“ Anni-Lorei Mainka kann ein Lied davon singen! Was würde Celan wohl sagen, wenn er jetzt sehen könnte, dass der Poesiediskurs hier bei poezie.ro in fast uneingeschränkter Freiheit, bar jeder Zensur (aber nicht ohne Begleitung) und in einer noch vor wenigen Jahren unvorstellbaren Unmittelbarkeit, zeit- und raumunabhängig geführt wird, lustvoll, streitsüchtig, wehmütig, verständnisvoll, ablehnend, bewundernd u.s.w.?

Ach was! „Das absolute Gedicht – nein, das gibt es gewiß nicht, das kann es nicht geben! [...] Die Dichtung, meine Damen und Herren -: diese Unendlichsprechung von lauter Sterblichkeit und Umsonst! [...] Ich bin... mir selbst begegnet.“ Wir haben die Chance, uns selbst zu begegnen, wir alle, die wir uns nicht scheuen, unseren Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu lassen, und das ganz ungezwungen, ohne jeglichen Existenzdruck.

Das tun wir hier auf der deutschen Ausgabe von poezie.ro nun seit zwei Jahren. Wir kennen uns mittlerweile, ohne uns je begegnet zu sein. Wahrscheinlich werden wir uns auch nie begegnen, und doch ist eine gewisse Vertrautheit entstanden. Schon dafür darf man dankbar sein. Es ist nichts Weltbewegendes, was wir hier veranstalten – schreiben oder das Geschriebene Anderer lesen -, aber durchaus etwas, das eine gewisse Beständigkeit, ein Moment des Verharrens vermitteln kann, und das in einer Zeit weiter steigender Informationsfluten.

Natürlich freuen wir uns auf jeden Vorbeischauenden auch in den nächsten Jahren, soweit das Schicksal und Radu Herinean es in Zukunft mit diesem virtuellen Haus des Gedichts, der Prosa und auch gelegentlicher Kulturnachrichten gut meinen. In diesem Sinn sei Ihnen, „meine Damen und Herren“, nochmals mit den Celanschen Worten „für Ihre Anwesenheit“, heute und darüber hinaus, recht herzlich gedankt.

.  | Index










 
poezii poezii poezii poezii poezii poezii
poezii
poezii Eine virtuelle Heimstätte der Litaratur und Kunst poezii
poezii
poezii  Suche  Agonia.Net  

Bitte haben Sie Verständnis, dass Texte nur mit unserer Erlaubnis angezeigt werden können.
Copyright 1999-2003. agonia.net

E-mail | Vertraulichkeits- und Publikationspolitik

Top Site-uri Cultura - Join the Cultural Topsites!